Deutschlandweit suchen Betriebe händeringend nach Auszubildenden. Am Beginn des neuen Lehrjahres sind in vielen Berufen Lehrstellen unbesetzt. Der bereits bestehende Fachkräftemangel droht sich weiter zuzuspitzen.
Doch, wie sieht die Lage in der Region aus? Ist der Nachwuchsmangel im Landkreis Waldshut genauso groß wie andernorts? Wir haben nachgefragt.
Lage in der Gastronomie ist ernst

„Die Lage ist ernst“, sagt Hermann Pfau, Dehoga-Kreisvorsitzender und Betreiber des Gartenhotels „Feldeck“ in Lauchringen, mit einem bedrückten Seufzen. Die Zahl an Auszubildenden im Gastronomiegewerbe sei aus verschiedenen Gründen bedenklich gering – gerade in den Küchen.
„An Nachwuchsköchen mangelt es extrem. Wo wir früher ungefähr 160 Prüflinge hatten, sind es mittlerweile nur noch 40“, berichtet Pfau, der Mitglied im Prüfungsausschuss der Industrie- und Handelskammer (IHK) ist.
Bei sich im „Feldeck“ habe er jährlich einen Ausbildungsplatz in der Küche und einen im Hotel zu vergeben. „Dieses Jahr haben wir aber durch Zufall zwei Köche bekommen und haben uns dazu entschieden beide auszubilden“, berichtet Pfau.
Teilweise Bewerbungen aus Marokko – aber nicht aus der Region
Im Hotelgewerbe sehe es kaum besser aus, beklagt er: „Die größte Nachfrage erhalten wir aus dem Ausland.“ Besonders aus Marokko kämen regelmäßig Anfragen von Ausbildungsinteressierten.
Dies sei ein Trend, der sich seit zwei bis drei Jahren abzeichne. „Das sind oft junge Leute mit guter Schulausbildung, die auch über Deutschkenntnisse verfügen und online auf Stellenanzeigen aufmerksam werden“, erklärt Hermann Pfau.
Über die Gründe, wieso das Interesse aus dem Ausland sich speziell auf die Gastronomie richte, könne er nur spekulieren. Allerdings sagt Pfau: „Vielleicht liegt es daran, dass wir Gastronomen oft neben Ausbildungsangeboten auch Wohnmöglichkeiten bieten können. Oder die jungen Menschen erhoffen sich in unserem Gewerbe einfach die höchsten Erfolgschancen.“
Allerdings sei es gar nicht so einfach, Auszubildende aus dem Ausland einzustellen: „Mit der Einwanderung sind meistens viele Fragen verbunden. Zum Beispiel muss sich der Arbeitgeber um eine geeignete Unterkunft kümmern.“
Und dennoch entschieden sich viele seiner Kollege zu diesem Schritt, um ihren Mangel an Auszubildenden zu kompensieren. Für ihn selbst sei diese Option bisher noch nicht infrage gekommen. „Aber je schwieriger die Situation wird, desto mehr denke auch ich darüber nach“, sagt er.
Corona-Beschränkungen haben Problematik verstärkt
Den Hauptgrund für den akuten Nachwuchsmangel sieht Hermann Pfau in den großen Einschränkungen der Gastronomie aufgrund der Corona-Krise. „Viele junge Leute sind sich unsicher, ob ein Beruf in unserer Branche die richtige Wahl ist“, sagt Pfau.
Sein Ausblick ist von Bedenken geprägt: „Wenn sich an der Lage nicht bald etwas ändert, werden viele Restaurant-Betreiber dazu gezwungen sein, von einer Sechstagewoche auf eine Fünftagewoche umzustellen oder andere Maßnahmen zu ergreifen, um mit dem Personalmangel fertig zu werden.“
Sparkasse verzeichnet hohe Nachfrage – aber es war schon besser

Hoch ist die Nachfrage nach einer Ausbildung im Bankwesen. Der Beruf Bankkauffrau/-mann sei laut der Leiterin des Vorstandsstab der Sparkasse Hochrhein, Ramona Gisinger, begehrt. „Aktuell beschäftigen wir bei der Sparkasse Hochrhein 42 Auszubildende, davon machen neun ein duales Studium.“
Mit diesen Zahlen sei die Sparkasse Hochrhein sehr zufrieden. Unter anderem, weil auch die jüngsten Entwicklungen positiv zu bewerten seien. „In diesem Jahr haben wir 18 Auszubildende eingestellt, das sind vier mehr als 2021“, so Gisinger.
Weniger Bewerber als vor zehn Jahren
Generell stellt aber auch die Sparkasse einen Bewerberrückgang fest. Vor zehn Jahren sei das Interesse noch deutlich höher gewesen. „Corona hatte keine Auswirkungen auf die Anzahl unserer Auszubildenden. Wir hatten auch während der vergangenen zwei Jahre viele Interessenten“, erzählt Ramona Gisinger.
Trotzdem große Zufriedenheit
Im Branchenvergleich genieße die Sparkasse jedoch bei Schulabgängern ein deutlich größeres Ansehen als andere Kreditinstitute, so Gisinger weiter: „Gerade im Vergleich zu Geschäftsbanken nehmen die jungen Menschen unserer Erfahrung nach die Tätigkeit bei der Sparkasse sehr positiv auf.“
Dies läge unter anderem daran, dass eine Ausbildung bei der Sparkasse „sehr abwechslungsreich“ sei und verschiedene Weiterbildungsmöglichkeiten biete. Darüber hinaus bemerkt Ramona Gisinger: „Auch die Gemeinschaft unserer Auszubildenden ist besonders positiv hervorzuheben. Nicht nur fachlich sondern auch persönlich werden unsere Auszubildenden toll unterstützt.“
In diesem Zusammenhang weist sie auf den Informationstag der Sparkasse „One Day In Red“ am 28. Oktober 2022 hin, an dem Interessierte sich ein Bild von der Ausbildung bei der Sparkasse machen können.
Kreishandwerkerschaft ist „positiv überrascht“
Überraschend positiv fällt das Urteil von Aron Jehle, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Waldshut, aus. „Alles in allem ist die Situation nicht schlechter als in anderen Jahren. Das ist erfreulich“, sagt er.
Mit 280 neuen Ausbildungsverhältnissen im Stand Juli 2022 sei das Niveau der Vorjahre gehalten worden. Außerdem sei laut Jehle davon auszugehen, dass die Zahl weiter steige, da die meisten Ausbildungsverträge ab September beginnen.
Große Unterschiede in einzelnen Berufen
Was die Folgen der Corona-Jahre anbelangt, müsse man die Handwerksberufe differenziert betrachten. „Bei den Berufen, die direkt von den Auswirkungen der Pandemie betroffen waren, wie zum Beispiel bei den Friseuren, ist natürlich schon ein großer Schaden zu erkennen.“ Ob diese Berufe den Rückstand jemals wieder aufholen können, stehe in den Sternen.
„Aber bei den technischen Berufen, wie zum Beispiel beim Bau, hat Corona kaum Spuren hinterlassen. Manche Berufsgruppen haben sogar von der Situation profitiert“, schildert Aron Jehle.
Hoffnungsvolle Zukunft
Die Zukunft des Handwerks sieht er mit großer Hoffnung. Den Schulabgängern werde angesichts des technischen Fortschritts die Attraktivität eines handwerklichen Berufs langsam wieder bewusst.
„Viele Routineberufe werden in Zukunft wahrscheinlich wegfallen. Dazu zählen viele Bürojobs, und das erkennen die Schulabgänger mittlerweile.“ Davon profitieren Handwerksberufe, ist sich Jehle sicher: „Digitalisierung, Wandel, Arbeitsmarkt 4.0-das geht den jungen Leuten alles durch den Kopf.“
Doch nicht nur im Bewusstsein der Schulabgänger selbst nehme er eine Veränderung wahr: „Es kommt ja oft auch auf die Eltern an. Lange Zeit war es das höchste Ziel, die Kinder solange in der Schule zu behalten, wie möglich.“ Dass sich diese Haltung inzwischen ein Stück weit geändert habe, sei auch eine Chance für das Handwerk.
Im Landkreis Waldshut seien aktuell 915 handwerkliche Auszubildende auf 490 Betriebe verteilt.