Menschen in seelischen Krisen zu begleiten und auch deren Angehörige – das ist die Hauptaufgabe der Initiative Außerstationäre Krisenbegleitung (ASK) im Landkreis Lörrach. Doch die Gruppe ist noch zu klein und sucht nun nach Mitstreitern. Gemeinsam mit dem Psychologen und Psychotherapeuten Michael Götz-Kluth hat sie nun einen VHS-Kurs organisiert, um weitere ehrenamtliche Krisenbegleiter auszubilden.

Der Kurs richtet sich an Angehörige und alle Interessierten, die Betroffene in seelischen Krisen zuhause begleiten wollen. Bernd Manz, sozialpsychiatrische Fachkraft und Mitglied der Initiative, erklärt, um was es genau geht.

„Unsere Initiative will mit dem VHS-Kurs den Aufbau eines ehrenamtlichen trialogischen Krisen-Begleitteams im Kreis Lörrach voranbringen“, so Manz. Trialogisch stehe dabei für das gleichberechtigte Miteinander von Betroffenen, Angehörigen und Professionellen. Mitglieder der Initiative sind unter anderem auch ehemalige Betroffene, die aus ihrer Eigenerfahrung selbst zu Experten werden.

Bedarf nach Begleitung ist groß

Bei den seelischen Krisen werde nicht unterschieden, ob mit oder ohne Diagnose. „Bei Umständen, in denen etwa der Stress zu heftig wird, da fange ich an nach Hilfe zu suchen und finde vielleicht nur noch die Telefonseelsorge, weil Ärzte und Therapeuten überlastet sind – da ist der Bedarf nach einer Begleitung groß“, erklärt Manz das Dilemma. Wer aktuell nach Psychiatern, Psychotherapeuten oder Psychologen suche, müsse lange warten. „Auf der Warteliste steht man mindestens drei Monate, viele brauchen aber die Hilfe sofort“, so Manz.

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„In einer akuten Situation ist Warten keine Lösung“, sagt Manz. Und dann können die Krisenbegleiter helfen. Gleichzeitig betont er aber auch: „Das Krisen-Begleitteam kann natürlich nicht professionelle Hilfen ersetzen, bringt aber die besondere Qualität der direkten menschlichen Begegnung und der Expertise aus Eigen-Erfahrung in die Krisenbegleitung mit ein und will sich primär an den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Betroffenen selbst und ihres Umfeldes orientieren.“ Es ginge darum, die bestehenden Angebote zu ergänzen.

Ein Teil der Initiative Außerstationäre Krisenbegleitung (von links): Kerstin Huck, Bernd Manz, Waltraud Weiermann, Antje Eckert.
Ein Teil der Initiative Außerstationäre Krisenbegleitung (von links): Kerstin Huck, Bernd Manz, Waltraud Weiermann, Antje Eckert. | Bild: Bernd Manz

Für akute Krisen gebe es zu wenig professionelle Angebote, betont Manz. Eine Klinik könne außerdem nur einige Wochen in einer Akut-Phase helfen. „Danach sitze ich wieder in meiner Bude und weiß nicht weiter und habe keine Anschlussunterstützung“, erläutert Manz. So könnten die Krisenbegleiter auch im Anschluss an Therapien die Betroffenen unterstützen. Das Loch in der Nachsorge könne damit gefüllt werden.

Die Menschen auf Augenhöhe begleiten

Im VHS-Kurs lerne man etwa das Konzept der bedürfnisorientierten Behandlung kennen, den Leitfaden für ambulante Krisenbegleitung, die gewaltfreie Kommunikation, sowie Strategien zur Deeskalation. Manz drückt es so aus: „Es geht darum, wenn wir Menschen in Krisen begleiten, dass wir uns mit ihnen zusammensetzen und zuhören, was sie brauchen, dass wir Lösungen finden im eigenen Umfeld und nicht unbedingt außerhalb.“ Das Stichwort sei „auf Augenhöhe mit den Betroffenen“. Auch in seiner Arbeit als sozialspychiatrische Fachkraft habe er immer die Distanz zu den Betroffenen herausgenommen.

Jede Woche wünschen zehn Menschen Begleitung

Die Initiativgruppe für Außerstationäre Krisenbegleitung (ASK) ist ein gutes Jahr alt und besteht aus Angehörigen, Betroffenen und Fachpersonen. Aktuell seien es rund sechs Personen, die an der Entwicklung eines größeren Teams arbeiten. Die Vernetzung zu Institutionen, die man als Team unterstützen könne, sei wichtig. Dass der Bedarf an Begleitung groß ist, hat Manz auch in seiner Arbeit in all den Jahren immer wieder erfahren. In seinem beruflichen Umfeld und in den Selbsthilfegruppen werde die ganze Zeit darüber gesprochen, das eine solche Hilfe gebraucht wird. „Jede Woche gibt es zehn Menschen in meinem Umfeld, die Begleitung wünschen“, sagt Manz. Doch dieser große Wunsch nach Hilfe verschwinde bei vielen in der Anonymität. Der Bedarf sei jedenfalls größer als man mit Ehrenamtlichen decken könne.

Mehr ambulante Begleitung gefordert

Und genau deshalb setzen sich Manz sowie die Initiative auch für mehr professionelle ambulante Krisen-Interventionsteams ein. Ein solches könnte in Deutschland jede Klinik aufbauen, meint er. Doch es gebe sie in nur ganz Wenigen. Und das, obwohl die Wirksamkeit und auch die ökonomische Gegenrechnung dafür sprechen. Ein solches Team wäre viel adäquater zu den Bedürfnissen der Betroffenen, meint Manz. Er nennt als Beispiel Gütersloh, wo vor 20 Jahren die Wohnheime geschlossen und auf ambulante Begleitung gesetzt wurde. „Dies konnte dort die stationäre Begleitung überflüssig machen“, so Manz.

Stationäre Behandlung oft weiterhin nötig

Klar sei aber auch, dass in vielen Fällen die stationäre Behandlung nötig ist. Beides widerspreche sich nicht, betont er. Deswegen setzt er darauf, dass sich beides noch viel mehr ergänzen soll. Die Initiative ASK im Kreis Lörrach setze sich für den dringend erforderlichen Ausbau von zusätzlichen ambulanten psycho-sozialen Hilfen und für die Beteiligung und Befähigung von Betroffenen und von Erfahrungs-Experten ein. Denn längst sei ein solches Vorhaben in Gesetzen formuliert – für die Gleichstellung Betroffener. „Doch an der Umsetzung mangelt es“, sagt Manz. Deswegen versuche man nun mit dem kleinen ehrenamtlichen Team, zumindest einen kleinen Schritt in diese Richtung zu gehen. „Wir wollen einfach anfangen, nicht warten auf Institutionen, auf Verantwortliche, sondern selbst vorangehen, wollen wirken auf eine Veränderung, damit dadurch dann auch Gelder und Konzeptionen in die Wege kommen“, erklärt Manz. „Wir haben zwar politisch noch nicht so ein großes Gewicht, aber wir vernetzen uns in die Richtung“, sagt er mit großer Zuversicht.

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