„Bitte achtet auf eure Hunde, es können noch mehr vorhanden sein“, steht auf einem Plakat an einem Baum am Oberen Rainweg in Frick. Die Rede ist von Hundeködern, konkret: Fleischkäse, der mit Nägeln präpariert ist. Ein solcher Köder sei Ende Juni im Gebiet gefunden worden, heißt es auf dem Plakat weiter. Die Kantonspolizei Aargau weiß um den Fall. „Der gefundene Köder wurde auf dem Polizeiposten abgegeben“, sagt Sprecherin Aline Rey. „Die Ermittlungen laufen.“ Eine Meldung über verletzte Tiere liege nicht vor.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich in der Schweizer Nachbarschaft in den vergangenen Monaten ein derartiger Vorfall ereignet. Vergangenes Jahr hatte eine Spaziergängerin in Wettingen bei Baden mit Nägeln versetzte Fleischwurst-Häppchen entdeckt. Die 20-Jährige hatte den Vorfall damals nicht nur beider Kantonspolizei gemeldet, sondern das Ganze auch in den sozialen Medien publik gemacht – mit der entsprechenden Konsequenz: Das Thema hatte hohe Wellen geschlagen, der Beitrag war tausende Male geteilt und etwa 100 Mal kommentiert worden. Damals sprach die Kantonspolizei von einem Einzelfall. Ein Täter wurde jedoch nicht ausfindig gemacht.
Gibt es derartige Vorfälle auch auf der deutschen Seite?
Eine zahlengenaue Recherche ist nicht möglich, da in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht nach einzelnen Delikten unterschieden wird, sondern alle Verstöße gegen das Tierschutzgesetz erfasst werden, schildert Mathias Albicker, Pressesprecher der Polizei Waldshut-Tiengen. „Der letzte bewiesene Fall mit Giftködern liegt Jahre zurück. In diesem Fall wurden mit Rattengift versetzte Köder ausgelegt, um Biber zu töten“, schildert Albicker auf Nachfrage. Ein Tatverdächtiger konnte damals ermittelt werden.
Meldungen über Giftköder gebe es derweil sehr oft, in der Regel erhält die Polizei davon aber keine direkte Kenntnis: „Viele Verdachtsfälle werden über soziale Medien verbreitet“, so Albicker. Und in aller Regel seien diese Meldungen auch nicht bewiesen.
Aber selbst bei Anzeigen sei die Beweisführung häufig schwer zu bewerkstelligen. So sei im Lauf der vergangenen Monate unter anderem ein Verdacht gemeldet worden, dass in Waldshut-Tiengen vergiftete Wurststücken ausgelegt waren. „Entsprechende Köder konnten nicht mehr gefunden werden“, so Albicker. Weitere Mitteilungen zu diesem Fall seien nicht eingegangen, auch sei kein Tier zu Schaden gekommen.
Rückschlüsse auf möglichen Täter schwierig
Stellt sich die Frage, wer eine solche Tat verübt. Eine Frage, die sich auch der bekannte Schweizer Gerichtspsychiater Josef Sachs stellt. Es sei schwierig, nur aufgrund der Tat und ohne weitere Informationen genaue Rückschlüsse zu ziehen, sagt er. Für ihn kommen mehrere mögliche Motive infrage.
Zum einen könnte es sich um eine sadistisch veranlagte Täterschaft handeln. „Das sind Leute, die sich daran weiden, wenn andere Menschen oder Tiere leiden“, erklärt er. Für ihn wäre dies der „worst case“, denn: „Es zeigt sich, dass eine Mehrheit der Menschen, die eine schwere Gewalttat gegen Menschen verüben, zuvor Tiere gequält haben.“ Da komme unweigerlich die nächste Frage auf: Zu was ist die Täterschaft noch fähig?
Als weitere Möglichkeit für ein Motiv sieht Sachs, dass der Täter oder die Täterin ein Problem damit hat, den eigenen Ärger zu kontrollieren. Diese Menschen hätten „nicht eine grundsätzlich böse Einstellung“, so Sachs. Aber sie hätten die Wut nicht im Griff und verschafften ihrem Ärger über Hunde so Luft. „Eine ähnliche, wenn auch mildere Dynamik finden wir, wenn jemand gegen ein Auto kickt, weil er sich über den Autofahrer nervt“, sagt Sachs.
Möglich sei aber auch, dass sich der Ärger gar nicht gegen die Hunde selber richte, sondern gegen deren Halter. „Wie das Sprichwort sagt: Den Sack schlägt man, den Esel meint man.“
Eine solche Tat erfolgt nicht ohne Vorlaufzeit
Als Auslöser sieht Sachs in diesen Fällen eine „allgemeine Unzufriedenheit“ mit dem Leben. Stichwort: Wutbürger. Eine solche Tat werde ausserdem nicht ohne eine gewisse Vorlaufzeit verübt. „Ein Mensch muss sich zuerst einige Zeit in seiner Fantasie mit der Frage beschäftigen, wie er jemandem eins auswischen und seiner Wut Ausdruck verleihen kann. Die Idee ist ja nicht naheliegend, da muss ein Mensch zuerst drauf kommen.“
Einen Giftköder auszulegen – das sei eine Tat, von der man vielleicht mal am Stammtisch spreche. „Aber sie dann tatsächlich umzusetzen, ist noch einmal ein großer Schritt.“
Meist rate die Polizei vor Warnplakaten ab, sagt Rey. „Sie sorgen für große Verunsicherung, statt wirklich zu helfen. Und gerade, wenn sie auch auf den sozialen Medien geteilt wird, lässt sich die Verbreitung einer solchen Warnung kaum steuern.“
Vielmehr rät Rey Hundehaltern, sich beim Spaziergang auf den Hund zu fokussieren und sich nicht ablenken zu lassen, etwa vom Smartphone. „So lässt sich in den allermeisten Fällen verhindern, dass der Hund unbemerkt etwas frisst. Wir appellieren da an die Eigenverantwortung“, so Rey.
Ähnlich sieht auch der Rat der deutschen Polizei aus. Vor allem könne die Polizei nur dann tätig werden. Abgesehen davon gebe es inzwischen auch Giftköder-Apps, in denen verdächtige Funde gemeldet werden können.
Und das Strafmaß?
Kommt ein Tier durch einen Giftköder zu schaden wird der Täter gemäß Paragraf 17 Tierschutzgesetz angeklagt. Dieses besagt, dass derjenige, der ein Wirbeltier „ohne vernünftigen Grund tötet oder einem Wirbeltier aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden“ zu füge, die auch länger anhalten können, mit einem Strafrahmen zwischen einer Geldstrafe und einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren rechnen muss.