Nein, mit dem Frühling, der in Englisch ebenfalls „Spring“ heißt, hat das Debutalbum des Vollblutmusikers Menzel Mutzke nichts zu tun. Auch nicht mit Springen, also der vom Boden abstoßenden Bewegung nach oben oder vorne – obwohl naheliegend, denn Mutzke geht das Wagnis ein, sich stärker als sonst zu exponieren, indem er seine Person voll in den Vordergrund rückt. Der Albumtitel „Spring“ hat eine andere Bedeutung: „Ich habe das Wort für Ursprung oder Quelle gesucht“, erklärt er im Gespräch mit dieser Zeitung. Ursprung oder Quelle deshalb, weil er zum Jazz zurück wollte, zu der Musik, die ihn seit seiner Kindheit begleitet. Und auch, weil er damit Freundschaften von früher verbindet.

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Menzel Mutzke, geboren 1984 in Bad Säckingen, war zehn Jahre alt, als er seine Neigung zum Cool-Jazz erkannte. Wenn er im Bett liegend die Augen schloss, fuhr er im dunkelblauen Mercedes-Benz 200 aus den Sechzigern mit Heckflosse durch das nächtliche Hamburg und hörte Lee Morgan – obwohl er die Stadt damals nicht kannte. „In meinen Tagträumen war es immer Hamburg„, berichtet er. Später zog es ihn als Erwachsener tatsächlich in die Hansestadt. Nach sechs Jahren an der Elbe kehrte er 2019 zurück nach Köln, zurück in die Stadt, in der er Musik studiert hatte und zum professionellen Musiker wurde.

Das Umschlagbild von „Spring“ von und mit Menzel Mutzke.
Das Umschlagbild von „Spring“ von und mit Menzel Mutzke. | Bild: Privat/Mutterkomplex

Dort, in einem für Klassikaufnahmen konzipierten Studio des Deutschlandfunks, machte er vor über einem Jahr ernst. An nur drei Tagen im Frühling 2019 nahm er mit Pablo Held (Klavier), Silvio Morger (Schlagzeug), Dietmar Fuhr (Kontrabass) und seinem Bruder Max Mutzke (Gesang) das Debutalbum „Spring“ auf. „Die Stücke waren komponiert, aber nicht vollständig auskomponiert“, erklärt Menzel Mutzke die Vorgehensweise, „wir haben vieles vorher besprochen, jeder kannte die Stücke, aber dazwischen war viel Freiraum, den braucht man, damit es atmet, lebt“. Und wie es lebt: Die Aufnahmen sind organisch gewachsen, klingen genau so, was auch dem Umstand, dass die Band zusammen im selben Raum spielte und keine nachträglichen Tonspuren hinzufügte – Liveaufnahmen also, ohne Schnickschnack. Der Klang ist warm und voll, die Musik fließt unaufgeregt und entwickelt eine geheimnisvolle Schönheit wie der Schimmer des Mondes in einem Teich. „Ich wollte etwas Nächtliches, Heimeliges, eine Platte, die einen ruhigen Bogen macht“, beschreibt Menzel Mutzke seine Intention. Um diese Stimmung zu erzeugen, wurden sogar die Deckenfluter im Studio ausgemacht, so dass nur spärliches Licht über der Band schien.

Max Mutzke hatte nur etwa zwei Stunden Zeit, um zwei Lieder – „My funny Valentine“ und „You are all around me“, eine Hommage an die verstorbene Mutter – zu singen. „Das war professionell und ist super geworden“, schwärmt Menzel Mutzke. Der mit „Spring“ keine finanziellen Interessen verfolgt. Die Platte sei eine Art Liebhaberei, erklärt er, „ich wollte einfach etwas eigenes machen“. Wobei: So einfach ging ihm das Projekt nicht von der Hand. Schon vor zehn Jahren wollte er eine eigene Platte aufnehmen, befand sich auch im Studio, war dann aber mit dem Ergebnis nicht zufrieden. „Ich hatte es zu sehr forciert“, meint er rückblickend. Den Plan gab er aber nicht auf. Zumal er immer wieder nach etwas eigenem gefragt wurde.

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Nun hat er 13 Stücke aufgenommen, acht schafften es auf die im Mai 2020 erschienene CD. Die Kritiker hat sie schon mal überzeugt. Georg Modestin hält in seiner Rezension im Schweizer Musikmagazin „Jazz`n`More“ fest: „Spring“ sei eine „abgeklärte Produktion, auf der sich ein Leader entdecken lässt, der bewusst auf das athletische Schneller und Höher verzichtet, zu dem sein Instrument manch anderen verleitet“. Stattdessen zelebriere Menzel Mutzke „eine betonte Lässigkeit, die sich stilistisch an den 1950er – und 60er-Jahren orientiert, ohne die Gegenwart gänzlich auszublenden“, so Modestin.