Es ist ein klassischer Nachbarschaftsstreit: Auf der einen Seite ein 34-Jähriger, der bereits einige Jahre in einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in einem idyllischen kleinen Dorf mitten im Fricktal im Kanton Aargau gelebt hatte. Auf der anderen eine 25-Jährige, die im Herbst 2017 in eine andere Wohnung im Haus eingezogen ist.
„Von Anfang an“ habe es zwischen ihnen Probleme gegeben, sagte der Angeklagte vor dem Rheinfelder Bezirksgericht, wo sich die – mittlerweile ehemaligen – Nachbarn wieder trafen.
Das Protokoll der Eskalation
Die Emotionen schaukelten sich dabei über Monate hoch, bis die Situation am letzten Augustwochenende 2020 eskalierte. In der Anklageschrift gegen den 34-Jährigen ist die Rede von mehreren verbalen Auseinandersetzungen, bei denen er seine Nachbarin unter anderem als „polnische Hure“ beschimpft und gefragt haben soll, ob sie schlechten Sex habe.
Es ist die Rede von falsch geparkten Autos, von Streitereien um die Hunde, von gestohlenen Aschenbechern und Sandalen sowie von einem gegen die Haustür geworfenen Katzenfutternapf.
Die Frau erstattete nach dem Wochenende Anzeige. Als ihr Nachbar einige Wochen später davon erfuhr, konfrontierte er sie damit und sagte unter anderem: „Das wirst du bereuen. Es kommt alles auf dich zurück. Du spielst mit der Flamme.“
Angeklagt war der Mann nun der mehrfachen Drohung, der Beschimpfung, der sexuellen Belästigung sowie des geringfügigen Diebstahls.
Gerichtspräsidentin ermahnt Streithähne
Was genau der Auslöser für die Streitigkeiten war, konnten beide nicht erklären, warfen sich stattdessen gegenseitig vor, ständig den Konflikt gesucht zu haben. Dass sie sich nach wie vor nicht wohl gesinnt sind, war dabei unübersehbar. Sie würdigten sich während der gesamten Verhandlung keines Blickes, äußerten dafür aber stetig weitere Vorwürfe in Richtung des anderen.
Die Gerichtspräsidentin sah sich sogar veranlasst, die Streithähne vor der Pause zu ermahnen: „Ich bitte Sie, draußen friedlich miteinander umzugehen. Ich möchte keinen Streit schlichten müssen.“
In einigen Punkten schuldig
Die Gerichtspräsidentin sprach den Angeklagten schließlich in zwei Punkten frei: des geringfügigen Diebstahls, weil dafür keine stichfesten Beweise vorliegen, sowie der Drohung, weil der geschilderte Tatbestand dafür nicht ganz ausreiche.
Ansonsten schenkte das Gericht den Aussagen der Zivilklägerin Glauben. Schuldig ist der 34-Jährige demnach der sexuellen Belästigung sowie der Beschimpfung. Er kassierte dafür eine Geldstrafe sowie eine Busse. Die Probezeit einer Vorstrafe wird außerdem um ein Jahr verlängert. „Die Verhandlung hat gezeigt, dass es zwischen diesen beiden Menschen keine Aussöhnung geben wird“, so die Gerichtspräsidentin. „Das einzig vernünftige ist es, örtliche Distanz zu schaffen.“