Noch hat der psychologische Sachverständige keine ausführliche Einschätzung zum Krankheitsbild des Angeklagten im Prozess um das Tötungsdelikt in Todtnau abgegeben. Am zweiten Verhandlungstag allerdings ließ er anklingen, dass es deutliche Anzeichen für ein Wahnsystem gebe. Die zentrale Frage lautet daher: Muss der Angeklagte nach dem Ende des Prozesses für viele Jahre in ein Gefängnis oder in eine psychiatrische Klinik?
Bereits vor der Trennung von seiner Ex-Ehefrau im Jahr 2018 habe der heute 48-Jährige angefangen, eine Verschwörung gegen ihn zu wittern und Beweise dafür zu sammeln. Der vorsitzende Richter Martin Hauser erwähnte während der Verhandlung, dass es sich um ein festgesetztes Muster handle, dass der Angeklagte den Eindruck besitze, alle hätten sich gegen ihn verschworen. Gerne würde er konkreten Äußerungen nachgehen, „immer nur so zaghafte Andeutungen lassen und allerdings im Dunkeln stochern“, hielt er fest.
Oberstaatsanwalt hakt nach
Während der Festnahme am 28. September habe der Angeklagte auf die Beamten einen gefassten und ruhigen Eindruck vermittelt. Er habe sich nicht betroffen über das Vorgefallene gezeigt, sodass laut Oberstaatsanwalt Christian Lorenz durch das Verhör im Anschluss an die Festnahme kein Eindruck entstanden sei von jemandem, „der nicht wüsste, was er tut.“ Lorenz weiter: „Er kennt seine Rechte und wusste genau, warum er festgenommen wurde.“ Es bleibt abzuwarten, wie die Einschätzung des psychologischen Sachverständigen ausfällt. Bevor sich dieser jedoch zu Wort meldet, steht eine Reihe von weiteren Zeugenaussagen bevor.
Am zweiten Prozesstag klärte der mit dem Tötungsdelikt beauftragte Kriminaloberkommissar die dritte große Strafkammer des Landgerichts Waldshut-Tiengen über die Ermittlungsergebnisse der einberufenen Sonderkommission auf. „Die Meldung über einen Leichnam in Todtnau, der im Zusammenhang mit einem möglichen Tötungsdelikt stehen könnte, erreichte mich am Freitagnachmittag“, begann er seine Aussage.
Smartphone liefert erste wichtige Anhaltspunkte
Von hoher Relevanz für die Ermittler sei der Fund des Smartphones des Opfers in der Wohnung gewesen. Die Auswertung hätte ergeben, dass das Mobiltelefon nach dem Telefonat am Montag, 23. September, nicht mehr aktiv genutzt worden sei. Nachrichten, die später eintrafen, seien nicht mehr gelesen worden. „Der Handybildschirm wies normalerweise acht bis zwölf Aktivierungen pro Tag auf, an diesem Mittag stoppten sie aber“, so der Kriminaloberkommissar. Diese Indizien hätten den Verdacht erhärtet, dass der Lebensgefährte des Opfers als Tatverdächtiger infrage gekommen sei, da sich dieser nachweislich zu dem Zeitpunkt noch in der Wohnung befunden habe.
Als die Ermittler der Sonderkommission das Umfeld des Angeklagten und des Opfers verhörten, sei schnell klar geworden, dass die Beziehung zwischen den beiden von Streitigkeiten geprägt gewesen sei. Ein Bekannter habe im Verhör sogar gemeint, der Angeklagte hätte ihm nach dem Streit am Montag, 23. September, gesagt: „Ich bin fertig mit der Alten.“ Um den 48-Jährigen aufzuspüren, seien die Beamten die letzten bekannten Aufenthaltsstätten des Angeklagten sowie sämtliche Straßen in und um Todtnau abgefahren – ohne Erfolg. Auch das Auto des Opfers war verschwunden.
Eine Portion Glück hilft den Ermittlungen
Am Samstag, 28. September, dann wurde das Auto des Opfers durch einen Zufall schließlich in Schopfheim gesichtet. „Manchmal braucht es einfach auch etwas Glück“, kommentierte Richter Martin Hauser die Aussage des Kriminaloberkommissars. Ein Polizist habe in der Folge mit dem privaten Auto die Verfolgung durch ganz Schopfheim aufgenommen, bis der Angeklagte schließlich zu Fuß weitergegangen sei. Um 22 Uhr habe sich der Angeklagte dann selbst auf sich aufmerksam gemacht und sich den Beamten gestellt.
Im Auto des Opfers fanden die Ermittler unter anderem 16 Smartphones und die Tatwaffe, ein Messer mit Blut des Opfers sowie DNA des Täters. Auch Sportschuhe, deren Profil einem Abdruck in der Wohnung des Opfers zugeordnet werden konnten, hätten sich in dem Wagen befunden. Auf den Smartphones habe sich eine hohe Anzahl an selbstgefertigten Bildern von Datingprofilen und Internetseiten mit Prostitutionsinhalten befunden, die als Indiz für das Wahnsystem des Angeklagten betrachtet werden könnten.