Nach der Anreise per Bahn wollten meine Schweizer Freundin und ich in einem Freiluft-Bistro in der Berner Altstadt die Zeit bis zum Termin in der Uni-Klinik überbrücken. Also Maske auf, ran an die Theke und einen Kaffee bestellt. Den trinke ich seit 44 Jahren schwarz und süß. Für Letzteres greife ich als glücklicher Diabetiker gerne zu Süßstoff. Der Thekenmann glaubte, es gut mit mir zu meinen und legte gleich drei Zucker-Tütchen bei. Als ich dankend ablehne und nach Süßstoff frage, kam etwas zögerlich die Antwort: „Ich glaube, das haben wir nicht. Aber warten Sie, ich frag mal den Chef.“
„Süßstoff freie Zone“
Der war auch gleich zur Stelle und bestätigte den Rang seines Lokals als „Süßstoff freie Zone“. Ich war fassungslos. Denn egal, ob im hintersten Hotzenwald, an den Gestaden des Ijsselmeers, im bretonischen Finistère oder auf friesischen Inseln – stets hielten Gastronomen kalorienfreie Süße bereit. Und nun das. Mitten in Bern!
Mein Hinweis, dass Süßstoff in Westeuropa doch gastronomischer Standard ist, löste beim Bistro-Chef nur Schulterzucken aus. Auch die Erwähnung, dass etwa 500.000 Eidgenossen Diabetiker sind, bewirkte keinen Meinungs-Umschwung. Vielmehr eröffnete mir der Lokalinhaber: „Süßstoff wird bei uns höchstens all drei Wochen einmal verlangt.“ Ich kapitulierte.
Unerwarteter Service
Als ich mich später zum WC-Besuch durch ein finsteres Treppenhaus ins Untergeschoss tastete, erwies sich der Bistro-Chef dann doch noch als Nothelfer. Mit dem Hinweis, dass der Umbau noch nicht ganz fertig sei, sorgte er für spärliches Licht und öffnete die Tür zur einzigen Toilette. Die war nicht nur gut beleuchtet, sondern offenbarte Überraschendes: eine Glasschale mit nagelneuen Tampons. Was für ein Service! Ein solcher ist, wie aus einschlägigen Kreisen zu erfahren war, selbst in touristischen Hochburgen am Hochrhein noch nicht Standard... Das könnte natürlich über das Berner Süßstoff-Debakel hinwegtrösten. Hat es mich aber nicht!