Herr Sterner, Sie sind Experte für erneuerbare Energien und Energiespeichertechnik. Was macht für Sie persönlich den Reiz an dieser Thematik aus?
Michael Sterner: Für mich persönlich ist es erfüllend, dass ich aktiv und direkt einen Teil zur Verringerung des CO2-Ausstoßes beitragen kann, und damit direkt etwas gegen den Klimawandel zu tun. Dazu brauche ich mir nur Solarstrom ins Haus zu holen, was ich auch privat umsetze. Wir nutzen längst kein Öl oder Gas mehr.
Da Gas- und Erdöl-exportierende Staaten in der Regel autokratische Systeme sind, leiste ich damit auch einen Beitrag zum Weltfrieden. Meinen Beitrag. Wir sind nicht ohnmächtig. Noch dazu bin ich unabhängig von Energieimporten und den Energiepreisen, die oft durch weltweite Konflikte beeinflusst werden. Solarstrom muss nicht durch die Straße von Hormus oder über die Pipeline aus Russland kommen.
Zudem rechnet sich das deutlich. Ich tue also auch etwas für meinen Geldbeutel. Die Kosten für Wind- und Solarstrom und auch Speichermöglichkeiten sind inzwischen so weit in den Keller gegangen, dass man für einen überschaubaren Betrag sehr viel Strom bekommt. Es spricht also alles dafür und nichts dagegen, auf erneuerbare Energien umzusteigen.

Wie erklären Sie es sich, dass trotz allem noch immer so viel Ablehnung gegen die Energiewende besteht?
Was wir erleben, ist der Kampf zwischen zentraler und dezentraler Energieversorgung. Die großen Energiekonzerne machen durch die dezentrale Energiewende weniger Umsatz. Um ihre Geschäftsmodelle zu retten, wird mit allen Mitteln gearbeitet. Es werden Ängste geschürt und Proteste initiiert.
Bei uns in Bayern ging es so weit, dass Vertreter der Atom-Industrie den Protest gegen Windkraftanlagen und Trassenausbau so massiv befeuert haben, dass uns die daraus folgenden politischen Beschlüsse in der Entwicklung um Jahre zurückgeworfen haben. In anderen Bundesländern wie Hessen oder Baden-Württemberg habe ich Ähnliches beobachtet.
In Dänemark haben wir derweil eine völlig andere Entwicklung erlebt. Dort haben zuallererst Landwirte Windkraftanlagen gebaut. Der Wandel ging also von der Basis der Gesellschaft aus. Das hat auch dazu geführt, dass angebliche Probleme wie Infraschall oder andere Bedenken, wie man sie bei uns teilweise diskutiert, dort nie ein Thema waren. Deshalb ist man dort auch wesentlich weiter. Auch mit der Wärmepumpe haben die Dänen kein Problem. Ich nutze zu Hause meine Wärmepumpe im Sommer zum Kühlen mit eigenem Solarstrom. Mit Klimaschutz die Klimaanpassung antreiben. Besser geht es nicht.
Betrachtet man die Debatte am Hochrhein und im Südschwarzwald, hat man den Eindruck, die Menschen liebäugeln eher mit einer Rückkehr zur Atomkraft, statt Windräder zu befürworten. Wie realistisch ist das?
Heute gibt es keinen rationalen Grund mehr zu solch einer Rolle rückwärts. Die Risiken, die laufenden Kosten der Anlagen und vor allem das fehlende Endlager für Atommüll sind weder wirtschaftlich vertretbar, noch technisch sinnvoll. Weltweit wird verstärkt in erneuerbare Energien investiert, die Atomkraft ist schon lange auf dem absteigenden Ast.
Im Zusammenspiel mit modernen Speichermöglichkeiten haben wir mit den Erneuerbaren eine ideale Lösung. Leider hinkt der Netzausbau hinterher, weshalb die Netzbetreiber und auch die Bundespolitik beim Ausbau erneuerbarer Energien bremsen wollen. Aber ich lasse auch nicht weniger Autos zu, nur weil die Straßen saniert werden.
Auch im Landkreis Waldshut haben Hausbesitzer bereits die Erfahrung gemacht, dass PV-Anlagen-Besitzer ihre Anlagen aufgrund mangelnder Kapazitäten des Netzbetreibers nicht ordentlich nutzen konnten. Ein typisches Problem des ländlichen Raums oder wurde allgemein ein Trend verpennt?
Tatsächlich haben Netzbetreiber vielerorts viel zu lange nur das Nötigste gemacht. Oft fehlte der Weitblick für die Zukunft. So wurden in Neubaugebieten nur Kupferleitungen für das Nötigste verlegt, ohne sich Gedanken zu machen, dass die nächsten Jahre viele Häuser Solarstromanlagen und Wallboxen für E-Autos bekommen. Dann wird die Straße zweimal aufgerissen und Gelder doppelt ausgegeben.
Zudem fordern die Netzbetreiber höhere Renditen auf ihr Eigenkapital, obwohl sie die Energiewende günstiger machen möchten. Und gerade kleine Netzbetreiber geben ihre eigene Überforderung an ihre Kunden weiter.
Wie versuchen Sie als Experte, die Menschen vom Sinn der Energiewende und der erneuerbaren Energien zu überzeugen?
(lacht) Ich bekomme in den Diskussionen die absonderlichsten Dinge zu hören, was oft als „persönliche Meinung“ bezeichnet wird, ohne dass es eine sachliche Grundlage gibt. Ich bemühe mich immer um eine pragmatische Argumentation. Dazu zählt vor allem die Frage, woher denn eigentlich unser Strom kommen soll. Nur wer eine tragfähige, bezahlbare, technisch machbare und ökologisch vertretbare Alternative hat, ist glaubwürdig. Ich frage jeden Gemeinderat: Wer profitiert von verhinderten Wind- und Solarparks? Deine Heimat, oder die fossilen Oligarchen in Ländern, die nicht unsere Werte teilen?
Also: Wer seine Heimat liebt, der schaut, dass wir uns selbst weitgehend autark mit heimischer, also erneuerbarer Energie versorgen. Dann bleibt unser Geld in der Region und schafft hier Wertschöpfung und Arbeitsplätze, anstatt fossile Energiequellen wie Öl und Gas zu nutzen, die uns schaden, und deren Herkunft häufig problematisch und nicht kontrollierbar ist.
Sie sprachen bereits von einem Kampf zwischen zentraler und dezentraler Energieproduktion. Wagen Sie eine Prognose, wer am Ende die Nase vorn hat?
Es ist wie immer ein „und“ statt ein „oder“. Es gibt Platz für beides. Die großen Konzerne beeinflussen durch teure Kampagnen die öffentliche Meinung. Doch die Energierevolution von unten lässt sich nicht aufhalten. Zu günstig sind die erneuerbaren Energien mittlerweile.
Und die Erderwärmung samt Notwendigkeit zum Gegensteuern lässt sich nicht mehr bestreiten. Wir haben alles in der Hand, was wir brauchen. Auch die Speicher: alle technischen Möglichkeiten sind da und im Markt verfügbar.
Was glauben Sie, wann die Mehrheit der Bevölkerung ihr eigener Stromproduzent sein wird?
Ich rechne damit in fünf bis zehn Jahren. Gerade für Eigenheimbesitzer ist die Gelegenheit günstig, die Konditionen gut, sodass man nach einer Anfangsinvestition ganz nebenbei eine Menge Geld spart. Wer die Möglichkeit hat, sollte das jetzt nutzen. Mieter haben mittlerweile über Balkonkraftwerke auch diese Möglichkeit.
Die Bremser gibt es immer. Gründe sind Bequemlichkeit, Unwissenheit oder auch Ignoranz. Am Ende sollte sich aber jeder bewusst machen, was er später seinen Kindern und Enkeln erzählen möchte. Habe ich aktiv etwas unternommen, um den CO₂-Ausstoß zu reduzieren und dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen? Oder habe ich den Bau von Windrädern verhindert, unter dem Vorwand, eine Landschaft zu schützen, von der meine Kinder und Enkel nichts mehr haben, weil sie aufgrund des Klimawandels unsere schöne Heimat verlassen mussten?
Klimaschutz ist also auch Heimatschutz. Ich bin Christ, und unsere Botschaft heißt Hoffnung. Tu‘ das deine, der Herrgott tut das seine. In diesem Vertrauen kann jeder was tun, wirklich jeder.