Herr Weber, welches sind die drei Stichworte, die Ihnen bei „Küssaberg“ als Erstes einfallen?

Zukunftsgerichtet, offen, naturverbunden.

Welches war das erfreulichste, welches das unerfreulichste Ereignis ihrer bisherigen Amtszeit?

Wir hatten in Küssaberg in den letzten acht Jahren viele Höhepunkte. Für mich und auch für Teile unserer Bevölkerung war aber der zuvor über Jahre hinweg äußerst umstrittene sog. zurückgestellte Stempelpunkt für die Mehrwertsteuerrückerstattung der Schweizer Einkäufer hier im Gemeindezentrum eine enorm wichtige und absolut erfreuliche Entscheidung der Bundesfinanzverwaltung. Nachdem wir uns gemeinsam mit den Abgeordneten schon jahrelang für eine Sonderlösung in unserer Gemeinde eingesetzt hatten, wurde mit Hilfe des damaligen Bundesfinanzministers und heutigen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble im Jahr 2017 endlich eine Ausnahmeregelung geschaffen. Seither läuft die Zolldienstleistung im Rathaus völlig unproblematisch. Eine enorme Entlastung für die Bevölkerung entlang der Zufahrtsstraßen zum Rheinheimer Zollübergang. Sehr unerfreulich ist dagegen die Corona-Pandemie. Auch wenn wir schon vor Jahren bei einer länger dauernden Trinkwasserbelastung oder die Flüchtlingssituation 2015 in der Bewältigung von Krisen erprobt waren, so stellt die Pandemie-Bekämpfung gerade kleinere Verwaltungen vor enorme Herausforderungen. Ich bin den Kolleginnen und Kollegen hier im Rathaus sehr dankbar für den Dauereinsatz seit dem 16. März 2020.

In den vergangenen Jahren wurde die Ausweisung neuer Baugebiete in Dangstetten, Kadelburg und Rheinheim vorangetrieben. Ist jetzt mit Ettikon das Ende der Fahnenstange erreicht?

Mit 2.620 Hektar sind wir keine Flächengemeinde, und durch die vielen Schutzgebiete auf unserer Gemarkung sind Entwicklungen bei uns in Küssaberg stets nur in ganz engem Rahmen und moderat möglich. Wir konnten trotzdem für Bauwillige – und hier gerade für junge Familien – immer wieder Möglichkeiten schaffen. Wir haben aber bei jeder Überplanung, egal in welchem Ortsteil, ständig zu wenig Bauplätze. In Ettikon ist nun eine weitere kleinere Überplanung mit 1,9 Hektar und Wohnraum für maximal 100 Menschen angedacht. Das Verfahren ist angelaufen. Für künftige Jahre stehen in Küssaberg tatsächlich immer nur überschaubare Erweiterungsflächen zur Verfügung. Schon alleine deshalb werden wir seit vielen Jahren von der Raumordnungsbehörde ständig aufgefordert, noch mehr baulich zu verdichten.

Eine offene Wunde ist das Projekt „Kadelburg Mitte“; der Discounter Lidl ist weg, aber es ist noch keine neue Überbauung erfolgt. Wie und wann geht es dort weiter?

Tatsächlich würde ich mir persönlich wünschen, dass dieses Projekt schon deutlich weiter vorangeschritten wäre. Wir müssen bei diesem Großprojekt das Machbare vom Wünschenswerten trennen; und wenn Grundstücksflächen eben nur in eingeschränktem Rahmen zur Verfügung stehen, müssen wir das respektieren. Zunächst ist in der Ortsmitte planerisch die Verkehrssituation nochmals neu aufzuarbeiten. Sobald dies 2021 soweit gediehen ist, dass auch das Land als Straßenbaulastträger dahinter stehen kann, werden wir eine weitere Bürger-Information ansetzen. Schon bei der ersten wurden unsere Ideen mit deutlichen Verbesserungen zugunsten einer lebendigen Ortsmitte mit Begegnungs- und Einkaufsmöglichkeiten, mit Platz für Dienstleister und mit Flächen zum Wohnen befürwortet.

Sie treten mit dem Anspruch an, bürgernah und lösungsorientiert zu agieren. Allerdings mehren sich Stimmen, die beklagen, dass zu vieles in nicht-öffentlichen Sitzungen entschieden wird. Was antworten Sie solchen Kritikern?

Wer unsere vielen öffentlichen Sitzungen selbst verfolgt und die intensiven Beratungen hautnah erleben kann, wird mit größter Sicherheit genau das Gegenteil dessen berichten. Wir haben zumeist 20 öffentliche Sitzungen im Kalenderjahr, und diese sind stets vollgepackt mit allen wichtigen Gemeindethemen. Daneben gibt es eine jährliche große Bürgerversammlung mit regelmäßig über 350 Teilnehmern, dazu immer wieder themenbezogene Info-Veranstaltungen und ausführliche Sitzungsberichte in den Tageszeitungen. Mehr Transparenz ist schwer vorstellbar. Nichtöffentlich darf im Übrigen nur in engen durch die Gemeindeordnung vorgegebenen Grenzen verhandelt werden.

Küssaberg versteht sich zu einem guten Teil auch als Tourismus-Gemeinde. Zuletzt wurden über eine Million Euro in eine neue Minigolfanlage und die Tourismus-Anlaufstelle investiert. Aber sowohl für das Minigolfareal als auch das Freibad in Reckingen ist die Gemeinde noch immer auf Pächter-Suche. Wie optimistisch sind Sie, hier bis zum Saisonstart Lösungen zu finden?

Für das Freibad hatten wir für die zurückliegende Saison bereits einen Pächter. Corona hat die Eröffnung dann verhindert. Auch für die neue Saison werden wir – vorbehaltlich der dann geltenden Pandemie-Situation – bereits in wenigen Wochen einen Pachtvertrag unterschreiben. Für die große Freizeitanlage im Gemeindezentrum konnten wir trotz großer Bemühungen tatsächlich noch keinen Pächter finden. Wir hatten 2020 eine eigene Lösung auf die Beine gestellt mit vielen positiven Rückmeldungen aus allen Bevölkerungskreisen. Das müssen wir wohl auch für 2021 wieder versuchen.

Die beiden Lockdowns infolge der Corona-Pandemie haben unangenehme Folgen für die Haushalte vieler Kommunen. Ist Küssaberg hier mit einem blauen Auge davon gekommen?

Das von Ihnen erwähnte blaue Auge trifft voll und ganz auf das abgelaufene Haushaltsjahr zu. Die vollen Auswirkungen der Pandemie werden wir jedoch erst 2021, voraussichtlich sogar erst 2022 und danach so richtig heftig spüren. Küssaberg ist in besonderem Maße von der Entwicklung der Einkommenssteuer abhängig, deshalb sind mir die vorhandenen Arbeitsplätze so wichtig. Wir konnten in den letzten Jahren die Gesamtzahl von ursprünglich 1.250 um fast 400 versicherungspflichtige Arbeitsplätze erhöhen und hoffen, dass trotz Corona viele dieser zusätzlich entstandenen Stellen bei den Betrieben auch erhalten werden.

Die Pandemie hat fast alle Vereinsaktivitäten zum Erliegen gebracht und zwingt die Menschen zu neuen Freizeit-Beschäftigungen. Haben Sie während des letzten Jahres Neues für sich entdeckt?

Nichts, was ich nicht schon vorher gemacht hätte. Mit meiner Ehefrau halte ich mich ohnehin gerne in der Natur auf, oft auch auf den Gemarkungen von Küssaberg. Deshalb gibt es auch so gut wie keine Plätze, die ich in dieser Gemeinde nicht kenne.

Sie kehren Küssaberg nach Dienstschluss den Rücken und wohnen nach wie vor in Grießen. Haben Sie nach 20 Berufsjahren am Fuße der Küssaburg wenigstens ein Lieblingsplätzchen für sich gefunden?

Eine provokative Frage, aber die Küssaberger wissen, dass ich unserer Gemeinde während meiner ganzen Dienstjahre noch nie den Rücken gekehrt habe. Ich war und bin immer in Küssaberg, wenn mich die Menschen hier brauchen. Mein Lieblingsbereich liegt übrigens bei den sog. Küßnacher Höfen, hoch über dem Rheintal mit wunderbaren Ausblicken und einer besonderen Tier- und Pflanzenwelt. Hier kann ich schnell abschalten und den Kopf frei bekommen.

Fragen: Rafael Herrmann