Erwin Rehmann feiert am 27. November seinen 99. Geburtstag. Der bekannte Bildhauer lebt seit fast zwei Jahren im Alterszentrum Klostermatte im schweizerischen Laufenburg, unweit von der Laufengasse, wo er aufgewachsen ist und als Junge vom Fenster aus beobachtet hat, wie Mary Codman zum Einkaufen mit der schwarzen Kutsche vorgefahren ist und ihm zugewinkt hat. Über dieses Ereignis redet Rehmann in einem Film von Frowald Rünzi und Petra Gabriel, Autorin des Buches „Madame kam aus Amerika“ über die Laufenburger Ehrenbürgerin Mary Codman, als ob es gestern gewesen wäre.

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Tatsächlich liegen neun Jahrzehnte dazwischen – neun Jahrzehnte, in denen Rehmann zu einem viel beachteten Künstler mit zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland geworden ist, in denen er aber auch Schicksalsschläge wie den Tod seiner Ehefrauen Margrit und Astrid erlitt. Seit 1976 ist er Ehrenbürger von Laufenburg, 2001 wurde das nach ihm benannte Skulpturenmuseum an seinem früheren Wohn- und Arbeitsort im Schimelrych eröffnet.

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Die Kunst packte ihn in den 1940er Jahren, als er in Siglistorf im Bezirk Zurzach seine erste Anstellung als Lehrer an der Oberschule hatte. Mit zwei Koffern war er dort eingetroffen, drei Jahre blieb er. Parallel dazu besuchte er die Kunstgewerbeschule in Zürich, wo er Kurse in Aktzeichnen belegte. Später ging er für ein Jahr an die Kunstgewerbeschule nach Basel. Nichts deutete darauf hin, dass aus dem Oberschullehrer ein Magier der Metalle wird, ein vorwärtsgewandter Künstler mit einer Philosophie zum Anfassen, dessen Werke in diversen Kunstmuseen und sogar an der Biennale in Venedig (1956) ausgestellt wurden.

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Mit der Bildhauerei hatte er zuerst nicht viel im Sinn, obwohl er gerne modellierte. „Ich wusste aber nicht, ob ich Bildhauer bin“, blickt er zurück. Beim Zeichnen war er in seinem Element. Er habe immer gerne gezeichnet, berichtet er. Jetzt zeichnet er wieder. In seinem Zimmer im Alterszentrum, wo er sich gut aufgehoben fühlt. „Ich bin sehr zufrieden hier“, erzählt Rehmann, „und so froh, dass ich in dem Zimmer zeichnen und skizzieren kann, da ist mir am wohlsten.“ Das sei seine Welt, so, wie früher im Schimelrych sein Haus mit der Werkstatt, in der er Metalle gegossen hat, seine Welt war. Die er jedoch verlassen musste, nachdem er ein paar Mal gestürzt war. Erwin Rehmann hadert nicht damit. „Alles, was wichtig ist, kommt zufällig“, ist er überzeugt.

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2018 stellte er das große Relief „Unendliche Fläche und Kreation“ anlässlich seines 97. Geburtstags im Rehmann-Museum aus. Es sei sein letztes Werk, behauptete er damals. Doch schon im Jahr darauf hatte er einen Stoß Zeichnungen, Skizzen und Entwürfe für Objekte auf dem Tisch in seinem Zimmer liegen.

Kooperation

Da er sie nicht mehr selbst realisieren konnte – er ist an den Rollstuhl gebunden, Werkzeuge kann er nicht mehr betätigen – erhielt er Unterstützung von Daniel Waldner, Bildhauer aus Kaisten. Die Beiden arbeiten schon seit 25 Jahren zusammen. So wurde das Zimmer im Alterszentrum zum Atelier. Erwin Rehmann ist in allem, was er tut und denkt, zeitlebens ein freier Geist gewesen und ist es mit 99 Jahren noch. „Ich will mir die Freiheit bewahren, zu machen, was ich will“, sagt er.