Dennis Kalt

Die Stimme von Bildhauer Erwin Rehmann klingt angestrengt. Gerne wäre er am Dienstag, an seinem 97. Geburtstag, im gleichnamigen Museum in Laufenburg erschienen. Auch, weil dort sein jüngstes Kunstwerk enthüllt wurde. Doch seine Gesundheit spielt momentan nicht mit, wie er sagt. „Ich fühle mich kraftlos.“ Rund dreieinhalb Monate Arbeit habe er für seine Skulptur investiert. Es sei ihm schwergefallen, noch einmal produktiv zu werden und er habe nicht gedacht, dass er das Werk überhaupt fertigstellen könne. So sagt er denn auch: „Das ist mein letztes Kunstwerk.“

Erwin Rehmann ist nun 97 Jahre alt.
Erwin Rehmann ist nun 97 Jahre alt. | Bild: Charlotte Fröse

1660 Skulpturen hat Rehmann bis dato angefertigt. „Keines und Jedes“, antwortet er auf die Frage, welche dieser 1660 Skulpturen für ihn eine spezielle Bedeutung habe. „Selbst wenn ich zweimal die gleiche Skulptur gemacht habe, war jede doch immer anders, hat ein Eigenleben und eine andere Beschaffenheit“, sagt er. Mit seinen Skulpturen versuche er zu vermitteln, „was war, ist und sein wird“. Darüber hinaus versteht er seine Kunst als Mittel der Kommunikation, weil er durch sie das ausdrücken könne, wozu er mit der Sprache nicht in der Lage sei.

Komplizierte Fertigung nach Skizzen

Rehmanns jüngste Kreation trägt keinen Titel. Er selbst habe jedoch immer von den „Augen im All“ gesprochen, sagt Bildhauer Daniel Waldner, der anhand etlicher Skizzen von Rehmann das Kunstwerk realisiert hat. Das Schwierigste für Waldner sei es gewesen, das richtige Material zu finden, um die Milchstraße – vier lang gezogene Messing-Stäbchen, die miteinander zu einem Halbkreis verbunden sind – zu modellieren. „Ich musste auch mit der Materialprüfungsanstalt Bremen telefonieren“, sagt er.

 

Um das Material aus Messing in die Länge zu ziehen, musste er es rund 40 Mal erwärmen, abkühlen lassen und bearbeiten. Mitbeteiligt an Rehmanns Kunstwerk war auch Felix Klingele, Raumausstatter aus Laufenburg, der einen Teil der Skulptur mit schwarzem Wollteppich überzogen hat. „Die schwarze Fläche symbolisiert die Unendlichkeit, die alles verschluckt“, erklärt Waldner. Die Unendlichkeit wird von zwei Blöcken aus Lichtbeton zusammengehalten. Die strukturellen Unebenheiten, die beim Gießen des Lichtbetons entstanden sind, stehen für den Zufall, wie Museumsleiterin Ute W. Gottschall erklärt und weiter: „Erwin Rehmann sagt über sich selbst, dass er nur durch eine Summe von Zufällen zum Künstler wurde.“

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Neben dem Zufall, der dem Kunstwerk innewohnt und etwas über den Werdensprozess von Rehmann aussagt, verbindet Künstler und Kunstwerk noch eine zweite Ebene: die Bescheidenheit. „Die zwei Punkte symbolisieren jenes, was der Mensch im Universum bewegt“, sagt Gottschall. Die Größe der Punkte sei mit Absicht so bescheiden gehalten worden. „Erwin Rehmann hat sich zu Beginn seiner Karriere nie selbst als Künstler bezeichnet. Er sagte, dass er sich erst Bildhauer nennen könne, wenn er nach zehn Jahren Arbeit immer noch Gestaltungsfreude und Realisationskraft habe“, so Gottschall. Schließlich war es der renommierte Kunsthistoriker Adolf Reinle, der im Jahr 1953 Erwin Rehmann zu seiner ersten Ausstellung überredete.

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