Die medizinische Versorgung der Bevölkerung bereitet Sorge. Das Thema nimmt die Stadtverwaltung ernst und bemüht sich mit der Wirtschaftsförderung um Lösungsangebote. Dazu gibt es verschiedene Ansätze. Eines heißt medizinisches Versorgungszentrum (MVZ). Ob und unter welchen Konditionen ein solches Sinn macht, bleibt zunächst offen. OB Klaus Eberhardt erklärte im Gemeinderat, das komplexe Thema zuerst für den Dialog mit den Bürgern zu öffnen.
- Was ist geplant? Bevor der Gemeinderat Entscheidungen trifft, soll ein Informationsabend zur Zukunft der ärztlichen Versorgung im Februar stattfinden. Daran werden Kommunalpolitik, Ärzte vor Ort, Vertreter von Krankenkassen, Apotheken, Unternehmen, Seniorenvereinigungen und Kassenärztliche Vereinigung (KV) teilnehmen. Die Referenten werden auch zur Frage MVZ Stellung nehmen. Im Anschluss an die Vorträge gibt es Gelegenheit zur Diskussion. Der Informationsabend wird von Wirtschaftsförderung und dem Amt für Familie, Jugend und Senioren in Absprache mit dem Oberbürgermeister koordiniert. Auf dem Ergebnis und dem Feedback, so Eberhardt am Donnerstag in der Sitzung, werde dann weitergearbeitet.
- Wie ist die aktuelle Lage? Elmar Wendland (OST) und Armin Zimmermann (Amt für Familie, Jugend und Senioren) gaben zum Brennpunktthema mit statistischen Erkenntnissen eine Zustandsbeschreibung. Der Anspruch daraus, der älter werdenden Generation gerecht zu werden und dem drohenden Praxisverlust durch Ärzte, die ins Rentenalter kommen entgegenzuwirken. Laut Wendland wurde seit 2014 „noch kein Ärztesitz verloren“. Dennoch werde intensiv daran gearbeitet, den „Gesundheitsstandort Rheinfelden zukunftsfähig zu machen“. Dabei werde auch das Modell MVZ angeschaut, für das es mitwirkende Ärzte brauche. Eine mögliche Entspannung deutet sich mit dem Hochrheincenter an. Dort soll es Gespräche mit Ärzten über eine Niederlassung geben, klang in der Sitzung an.
- Wie viele Hausärzte praktizieren? „Als Stadt ist Rheinfelden gut aufgestellt im Vergleich zur Einwohnerzahl“, stellte Armin Zimmermann dar. Es gibt 23 Hausärzte. Auf den Mittelbereich bezogen mit Grenzach-Wyhlen und Schwörstadt, den die KV zur Sitzverteilung heranzieht, stellt sich die Lage allerdings anders dar. Schwörstadt hat gar keinen Arzt, Grenzach-Wyhlen sechs. Dies führt auch dazu, dass Patienten aus dem Hochrheingebiet in Rheinfelden nach einem Arzt suchen. Auch die KV als Standesorganisation der Ärzte räumt aufgrund dieser Entwicklung inzwischen weiteren Bedarf von bis zu fünf neuen Hausärzten ein. Die große lokale Herausforderung hat mit der Altersstruktur der Mediziner zu tun. 45 Prozent der Hausärzte sind laut Zimmermann älter als 60 Jahre.
- Wie sieht es mit Fachärzten aus? Bei den Fachärzten schneidet die örtliche Versorgung im Vergleich zu Lörrach viel schlechter ab. Für Lörrach sind neun Augenärzte aufgeführt, Rheinfelden hat nur einen, in Lörrach gibt es elf Internisten, bei Rheinfelden heißt es Null. Ein Hautarzt findet sich am Hochrhein gar nicht, im Landkreis sind es vier. Am besten ist laut Tabelle die Versorgung mit sechs Chirurgen/Orthopäden. Insgesamt werden 23 Fachärzte für Rheinfelden angeführt. Über der Hälfte der Fachärzte im Landkreis sitzen in Lörrach.
- Warum besteht Mangel? Die Gründe, warum sich die medizinische Versorgung als schwierig darstellt, sind vielschichtig: Zu wenig Studienplätze, zuwenig Allgemeinmediziner und die Tendenz, dass der typische Hausarzt als Beruf unattraktiver wird, weil junge Ärzte sich nicht nur ihrem Beruf verschreiben, sondern auch auf geregeltes Privatleben Wert legen. Außerdem stellt Zimmermann eine wachsende Tendenz zu Teilzeitarbeit fest (20 Prozent), da auch die Zahl der Ärztinnen zunimmt, die Beruf und Familie vereinbaren wollen.
- Was leistet ein MVZ? Die Verwaltung hält laut Zimmermann ein MVZ für einen „zentralen wichtigen Baustein“, über den es zu reden gilt. Nach Faktenlage arbeiten dort aber nur acht Prozent selbständige Ärzte, 82 Prozent sind angestellt. Die Frage, die sich für die Kommune stellt, heißt: Welches Modell ist nachhaltig, so Wendland, und was kann die Stadt leisten?