Um 7.50 Uhr am Morgen des 21. Oktobers 2024 waren zwei Jungen zu Fuß auf dem Weg zur Realschule. Sie sahen einen Mann, der mit seinem Hund auf dem Boden gesessen oder gelegen habe. Er habe für sie ausgesehen wie ein Obdachloser, berichten die beiden heute elf und 13 Jahre alten Jungen vor Gericht. Der Mann habe sie nach Geld gefragt. Sie hätten geantwortet, sie hätten nichts und seien weitergegangen. Daraufhin habe der Angeklagte den Jüngeren fest an der Schulter gepackt.
„Das hat richtig weh getan, ich hatte zwei Tage Schmerzen an der Schulter“, berichtet der Elfjährige. Außerdem habe der Angeklagte ihm in die Tasche gegriffen. Darin seien ein Zwei-Euro-Stück und ein Päckchen Kaugummi gewesen, die nachher nicht mehr da waren.
Angeklagter würgt und verfolgt Schüler
Er habe den Angeklagten weggeschubst, worauf dieser ihn am Hals gepackt und gewürgt habe, berichtet der 13-Jährige. Neben akuten Schmerzen habe er danach einen Tag lang eine Rötung am Hals und Schluckbeschwerden gehabt. Er habe die Hände des Angeklagten weggeschlagen, danach seien sie davongerannt, berichtet der 13-Jährige weiter.
Doch der Angeklagte sei ihnen bis zur Getrud-Luckner-Realschule hinterhergerannt. Erst dort ließ er von der Verfolgung ab. In der Schule berichteten die Jungs einer Lehrerin von dem Vorfall, diese verständigte die Polizei.
Angeklagter bestreitet die Tat
Verteidiger Holger Meier hatte zunächst eine Verfahrensabsprache angeregt und ein Geständnis des Angeklagten in Aussicht gestellt. Doch damit war dieser nicht einverstanden. „Ich war das nicht“, behauptete er. Um diese Uhrzeit sei er noch gar nicht in Rheinfelden gewesen. Tatsächlich sei er erst gegen 10 Uhr dort angekommen.
Der 44-Jährige stammt aus Afghanistan, wo er verheiratet war und sechs Kinder hatte. Bei der Geburt des letzten Kindes starb seine Frau. Der 44-Jährige gab seine Kinder bei der Schwägerin ab und verließ das Land. Über Pakistan, den Iran, die Türkei und Griechenland erreichte er Rumänien.
Dort heiratete er eine Rumänin, mit der er weitere vier Kinder bekam. Auch diese gab er bei der Schwester seiner rumänischen Frau ab. Danach sei er mit seiner Frau zwei Monate in Frankreich unterwegs gewesen, wo beide im Auto geschlafen hätten, berichtet der Angeklagte. Er habe in Frankreich an einer Tankstelle gejobbt, seine Frau habe auf der Dreiländerbrücke zwischen Weil am Rhein und Huningue gebettelt.
Am fraglichen Tag sei er im Auto anderer Rumänen, die zum Betteln nach Deutschland wollten, nach Rheinfelden mitgefahren. „Ich sollte dort Kleidungsstücke abholen und nach Rumänien mitnehmen“, sagte er. Den Raub stritt er vehement ab. „Ich würde mich schämen, ein Kind zu schubsen“, sagte er.
Die Jungs können den Mann identifizieren
Beide Jungs konnten den Angeklagten jedoch vor Gericht eindeutig identifizieren. Am Tattag trafen sie ihn später vor dem Hochrheincenter wieder und riefen die Polizei. Die nahm den Mann fest, wie eine Kriminalpolizistin berichtet. Die Beschreibung der Jungen passte zu dem Mann, außerdem hatte er den gleichen Hund dabei wie am Morgen. Seitdem sitzt der 44-Jährige in Haft.
Aufgrund der übereinstimmenden Darstellung der beiden Jungen sah die Staatsanwältin den Tatvorwurf als erwiesen an. Etwas mit Gewalt zu stehlen, auch wenn es nur geringen Wert habe, sei ein Raub, ein Verbrechen, für das das Gesetz mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe vorsehe.
Weil aber nur zwei Euro und ein Päckchen Kaugummi gestohlen wurden, nahm sie einen minder schweren Fall an. Hier beginnt der Strafrahmen bei sechs Monaten Freiheitsstrafe. Die Staatsanwältin beantragte eine Freiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung.
Verteidiger Holger Meier sagte, sein Mandant wünsche einen Freispruch, doch nach der Beweisaufnahme sehe auch er den Tatvorwurf als erwiesen an. Er gab zu bedenken, dass die beiden Jungs nicht so wahnsinnig stark betroffen gewesen seien, in der Situation hätten sie sich sehr cool verhalten. Außerdem sitze der Angeklagte nun schon mehr als fünf Monate in Untersuchungshaft, deshalb halte er eine Bewährungsstrafe von neun Monaten für angemessen.
Schöffengericht verhängt Gefängnisstrafe
Das Schöffengericht verhängte jedoch eine Strafe von einem Jahr und einem Monat ohne Bewährung. Bei einer Verfahrensabsprache und einem Geständnis, das den Kindern die Vernehmung vor Gericht erspart hätte, wären vermutlich neun Monate herausgekommen, sagte Richterin Birgitta Stückrath.
Nach der Aussage der Jungs habe das Gericht keine Zweifel gehabt, dass der Angeklagte der Täter sei. „So etwas gefährdet die Sicherheit auf der Straße und auf dem Schulweg“, sagte die Richterin und sah die Gewaltanwendung gegenüber Kindern als besonders verwerflich an. Besondere Umstände, die eine Bewährungsstrafe gerechtfertigt hätten, sah das Gericht nicht. Das Ausweisungsverfahren gegen den Angeklagten laufe bereits, stellte die Richterin fest.