Rheinfelden 267 Viertklässler stehen in Rheinfelden im laufenden Schuljahr vor der Qual der Wahl für die weiterführende Schule. Jetzt ist klar: 63 von ihnen werden ab Herbst das örtliche Georg-Büchner-Gymnasium (GBG) besuchen. Damit starten dort die drei fünften Klassen im September in deutlich geringerer Stärke als in den Vorjahren. Normal seien in den vergangenen Jahren 80 bis 90 Anmeldungen gewesen. Das teilt Rektor Volker Habermaier auf Anfrage mit. Ein Grund für die gesunkenen Zahlen: Eltern können landesweit ihre Kinder nicht mehr ohne entsprechende Empfehlung aufs Gymnasium schicken. Habermaier begrüßt diesen Schritt.
Ende Januar hat der Landtag das neue Schulgesetz verabschiedet. Damit wurde eine der umfangreichsten Bildungsreformen der vergangenen Jahrzehnte beschlossen, darunter die Rückkehr zu G9 an Gymnasien ab dem Schuljahr 2025/26. Gleichzeitig wurden die Voraussetzungen für den Übergang von der Grundschule ans Gymnasium angepasst. Die grün-schwarze Landesregierung verständigte sich darauf, die Grundschulempfehlung für Gymnasien wieder verbindlicher zu machen. Ausschlaggebend für den weiterführenden Bildungsweg war seit 2011 ausschließlich der Wunsch der Eltern.
Vonseiten der Lehrer hatte es immer wieder Kritik an dieser Regelung gegeben. „Wir haben in den vergangenen Jahren oft die Erfahrung gemacht, dass Eltern ihre Kinder ohne Empfehlung bei uns anmelden wollten. In der Beratung kam dann raus, dass sie oftmals gar nicht wussten, dass das Abitur auch über die Realschule oder eine Gemeinschaftsschule erreichbar ist“, sagt Habermaier. Dabei wären diese Schulen zunächst oft die bessere Wahl für die Kinder gewesen.
Nun werden für die Anmeldung an Gymnasien drei Kriterien bedacht: Neben dem Elternwillen zählen die Empfehlung der Lehrer aus der Grundschule und das Abschneiden beim Kompetenztest „Kompass 4“. Wenn eine der beiden zusätzlichen Voraussetzungen erfüllt ist, kann ein Kind das Gymnasium besuchen. Seit dem laufenden Schuljahr ist „Kompass 4“ verpflichtend in allen Grundschulen. Die Viertklässler bearbeiten in diesem landesweit einheitlichen Leistungstest Aufgaben aus den Bereichen Deutsch und Mathe. Grundsätzlich steht Rektor Habermaier der Neuerung positiv gegenüber: „Es ist gut, dass es mit ‚Kompass 4‘ ein unabhängiges Prüfungsinstrument gibt.“
Erfüllt ein Kind beide Voraussetzungen nicht, haben Eltern die Möglichkeit, ihr Kind zusätzlich einen sogenannten Potenzialtest schreiben zu lassen. Bei entsprechender Leistung steht ihm so der Weg ans Gymnasium auch ohne Grundschulempfehlung noch offen. In Rheinfelden hätten überdurchschnittlich viele Eltern der Grundschulempfehlung nicht getraut und ihr Kind zu diesem neuerlichen standardisierten Leistungstest angemeldet. Womit das zusammenhängt, darüber will Habermaier „nicht spekulieren“.
Landesweit haben laut Zahlen des Kulturministeriums mehr als 2000 Schüler am Potenzialtest teilgenommen. Zwölf seien am GBG angetreten, in Südbaden seien es im Schnitt zwischen drei und fünf gewesen, so Habermaier. Bestanden hätten nur zwei. „Die zehn Schüler, die den Potenzialtest nicht bestanden haben, wären bei uns gelandet, aber wahrscheinlich nicht geeignet gewesen. Ich bin froh, dass ihnen eine etwaige Demütigung durch einen späteren Schulwechsel erspart bleibt“, sagt Habermaier. Gleichzeitig habe sich in zwei Fällen gezeigt, dass der Test eine gute Ergänzung sei, um potenziell geeigneten Kindern doch noch eine Chance zu geben, das Gymnasium zu besuchen. Seine Botschaft an die Eltern: „Die Ergebnisse des Potenzialtests haben gezeigt, dass man den Einschätzungen der Grundschullehrkräfte grundsätzlich vertrauen kann.“
Die erschwerten Zugangsbedingungen sollten wohl auch einen erwarteten Ansturm auf die Gymnasien unterbinden. Denn ab Herbst gilt das neue G9. Zumindest in Rheinfelden scheint diese Rechnung aufgegangen zu sein. „Unsere fünften Klassen werden kleiner ausfallen, im Schnitt 21 Kinder. Kleinere Klassen sind natürlich leichter zu handeln, die Lehrer können sich besser jedem Einzelnen widmen“, sagt Volker Habermaier. Weniger Wochenstunden und neue Fächer wie Informatik und Medienbildung werden Teil des neunjährigen Gymnasiums. Am GBG sei man auf die Umstellung gut vorbereitet. „Im Großen und Ganzen bin ich mit der Bildungsreform zufrieden“, resümiert Volker Habermaier.