Sie waren nicht nur touristisch ein Pfund, mit dem Gersbach wuchern konnte. Sie brachten auch etliche Pfunde auf die Waage. Gemeint sind die Wisente – auch europäische Bisons genannt. Der zwölfjährige Bulle Bubi und die 21-jährige Kuh Kressie sind die einzigen beiden Tiere, die von der zwischenzeitlich auf bis zu sieben Exemplare angewachsenen Herde noch übrig sind. Wie berichtet, hatte Vorbesitzer Jürgen Pflüger die Herde aus Altersgründen und wegen des bürokratischen Aufwands Ende 2022 abgegeben. In der Folge verstarben fünf Tiere wegen Unterernährung und Parasitenbefall.
Jetzt sind die Tiere, die überlebt haben, wieder in seiner Obhut. Pflüger war es auch, der 2003 die Idee eines Wisent-Geheges als Attraktion eines Rinderlehrpfads umsetzte. Er besorgte die Tiere, er kümmerte sich fast 20 Jahre um sie – Kressie stammt noch aus diesen Anfangstagen. Ihr hohes Alter ist einer von mehreren Gründen, warum die Wisent-Herde wohl endgültig Geschichte sein wird. Pflege und Unterhalt sind teuer – Pflüger hatte all die Jahre weit mehr aus eigener Tasche bezahlt, als es Zuschüsse von der Stadt gab. Zudem müsste auch in neue Gehegestangen investiert werden.
Die Stadt Schopfheim ist allerdings nicht gewillt, das Gehege weiter mitzufinanzieren, wie Ortsvorsteher Andreas Falk im Ortschaftsrat berichtete. Bisher habe sie jährlich einen „niedrigen fünfstelligen Betrag“ beigesteuert. Nun jedoch sei sie wegen der Haushaltslage nicht mehr gewillt, diese Summe aufzubringen. Vor diesem Hintergrund habe die Stadtverwaltung gefragt, ob sich stattdessen der Ortschaftsrat von Gersbach vorstellen könne, diese Summe zu übernehmen. Dieser lehnte ab. Falk begründete dies so: „Es wäre unsinnig, weiter Geld in ein Projekt zu investieren, das ohnehin vor dem Ende steht.“ Denn: Nicht die zusammengeschrumpfte Herde oder das Alter der Tiere ist das größte Problem – sondern der Zustand des Geheges. So sei der Baumbestand mittlerweile kaputt. Die Tiere bräuchten aber Bäume zum Schubbern und deren Rinde als Nahrung. Diese sei wichtig für den Organismus beziehungsweise das Immunsystem. Falk: „Die Bäume, die sich noch im Gehege befinden, sind aber allesamt desolat.“ Erschwerend kommt hinzu: Das Gehege ist verwurmt, das heißt von Parasiten befallen. Aus Sicht von Experten – Falk hat mit dem Veterinär des Landratsamts und dem Geschäftsführer des Biosphärengebiets gesprochen – „ist das Gelände in einem Zustand, dass die Tiere hier nicht überlebensfähig sind, beziehungsweise das Tierwohl hier nicht aufrecht erhalten werden kann.“ Auch sei es wegen der Verwurmung nicht möglich, das Gelände für Weiderinder zu nutzen. Erst einmal müsse das Areal zwei Jahre brachliegen, bevor es wieder nutzbar sei. Der Ortschaftsrat habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. „Wir haben das Thema intern mehrfach diskutiert, auch nichtöffentlich“, so Falk. Letztlich habe sich das Gremium darauf geeinigt, keinen Zuschuss zu gewähren. Ferner beschloss der Ortschaftsrat, dass das Gelände zwei Jahre stillgelegt wird. Die Stadt sei dann für einen etwaigen Rückbau verantwortlich – beziehungsweise, bis dahin sei Zeit genug, um ein Anschlusskonzept zu entwickeln.
Für die verbliebenen Tiere bedeute das, „dass man sich von ihnen trennen muss“, so Falk. In letzter Konsequenz werde es wohl darauf hinauslaufen, dass sie getötet werden. Eine anderweitige Unterbringung sei nicht in Sicht.