St. Blasien – Im Schuljahr 2022/23 sind neun Elftklässler des Kollegs St. Blasien den Spuren ehemaliger jüdischer Mitbürger nachgegangen. Nun gibt es einen Katalog, um an die Schicksale zu erinnern.

Gemeinsam mit ihren Lehrern Alena Bauer und Johannes Heitmann fanden die Schüler im Rahmen ihres Seminarkurses heraus: In St. Blasien waren Menschen jüdischen Glaubens aktiver und angesehener Teil der Gemeinschaft, wurden nach und auch schon vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten verfolgt und flohen in alle Welt. Nicht alle überlebten das Regime.

In aufwendiger Recherchearbeit hatten die Schüler in Archiven, in Akten und Zeitungsartikeln geforscht. So haben sie Namen, Wohnorte und Schicksale der verfolgten St. Blasier herausgefunden und nahmen Kontakt zu deren Nachfahren auf. Höhepunkte des Projekts waren die Verlegung von elf Stolpersteinen. Zur Verlegung der ersten Stolpersteine waren auch Nachfahren der einst vertriebenen St. Blasier aus Großbritannien, den USA und Kanada angereist.

Wie Heitmann und Bauer berichten, hatten viele Bürger aufgrund der starken Präsenz des Kursprojekts in den Medien von der Spurensuche erfahren und sich beteiligt. Sie brachten Fotos, Postkarten und ihre Erinnerungen in das Projekt ein. „Das Wissen in der Gemeinschaft war größer als gedacht. Viele Menschen haben sich gemeldet und erzählt, was sie wussten. Es war ein Projekt, das die Stadt verbunden hat“, sagen die Lehrer.

Die Leihgaben von Bürgern und Angehörigen, die in den Archiven gefundenen Dokumente sowie Video- und Tonaufnahmen mit Angehörigen der Verfolgten stellte der Seminarkurs zu der Ausstellung „Erinnerungsort St. Blasien, Heimat – Menschen – Schicksale“ zusammen. Die Ausstellung wurde ab Juli 2023 im Kreismuseum St. Blasien gezeigt und von zahlreichen Interessierten besucht.

Bauer und Heitmann, die für ihr Projekt mit dem Deutschen Lehrkräftepreis 2023 ausgezeichnet wurden, haben die Ausstellung nun in einem Katalog dokumentiert und ihr somit Dauer verliehen. Das Vorwort stammt von Debbie Ovied, der Enkelin von Gustav und Hulda Grumbach, den damaligen Besitzern des Kaufhauses Grumbach. Auch sie war zur Stolperstein-Verlegung angereist.

In dem Ausstellungskatalog haben die ehemaligen Kursteilnehmer eigene Beiträge zu den von ihnen recherchierten Schicksalen verfasst. Die Personen oder Familien bekommen darin – in deutscher und englischer Sprache – jeweils ein eigenes Kapitel. Berichtet wird unter anderem über den Kollegslehrer und Regimegegner Pater Alois Grimm, der in Berlin hingerichtet wurde, oder über den Weltkriegsveteranen und Fotografen Alex Mendelsohn, der in St. Blasien ein Fotogeschäft betrieb und nach Anfeindungen und Demütigungen nach Uruguay floh. Auch die Schauspielerin Elise Medenwaldt, die der geplanten Deportation in Berlin entkam, in St. Blasien, Titisee, Neustadt, Bad Säckingen und Waldshut Unterschlupf fand und die Naziherrschaft so überlebte, hat ein Kapitel.

Über diesen Beitrag zur Stadtgeschichte und Erinnerungskultur hinaus hat das Buch einen künstlerischen Eigenwert aufgrund der reichen Ausstattung mit 71¦Abbildungen und der Risographien von Alena Bauer. Mithilfe dieser Drucktechnik hat sie Fotografien, Postkarten, Briefe und weitere Dokumente zu aussagekräftigen und ansprechenden Collagen verbunden, die die Schicksale der Porträtierten eindrücklich abbilden. „Mit unserem Seminarkurs, dem Stolperstein-Projekt, der Ausstellung und jetzt auch dem Katalog wollten wir einen Beitrag dazu leisten, dass sich Schicksale wie die von uns recherchierten nicht wiederholen. Wir würden uns freuen, wenn das Buch Leserinnen und Leser an diesem Ort des Geschehens findet“, so Alena Bauer und Johannes Heitmann.

Katalog „Erinnerungsort St. Blasien, Heimat – Menschen – Schicksale“: Hentrich und Hentrich Verlag Berlin 2024, 176 Seiten, 17,90 Euro; erhältlich auch an der Kollegspforte.