St. Blasien Das Wort Werkskapelle könnte heute nicht mehr jedem ein Begriff sein. Was nach einem Zusammenschluss aus einer vergangenen Zeit klingt, hat bei der Firma Aebi Schmidt aus St. Blasien noch Bestand. Der Kehr- und Schneeräummaschinen-Hersteller ist einer von wenigen Betrieben der Region mit Werkskapelle – neben dem Sitzmöbelhersteller Sedus Stoll aus Dogern und der Sparkasse St. Blasien. Bei Aebi Schmidt freut man sich über diese Rarität: „Darauf sind wir sehr stolz“, sagt Geschäftsführer Thomas Berger.
Ihren ersten öffentlichen Auftritt hatte die Werkskapelle der damals noch Schmidt genannten Firma am 1. Mai 1971, berichtet der Kapellenvorsitzende Lothar Behringer. Anlass war eine Frühjahrsräumung auf der Passhöhe des Gotthards. Damals sei es immer wieder vorgekommen, dass das Unternehmen an Passräumungen teilnahm, berichtet Berger – neben dem Gotthard auch auf dem Timmelsjoch in Italien. „1971 sind einige Mitarbeiter mit einem kleinen Bus auf den Gotthardpass gefahren und haben das Event unter der Leitung von Alfred Schmidt Senior musikalisch umrahmt“, sagt Behringer.
Musikliebende Mitarbeiter initiierten die Firmenkapelle, berichtet der Vorsitzende, und: „Der Gedanke war, neben dem Berufsalltag zusammenzukommen, Austausch zu ermöglichen und Bekanntschaften außerhalb der eigenen Abteilung zu schließen.“ Dieses Konzept hat sich bewährt. Vor allem neuen Mitarbeitern erleichtere das Musizieren den Start in der Firma, da sie durch ein gemeinsames Hobby Anschluss zu Kollegen knüpfen können. Mitarbeiter, die für den Job in die Region gezogen sind, werden von ihren Kollegen auch in Musikvereine vermittelt.
„Vom Ingenieur, über den Manager bis hin zum Rentner und Lehrling ist alles mit dabei“, sagt Behringer. Das mache die Kapelle so besonders, findet Geschäftsführer Berger. „Beim Musizieren sind alle gleich – die Hierarchien der Arbeitswelt bestehen hier nicht“, sagt er. Die Werkskapelle biete nicht nur die Möglichkeit, sich über eine emotionale Ebene mit dem Unternehmen zu identifizieren, „sondern ist auch nach außen ein toller Werbeträger für uns als Arbeitgeber in der Region“, sagt Personalleiterin Sarah Schulze.
Auch im Rentenalter sind einige Musiker der Werkskapelle treu geblieben. Zum Beispiel Gründungsmitglied Edwin Baur. Ein weiterer positiver Effekt sei, dass man sich über Arbeit und Probleme austauschen kann. „Der Entwickler hört aus erster Hand, was in der Praxis Schwierigkeiten bereitet“, sagt die Personalleiterin. Aktuell spielen 30 Mitarbeiter in der Werkskapelle – Mitglieder aus mehr als zehn Musikvereinen aus der Umgebung.
Im Herbst machte die Werkskapelle eine anonyme Zufriedenheitsumfrage bei ihren Mitgliedern. Das Ergebnis habe den Vorsitzenden überrascht. „Lediglich vier Leute hatten mitgeteilt, dass sie aufhören möchten. Die restlichen 30 Rückmeldungen waren durchweg positiv. Viele hatten angegeben, dass sie sich mit der Kapelle identifizieren und dass sie Spaß haben“, berichtet Behringer.
Seit 1980 hat die Werkskapelle eine Uniform, die sich immer wieder verändert hat – gerade ist ein neues Design im Gespräch. Auch Ausflüge sind immer wieder im Programm. „Corona geschuldet haben wir seit 2019 keinen Ausflug mehr gemacht und unser 50-jähriges Bestehen noch nicht gefeiert“, berichtet der Vorsitzende. Das werde nachgeholt.
Proben sind auch Arbeitszeit
„Geprobt wird alle drei bis vier Wochen“, sagt Dirigent Stefan Köpfer. Durch die Flexibilität der Arbeitszeiten sei das manchmal nicht einfach, aber machbar. Die Proben werden als Arbeitszeit angerechnet. Zwar handelt es sich um keinen eingetragenen Verein, trotzdem finden Hauptversammlungen statt, berichtet der Vorsitzende.
Gespielt werden Märsche und Polkas, aber auch Weihnachtslieder und Trauerstücke sind im Repertoire, sagt Dirigent Köpfer. Auftritte haben die Musikerinnen und Musiker beispielsweise beim Sommerhock oder der Jahresfeier der Firma. Aber auch Geburtstage von Kapellenmitgliedern und von besonderen Mitarbeitern werden musikalisch umrahmt, wie auch Trauermessen und Hochzeiten der Mitglieder.
Aktuell bereitet sich die Werkskapelle auf ein besonderes Projekt vor: Mitte Mai wird erstmals eine musikalisch umrahmte Messe im St. Blasier Dom für ehemalige gestorbene und lebende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stattfinden. „Für uns ist das eine besondere Art, den ehemaligen Mitarbeitern einen letzten Abschied seitens der Firma zu bereiten“, sagt Geschäftsführer Thomas Berger.