St. Blasien „Wir haben es geschafft“, sagt Hedwig Kaiser aus Häusern. „Wir sind auf der Zielgeraden“, kommentiert Marianne Wriedt aus St.¦Blasien. Im Café Aich gegenüber vom St.¦Blasier Dom geben sie dem Reporter Auskunft über die gewaltige Sache, die sie angezettelt haben – und jetzt zu einem guten Ende führen wollen. Die eleganten Damen haben einiges gemeinsam: Die 75-jährige Marianne Wriedt hat bis 2007 das Café Aich in St.¦Blasien geführt, die 81-jährige Hedwig Kaiser war früher in Häusern Chefin ihres Elektro-Handels. Beide haben schon vor Jahren das Geschäft an die nächste Generation abgegeben. Kaiser und Wriedt teilen auch die Begeisterung für ein Kunstwerk, das sie nicht mehr loslässt.

Die beiden hatten sich 2023 auf eine Städtereise nach Dresden begeben, in der Semperoper stand Mozarts „Zauberflöte“ auf dem Programm. Der Höhepunkt des Ausflugs sollte aber die Gaia-Skulptur des britischen Künstlers Luke Jerram werden, die damals in der Frauenkirche ausgestellt wurde. Dorthin gerieten die Damen zufällig bei einer Stadtführung. Drei Meter über den Besucherinnen schwebte eine Nachbildung der Erdkugel in gewaltiger Größe unter dem Kirchendach: sieben Meter im Durchmesser, von innen beleuchtet, versehen mit der detaillierten Wiedergabe der Kontinente. Der Künstler Luke Jerram verwendete gestochen scharfe Satellitenfotos der Nasa. Er wolle den Betrachtern die Erde vorführen, wie ein Astronaut sie vom Weltraum aus sieht, sagt er. „Ein unglaublich schöner und wertvoller Ort“, kommentiert Jerram auf seiner Internetseite, „ein Ökosystem, um das wir dringend sorgen müssen – unser einziges Zuhause.“ Seit 2018 tourt die Kugel, benannt nach der Urmutter in der griechischen Mythologie, durch die Welt. Millionen Menschen haben sie bislang bestaunt.

„Ein unbeschreibliches Gefühl war das“, erinnert sich Hedwig Kaiser, wie sie dort auf der Kirchenbank saß und über ihr die Welt zum Greifen nah schien. Auch auf Marianne Wriedt hatte die Gaia-Skulptur Wirkung: „Ich war sprachlos.“ Schon auf der Rückfahrt von Dresden nach St.¦Blasien hatten die beiden den gleichen Gedanken: Dieses Kunstwerk müsse im Dom von St.¦Blasien zu sehen sein. Das wollten sie persönlich in die Hand nehmen.

Unverzüglich begannen die Frauen, für ihre Idee zu werben. Die Reaktionen waren verhalten, berichten Kaiser und Wriedt. Bei der Tourismusbehörde der Stadt gab man sich vorsichtig, für das Projekt sei kein Geld da, beschied der damalige Leiter. Auch beim Werbe- und Aktivkreis St.¦Blasien, der örtlichen Gewerbevereinigung, vollführte niemand Freudensprünge. „Und manche Leute haben uns gesagt, ihr spinnt doch“, berichtet Hedwig Kaiser. Doch die beiden ließen sich nicht entmutigen.

Hartnäckig suchten sie nach Unterstützern – und fanden in Pater Hans-Martin Rieder, Direktor des Kollegs, einen Mitstreiter. „Meiner Einschätzung nach würde der Dom ein geradezu herausragend geeigneter Raum sein, um Gaia zu installieren“, schrieb Rieder in einer Stellungnahme. „Zudem sehe ich dadurch die Chance, dass die Verbundenheit von Gott und Welt neu entdeckt werden kann.“ Rieder schlug vor, den Termin für die Ausstellung auf den Herbst 2025 zu legen. Denn da wird das Naturwissenschaftliche Zentrum des Kollegs eröffnet. Mit Rieders Stellungnahme sprachen die Frauen beim Bürgermeister vor. Adrian Probst habe schnell zugestimmt und die Hochschwarzwald Tourismus GmbH (HTG) eingespannt. Nachdem sich der Pfarrgemeinderat für das Projekt ausgesprochen hatte, gab auch Pfarrer Jan Grzeszewski seinen Segen. Die HTG knüpfte Kontakte zum Künstler – und der schlug vor, in St.¦Blasien die große Gaia-Variante aufzuhängen, mit zehn statt sieben Metern Durchmesser.

Die Kosten summieren sich auf 55.000¦Euro. Davon haben die Stadt mit ihrem Spendenkonto sowie Wriedt und Kaiser knapp 40.000¦Euro eingesammelt. Das Kolleg gab einen Zuschuss, und Hedwig Kaiser hat bei ihrem 80.¦Geburtstag die Gäste gebeten, für das Projekt zu spenden. „Natürlich ist das Gaia-Projekt eine tolle Sache, um St. Blasien und die Region mal wieder ins Gespräch zu bringen“, sagt Marianne Wriedt. Noch wichtiger: „Wir müssen darüber reden, wie wir mit unserer Erde umgehen“, betont sie mit Blick auf die drohende Klimakatastrophe.

Die Ausstellung: Die Gaia-Kugel ist vom 3.¦Oktober bis 9.¦November im Dom St. Blasien zu sehen. Spenden nimmt die Stadt St.¦Blasien über ein Sonderkonto entgegen.