Vom einst stattlichen Schlosshof bei Schloss Hohenlupfen in Stühlingen steht nur noch das ehemalige Wohnhaus. Bis zum verheerenden Brand 1982 war er als Gutshof des Hauses Fürstenberg dem Hohenlupfen vorgelagert und verpachtet. Nur durch das große Hoftor gelangten die Besucher zum Schloss. Das Tor ist abgesperrt. Lilo Salzmann (92), geborene Horsch, wuchs zusammen mit fünf Schwestern auf dem Schlosshof auf. Sie ist eine der ältesten Stühlingerinnen und hat noch viele lebendige Erinnerungen.
Die Eltern, Heinrich und Katharina Horsch aus Durlach, pachteten 1912 den Schlosshof, damals das größte landwirtschaftliche Anwesen auf Stühlinger Gemarkung. Die Horschs gehörten der Badischen Mennoniten-Gemeinde an und waren somit religiöse Außenseiter, in Stühlingen aber geachtet und beliebt. „Bei uns war immer etwas los“, erinnert sich Lilo Salzmann. Auf dem Hof gab es Knechte, Mägde und Praktikantinnen. „Um den Esstisch saßen immer um die zwölf Personen“, so Salzmann. Es wurde geschlachtet und Brot gebacken.

Die sechs Horsch-Mädchen waren alle hübsch und bei den Männern begehrt – auch wenn sie aus katholischer Sicht die falsche Religion hatten. „Der Besuch von Tanzveranstaltungen war uns aber aufgrund der Religionszugehörigkeit verboten“, erzählt Lilo Salzmann. Zum Hof gehörte ein Pferdestall, in dessen Obergeschoss die Knechte untergebracht waren, ebenso ein Waschhaus, ein Brunnen und ein Schweinestall – Gebäude, die bis heute vorhanden sind. Später übernahm Pächter Hirsch, der eine der sechs Horschtöchter geheiratet hatte, den Hof. Die Horschs erwarben einen Bauernhof am Bahndamm und zogen vom Schlossberg ins Wutachtal. Heinrich Horsch besaß inzwischen etwa 100 Hektar eigene Felder.

Er war ein Mann mit festen Prinzipien. „Was mein Vater angeordnet hat, das galt, da gab es keine Widerreden“, erinnert sich Lilo Salzmann. Jeden Abend las Heinrich Horsch der Familie und den Bediensteten eine Losung aus der Mennoniten-Bibel vor. Heinrich Horsch schaffte den ersten Lanzbulldog an, damals der Rolls Royce unter den landwirtschaftlichen Zugmaschinen. Und er besaß eines der wenigen Autos in Stühlingen.

Die sechs Kinder hatten einen weiten Schulweg. „Im Winter mussten wir oft durch kniehohen Schnee stapfen“, so Lilo Salzmann. Noch weiter hatten es die Nachbarskinder von den etwa einen Kilometer oberhalb liegenden sechs Schlossberghöfen. „Manchmal durfte ich mit meinem Vater zur Schule fahren, denn ich als Jüngste war sein ausgesprochener Liebling. Arbeiten mussten ich und meine Schwestern wenig, wir hatten ja genug Dienstpersonal für Haus, Hof und Garten“, so Salzmann. Ihre Schwester Elfriede lebt heute, 98-jährig, noch rüstig in Rheinfelden.
Lilo Salzmann erinnert sich, dass der Vater Kartoffeln in großem Umfang anbaute. Er lieferte sie hauptsächlich per Pferdetransport an das Waldshuter Spital. Im Stall standen etwa 30 Kühe und etliche Schweine. Not musste die Familie nie leiden, man war weitgehend Selbstversorger. Lilo Salzmann pflegte ihre Muter Käthe, die mehr als 100 Jahre alt wurde. Käthe Horsch war Ehrenmitglied des Turnvereins. Eine kleine, zierliche Frau, während Heinrich Horsch ein Hüne mit sanftem Gemüt und ein echter Familienpatriarch war.
Der Prinz
In einem Kellertürbogen des Schlosshofs findet man die Jahreszahl 1623. Ob der Hof damals erbaut wurde, ist nicht gesichert bekannt. In den 1950er Jahren sollte Prinz Kari, der jüngste Spross der Fürstenberger, den Hof übernehmen. Er war sehr beliebt, besonders bei den Frauen, und war verlobt mit einer italienischen Prinzessin. Bei der Rückreise aus Italien verunglückte Prinz Kari tödlich. Die Stadt Stühlingen hat ihm eine Straße und eine Ruhebank an einem Aussichtsplatz hinter dem Stühlinger Schloss gewidmet. Den Hof bewirtschafteten danach die Pächter Käppeler und Meier. Der jetzige Eigentümer ist Schlossherr Martin Stamm aus Schleitheim in der Schweiz. Er weiß noch nicht, was aus der Brandruine werden soll.