Eindrücklicher und interessanter kann man Geschichte wohl kaum vermitteln als bei der Buchvorstellung von Josef Kaiser am Samstag im Haus des Gastes in Birkendorf. Der Abend war eine berührende und gelungene Erinnerungsfeier an Einzelschicksale, meist junger Männer der beiden Weltkriege. Es war in Ühlingen-Birkendorf die erste große 2G-Veranstaltung seit Beginn der Pandemie. Bürgermeister Tobias Gantert begrüßte mehr als 200 Gäste aus Nah und Fern. Unter den Ehrengästen war auch Landrat Martin Kistler. Der 96-jährige Erich Albrecht war der einzige unter den Gästen, der selbst als Soldat den Krieg erlebt hat. 19-jährig verlor er durch eine Granate einen Unterschenkel, was ihn vermutlich vor einem schlimmeren Schicksal bewahrt hat.

„Birkendorfer Soldatenschicksale in den beiden Weltkriegen“ heißt der Titel des zweiten Buches, das Josef Kaiser für sein Heimatdorf verfasst hat. Dass die Kriegsteilnehmer, vor allem die gefallenen Soldaten, auch in kommenden Generationen nicht vergessen werden, ist das Hauptanliegen des Autors.

Die Ideen zur besonderen Gestaltung des Abends stammen von Manuel Dörflinger. „Die Zusammenarbeit mit Manuel ist ein Geschenk für mich als „alte Kerli“, betonte Josef Kaiser, der mit ihm die Präsentation zusammenstellte. Esther Kaiser aus Berlin, Tochter des Autors, Professorin für Jazzgesang an der Musikhochschule Dresden, und die jungen Birkendorfer Sängerinnen Naemi Dörflinger und Nicola Baldischwiler begeisterten mit Liedern und ihren Stimmen das Publikum.

Kurze Filmausschnitte, Bilder und Texte begleiteten im Hintergrund die abwechslungsreiche Aufführung, bei der keine Sekunde Langeweile aufkam. Nach dem Birkendorfer Heimatlied und dem Kameradenlied, das Naemi und Nicola vortrugen, stimmte ein kurzer Filmausschnitt von Göbbels Rede und der Frage an das Volk „Wollt ihr den totalen Krieg“ auf das Buchthema ein und entriss das Publikum sinnbildlich aus der heimatlichen Idylle.

Der Titel „Lied einer deutschen Mutter“ von Berthold Brecht, gesungen von Esther Kaiser, verdeutlichte die unheilvolle Verführung der deutschen Jugend. Auszüge aus Original-Briefen der Brüder Albin und August Metzler an ihre Mutter, vorgelesen von Maria und Felix Metzler, gingen unter die Haut.
Marius Brauns vorgelesener fiktiver Brief seines Urgroßvaters Josef an dessen Frau Marie erzählt neben Kriegserlebnissen von seinen Sorgen um die Familie und den Sägewerksbetrieb daheim. Mit Überleitungen von Josef Kaiser zwischen den einzelnen Auftritten wurde eine gute Mischung aus gebotenem Ernst und einer Spur Leichtigkeit der Menschen von damals vermittelt. Nico Reichardt spielte seinen Urgroßvater Ernst Rebmann, der sich mit dem Autor über seine Nachkommen unterhält.

Mit Augenzwinkern wurde zum Schluss der „tüchtige“ Urenkel Nico als zukünftiger Hirschenwirt gelobt. Schließlich schlüpften Joas Hirzle, Silas Bulla und Benedikt Moser in die Rollen ihrer Großonkel Anton Hirzle, Ernst Albrecht und Albert Clesle. Im Gespräch wollte man sich gegenseitig mit den Talenten seiner Nachkommen übertreffen. Ernst Albrecht musizierte gern mit der Ziehharmonika, mit der er an der Front die Soldaten erfreute. Er fiel im Alter von 20 Jahren. Seine Kameraden schickten danach das Instrument an die Eltern in die Heimat.
Mit diesem Instrument begleitete Hansjörg Dörflinger anstelle von Ernst das Lied „Wie die Blümlein draußen zittern“. Das Publikum im Saal sang kräftig mit. Die zehnjährige Mia Frommherz schließlich unterbrach den Autor und erzählte die Geschichte ihrer Urgroßmutter Juliane Frommherz beispielhaft für das meist traurige Schicksal der Kriegswitwen.
Josef Kaiser erinnerte zum Abschluss an Eugen Kaiser, der seine Lehren aus dem Krieg gezogen hatte. Trotz dreijähriger französischer Gefangenschaft wurde er als Bürgermeister zum Begründer der Partnerschaft Birkendorf-Machecoul. Nach Dankesworten von Josef Kaiser an alle, die sein Buchprojekt unterstützt haben, folgte das bekannte Antikriegslied „Sag mir, wo die Blumen sind“ mit Esther Kaiser, Nicola Baldischwiler und Naemi Dörflinger.
Mit Dankesworten von Bürgermeister Tobias Gantert an den Autor und alle Beteiligten ging der Abend zu Ende. Das Publikum spendete begeisterten Applaus. Im Anschluss verkaufte der Bürgermeister selbst die Bücher, während die Trachtenkapelle die noch zahlreichen Gäste bewirtete.