In Waldshut bestehe ein erheblicher Mangel an freiem preiswertem Wohnraum. Dies sagen Andreas Kunzelmann und Roland Arzner, die Vorstände des Bauvereins Waldshut. Auch bei dieser Genossenschaft gibt es eine sehr lange Warteliste mit Menschen, die eine günstige Wohnung in suchen.
Schon vor 110 Jahren gab es in Waldshut einen Wohnungsmangel. Um diesem entgegenzuwirken, gründeten 47 Personen am 22. Mai 1909 im damaligen Gasthaus Waldschloss den Bauverein Waldshut. Zum Ende des Jahres 1909 war der Mitgliederstand schon auf 160 angestiegen. Noch im gleichen Jahr baute der Verein in der Gurtweiler Straße 40 sein erstes Gebäude. Heute, 110 Jahre später, besitzt die Genossenschaft in Waldshut 450 Wohnungen mit ein bis vier Zimmern in überwiegend selbst erbauten Häusern. Die meisten der Häuser stehen im Gurtweiler Tal. „Damit ist jede siebte Wohnung in Waldshut eine Genossenschaftswohnung, im Gurtweiler Tal sogar jede zweite“, sagt Bauverein-Geschäftsführer Andreas Kunzelmann.
„Von Wohnungsnot kann man hier nicht sprechen. In Waldshut gibt es genügend freie Wohnungen, aber das sind eben nur hochpreisige Neubauwohnungen. Freie preiswerte Wohnungen gibt es keine“, so Kunzelmann. Die Nachfrage nach günstigem Wohnraum sei in der Stadt extrem hoch. „Die Rheinschiene ist einfach sehr gefragt“, so Roland Arzner, ehrenamtlicher Vorstand des Bauvereins. Die Genossenschaft habe sich auf die Fahne geschrieben, stets bezahlbaren Wohnraum anzubieten. Für eine Altbauwohnung zahle man in Waldshut in der Regel im Schnitt zehn Euro Kaltmiete pro Quadratmeter, beim Bauverein seien es 5,50 Euro. „Auch der Unterschied der Mietpreise zwischen Stadt und Land wird sich immer mehr verschärfen“, so Arzner.
Große Nachfrage
Auch beim Bauverein gibt es aktuell keine freien Wohnungen. Ein Blick in Kunzelmanns Büro macht die große Nachfrage deutlich: Sein Schrank ist übersät mit darauf geklebten Wohnungsbewerbungen. „Fast stündlich kommen neue Anfragen rein, wir zählen sie schon gar nicht mehr“, sagt er. Den einzigen Leerstand habe der Bauverein in Wohnungen, die derzeit saniert werden, bei denen aber auch schon klar ist, wer dort bald einziehen wird.
Waldshut sei eben weiterhin ein Zuzugsgebiet, so Kunzelmann. Als Stadt mit Fachkräftmangel, mit Infrastruktur und mit einer günstigen Miete im Vergleich zu Lörrach habe man hier eine sehr große Nachfrage. „Vor allem bekommen wir viele Anfragen von Schweizer Rentnern“, so Kunzelmann. Auch in Waldshut herrscht laut Statistik des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln ein Wandel in der Nachfrage nach Wohnfläche. Während im Jahr 1987 die durchschnittliche Wohnfläche pro Person 34,6 Quadratmeter betrug, liegt sie heute bei 46,5 Quadratmeter.

Viele Maßnahmen des Bauvereins Waldshut tragen der großen Nachfrage an Wohnraum Rechnung. So wurde nach 44 Jahren Baupause 2016 ein Neubau in der Kalvarienbergstraße 2 a mit 16 Wohnungen realisiert. Künftig plane man keine Neubauten, sondern beschränke sich auf Sanierungen und Ersatzbauten, so Kunzelmann.
Letztes Jahr kaufte die Genossenschaft zwei Häuser, die derzeit saniert werden. Und in zwei Jahren sollen drei Häuser in der Waldeckstraße abgerissen werden und durch Gebäude mit bis zu 40 Wohnungen ersetzt werden (bisher waren es zwölf Wohnungen). Kunzelmanns Blick in die Zukunft reicht bis 2060, weil es dann aufgrund des Bevölkerungsrückgangs weniger Wohnraum braucht. In Waldshut soll der Rückgang allerdings weniger gravierend ausfallen, als in anderen Regionen. Hier wird es mit fünf Prozent weiter einen Zuwachs geben. Aktuell wachse die Waldshuter Bevölkerung um zehn Prozent.
Waldshut sei eine beliebter Wohnort, sagt Roland Arzner. Doch Kunzelmann betont, was es seiner Meinung nach braucht, damit man weiterhin ein Standort mit Zuzügen bleibt: „Damit Waldshut weiter attraktiv bleibt, müssen ein Verkehrswegekonzept, die Elektrifizierung der Eisenbahn und die zweite Rheinbrücke her – sonst bekommen wir einen Standort-Nachteil und davon profitieren dann nur die umliegenden Gemeinden.“