Mit dem Spatenstich am Kaltenbach in Tiengen gaben Vertreter der Stadt Waldshut-Tiengen, der Freiburger Genossenschaft Oekogeno sowie weiterer beteiligter Firmen den Startschuss für den Bau eines integrativen Wohnquartiers.
Auf dem 1,5 Hektar großen Gelände südlich der Waldshuter Straße plant die Oekogeno den Bau von insgesamt 56 Wohneinheiten für rund 200 Menschen. Gebaut werden verschiedene Wohnformen. So sollen zum einen auf zwölf Grundstücken Einfamilienhäuser gebaut werden. In weiteren vier Mehrfamilienhäusern werden 32 Wohnungen entstehen. Zu diesen Mehrfamilienhäusern zählt ein inklusives genossenschaftliches Mehrgenerationen-Wohnhaus mit insgesamt 24 Mietwohnungen. Dieses Haus soll Ankerpunkt des neuen Quartiers werden. Hier sollen unter anderem eine Handicap-Wohngemeinschaft für pflegebedürftige Menschen und eine Appartement-Wohngemeinschaft für psychisch erkrankte Menschen entstehen. Dazu kommen ein Gemeinschaftsraum und ein Gäste-Appartement. Für dieses Gebäude hat die Oekogeno kürzlich eine eigene Projekt-Genossenschaft gegründet. Nur, wer Mitglied dieser Genossenschaft wird, kann hier eine Wohnung mieten oder sich mit Geldanlagen an dem Projekt beteiligen. In den anderen drei Mehrfamilienhäusern sollen acht Eigentumswohnungen entstehen.
Beim gesamten Quartier steht das Thema Gemeinschaft im Mittelpunkt mit zahlreichen Flächen für die Begegnung wie Kinderspielzonen, Gemeinschaftsgärten, einem Quartiersplatz und einer Feuerstelle. Jung und Alt, Menschen mit und ohne Handicap, Singles und Paare sowie Familien sollen hier ein neues Zuhause finden. Architekt Michael Gies aus Freiburg sagte, es sei eine interessante Aufgabe so ein Quartier zu konzipieren mit Ansprüchen an Gemeinschaftlichkeit und Nachhaltigkeit. Auch liege bei der Oekogeno, die ihn für die Konzeption beauftragt hatte, die Latte aus ökologischer Sicht sehr hoch. Dies bestätigt auch Joachim Bettinger, Vorstand der Oekogeno: "Wir planen ein Mobilitätskonzept mit E-Car-Sharing, eine fahrradoptimierte Quartiersplanung, eine Nahwärmeversorgung und ein Mieterstrommodell mit Blockheizkraftwerk und Photovoltaik. Außerdem errichten wir energieeffiziente Häuser in Holzbauweise."

"Das ist ein guter Tag für alle Menschen, die in dieser schönen Stadt mit anderen wohnen und leben möchten", sagte Oberbürgermeister Philipp Frank beim Spatenstich. Der Weg hierher sei hindernisreich gewesen, weil es viele Interessen zu berücksichtigen galt. Das Ergebnis sei nun aber erfreulich für alle. Es sei ein ganz besonderes Wohngebiet mit integrativem Wohnen. Er dankte allen beteiligten Firmen und den Anwohnern. "Es ist das erste Mal, das wir ein ganzes Quartier gestalten können", sagte Bettinger von Oekogeno. Ihm war wichtig, zu betonen: "Wir werden die Belange der Anwohner auch weiterhin berücksichtigen." Das erste Mal, das die Genossenschaft mit dem Grundstück in Berührung kam, sei bereits 2013 gewesen. So lange hätten die Vorarbeiten gedauert.
Stefan Baumgartner, Projektleiter vom Ingenieurbüro Tillig in Dogern, erläuterte den Zeitplan. Das neue Areal soll über die Porschestraße und die Straße "Am Kaltenbach" erschlossen werden. Mit dem Leitungsbau in der Porschestraße habe man bereits begonnen. In der Straße "Am Kaltenbach" soll der bestehende Kanal rückgebaut werden sowie Wasserversorgung, Strom und Breitband verlegt werden. Bis Ende September will man mit dieser Maßnahme fertig sein. Mitten durch das neue Wohngebiet hindurch führt eine neue Straße, die an den Ziegelmattenweg anschließt und damit auch genauso heißen wird, diese wird voraussichtlich im dritten Quartal 2020 gebaut. Oberhalb dieser Straße wird eine Tiefgarage mit 65 Stellplätzen entstehen. Mit dem Bau der Tiefgarage will man dieses Jahr im Oktober beginnen, 2020 soll sie fertig sein. Der Autoverkehr soll an dieser Tiefgarage abgefangen werden, das ganze Quartier soll verkehrsberuhigt werden. "Wir wünschen uns so wenig Autoverkehr wie möglich", so Thomas Bauer, Pressesprecher der Oekogeno auf Anfrage dieser Zeitung. Die Eigentumswohnungen sollen zwischen dem dritten Quartal 2021 und dem vierten Quartal 2022 fertiggestellt werden. Das genossenschaftliche Wohnhaus soll im zweiten Quartal 2022 bezugsfertig sein.
Die Vermarktung der Wohnungen und Häuser habe noch nicht begonnen, Informationen zu deren Preisen gebe es auch noch nicht, so Bauer. Dies erfolge in den nächsten Monaten.

Einige Anwohner ärgerten sich am Rande des Spatenstichs, dass mit dem neuen Wohnquartier und der damit verbundenen Erschließung Kosten auf sie zukommen. Außerdem müssten einige Anwohner ein Hebewerk bauen lassen und dieses selbst finanzieren. Diese Hebwerke pumpen das Abwasser nach oben zur neuen Abwasserleitung. Bürgermeister Joachim Baumert sagte zu, die Anwohner schon in den nächsten Tagen über die Kosten zu informieren.
Genossenschaft aus Freiburg
In einer Genossenschaft schließen sich die Mitglieder freiwillig zusammen, um gemeinsam zu wirtschaften. Sie legen ihr Geld an und unterstützen damit aktiv Projekte, werden aber auch selbst mit den erwirtschafteten Leistungen unterstützt. Sie sind also zugleich Eigentümer und Kunden ihrer Genossenschaft. Baugenossenschaften bauen Häuser und vermieten die Wohnungen ausschließlich an ihre Mitglieder. In Deutschland gibt es derzeit rund 8000 eingetragene Genossenschaften.
Die Oekogeno, eine Genossenschaft aus Freiburg, realisiert das Projekt "Am Kaltenbach" in Tiengen und hat dafür das Grundstück der Stadt abgekauft. Sie hat bereits 2013 in Freibug im Modellstadtteil Vauban ein genossenschaftliches inklusives Wohnprojekt verwirklicht. Die Oekogeno legt großen Wert auf Inklusion, Erneuerbare Energien, Nachhaltigkeit und Bürgerbeteiligung. Es gibt die Oekogeno seit 30 Jahren und sie hat 15 500 Mitglieder.
Info für Bürger: Die Oekogeno informiert am Samstag, 30. März, um 15 Uhr im Gemeindesaal Tiengen über das Wohnquartier und über das genossenschaftliche Wohnprojekt. Dabei können sich Bürger auch auf einer Interessenliste eintragen und erhalten dann regelmäßig Informationen, die jetzt noch nicht bekannt sind, wie etwa Grundrisse oder Preise für die Wohnungen/Häuser.