Heinrich Kaminski ist in der Musikwelt ein inzwischen wieder anerkannter, viel beachteter Komponist (1886 – 1946). Daran hat die 1987 gegründete Kaminski Gesellschaft und ihr sehr rühriger Vorsitzender Herbert Müller-Lupp einen erheblichen Anteil. Wir trafen uns mit ihm und Archivar Wolfgang Zimmermann in dem liebevoll ausgestatteten Kaminski-Zimmer im Schloss Tiengen. Denn genau hier, allerdings in einem anderen Gebäudetrakt, ist auch der große Sohn der Stadt geboren.

Wie kam es zu der Gründung dieser Gesellschaft? Müller-Lupp und Zimmermann erinnern sich: „Es war im Juli 1986 bei den zahlreichen Gedenkveranstaltungen und Konzerten anlässlich Kaminskis 100. Geburtstag in Waldshut-Tiengen. Dessen Biograf Hans Hartog meinte damals: „Wer könnte so eine Gesellschaft, die sich um Nachlass und Pflege seines musikalischen Werkes kümmert, besser gründen als diese Stadt? Ihr müsst das machen!“ Der Funke sprang über: Der damalige Kulturreferent Jürgen Klein griff die Idee auf und fand schnell begeisterte Mitstreiter, darunter schon damals Müller-Lupp und Zimmermann. Am 16. Mai 1987 wurde die Kaminski Gesellschaft gegründet und ein Vorstand gewählt. 27 Mitglieder traten damals der Gesellschaft bei. Die Aufgaben waren klar: Auf vielfältigen Wegen sollte das Werk Kaminskis gepflegt und bekannter gemacht werden. Denn während des Nationalsozialismus war Kaminski zum „verbotenen Komponisten“ erklärt worden, und sein Werk erhielt Aufführungsverbot. Nach dem Krieg geriet seine Musik zunächst weitgehend in Vergessenheit.

Seit der Gründung der Gesellschaft wurde viel erreicht: Durch Zusammenarbeit mit Musikern, Musikhochschulen und Rundfunkanstalten wurden seine Werke bekannter gemacht. Aufführungen und Einspielungen wurden unterstützt und die vielen Manuskripte und Noten wurden archiviert. Der inzwischen verstorbene Sohn des Komponisten, Vitalis Kaminski, hatte zur Gründung zahlreiche Manuskripte und sogar Möbel und Originalliteratur des Künstlers gestiftet: So steht jetzt im Schloss ein schöner alter Schrank aus Kaminskis Arbeitszimmer aus der Riedhütte bei Benediktbeuren, in der der Musiker bis zu seinem Tod lebte. Dazu ein Gipsabdruck seiner Büste (von Arnold Rickert) und der Entwurf seiner Grabplatte, ein Geschenk der Witwe Kaminskis. Alle zwei Jahre gibt die Gesellschaft außerdem ein Heft heraus. Und sie hat vier CD’s einspielen lassen mit Kammermusik für Streicher, Orgel- und Chorwerken.
Archiv der Bayrischen Staatsbibliothek München vermacht
Eine Sache beglückt Müller-Lupp am meisten: „Wir hatten einen großen Bestand an Archivmaterial. Aber es war uns natürlich unmöglich, es einer großen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Uns ist es gelungen, unser Archiv der Bayrischen Staatsbibliothek München zu vermachen. Die wiederum hat alles digitalisiert, so dass es für Studenten, Musiker und andere Interessenten jederzeit abrufbar ist. Und das Angebot wird reichlich genutzt!“ Kann er sich damit zur Ruhe setzen? Er lacht: „Nein, im Gegenteil. Die Nachfrage auch bei uns wird immer größer. Da ist viel in Bewegung geraten und wir haben viel Arbeit.“ So gibt es für 2019 bereits einige spannende Kaminski-Highlights (siehe Anhang).
Und wie steht es finanziell um die Gesellschaft? „Unsere Finanzen bei 70 Mitgliedern sind leider nicht so groß. Wir freuen uns darum natürlich immer über Spender!“ Was würden Sie machen, wenn jemand 10 000 Euro spenden würde? Müller-Lupp lacht: „Das wäre wunderbar. Wir würden sie sofort in die Opern-Partitur von Kaminskis Oper „Jürg Jenatsch“ stecken. Die gibt es nur im Original und müsste für eine Aufführung – da gibt es bereits iInteressenten – erst mal bearbeitet werden!“ Und abschließend ergänzt er: „Wir sind froh, dass wir mit dem Kantor Matthias Flierl und dem Cellisten Markus Fleck auch jüngere Leute mit viel Kontakten im Vorstand haben. Für mich ist die Kaminski-Gesellschaft mein Lebenswerk! Aber wir sind für jede Förderung und Unterstützung dankbar.“
Einige Kaminski-Höhepunkte für 2019: Das größte Event wird ein Konzert in Winterthur am 3. Oktober. Dort werden vom Musikkollegium Winterthur vier Orchesterwerke Kaminskis aufgeführt. Am 6. Oktober findet auch in der katholischen Kirche in Waldshut ein besonderes Konzert statt: Beim Festival „Kirchenmusik grenzenlos“ trägt dort die gebürtige Waldshuterin Susanne Rohn mit ihrem Motettenchor Bad Homburg Vokalwerke Kaminskis vor, und Kantor Matthias Flierl interpretiert einige Stücke des Organisten. Zusätzlich wird ab April im Kaminski-Archiv in Tiengen eine Kabinettpräsentation von Musik und Bildern gezeigt, die noch in der Staatsbibliothek München zu sehen ist. Infos im Internet (www.heinrich-kaminski.de).
Heinrich Kaminski
Heinrich Kaminski wurde am 3. Juli 1886 im Tiengener Schloss geboren. Nach einer Banklehre wurde ab 1907 sein musikalisches Talent entdeckt und von unterschiedlichen Mäzenen gefördert. 1930 erhielt er eine Professur und wurde Leiter einer Meisterklasse an der „Preußischen Akademie der Künste. Im gleichen Jahr erfolgte seine Berufung zum Städtischen Musikdirektor in Bielefeld. Nach dem Aufführungsverbot seiner Musik unter die Nazis zog er sich in die innere Emigration zurück, komponierte aber weiterhin bis zu seinem Tod am 21. Juni 1946 in Ried.