Die Corona-Pandemie hat unser Leben grundlegend verändert. Auch die Zahl der Kirchenaustritte im vergangenen Jahr hat die Krise offenbar beeinflusst. Mit 148 Menschen haben 2020 laut Standesamt Waldshut-Tiengen 48 weniger als 2019 die katholische und evangelische Kirche verlassen. Wegen der Pandemie war 2020 das Standesamt Waldshut-Tiengen nur beschränkt zugänglich. Persönlich dort zu erscheinen und das Entrichten einer Gebühr von 30 Euro sind aber Voraussetzung für einen Austritt.
„Einzelabsprachen waren erforderlich, die Abläufe waren aufwendiger und haben dazu geführt, dass beabsichtigte Kirchenaustritte zunächst zurückgestellt, aber zukünftig nachgeholt werden würden“, begründet Ralph Albrecht (Leiter Ordnungsamt Waldshut-Tiengen, dem das Standesamt angegliedert ist) den Rückgang. Nach seiner Aussage sind von Januar bis Ende März 2021 bereits 80 Austritte aus einer der beiden christlichen Kirchen erfolgt. Im Folgenden äußern sich zwei kirchliche Amtsträger und ein aktives Kirchenmitglied zu dem Thema.
Dekan Peter Berg (Leiter des katholischen Dekanatsverbands Waldshut mit 14 Seelsorgeeinheiten) geht davon aus, dass neben dem erschwerten Zugang zum Standesamt auch andere Gründe eine Rolle gespielt haben: „Corona hat die Menschen verunsichert, sie spüren, dass die Existenz nicht gesichert ist, sie an Grenzen kommen.“ Er kann sich deshalb gut vorstellen, dass der Einbruch von Existenzangst und Tod ins Leben die Menschen verstärkt zum Nachdenken gebracht hat – auch über den Glauben und ihre Beziehung zu Gott und zur Kirche. Einige hätten so gespürt oder erfahren, dass die Rückbindung an eine Glaubensgemeinschaft Halt geben könne.
Krestive Arbeit
Ein engagiertes Mitglied der katholischen Seelsorgeeinheit Mittlerer Hochrhein St. Verena ist Vera Giebels aus Breitenfeld. Ihrer Ansicht nach könnte der Rückgang bei den Austritten auch an der guten, kreativen Arbeit liegen, die in der Seelsorgeeinheit 2020 geleistet wurde: „Es gab viele neue Angebote, viele sind aktiv geworden, sind einbezogen und erreicht worden.“
Dekanin Christiane Vogel (Leiterin evangelischer Kirchenbezirk Hochrhein mit 17 Kirchengemeinden und Pfarrerin der Kirchengemeinde Waldshut) ist überzeugt, dass hinter dem Rückgang mehr steckt als verschlossene Amtstüren: „Wir spüren, dass gerade in der Coronazeit die Menschen neu suchen und fragen, viele entdecken gerade jetzt die Kirche neu.“ Nach Aussage der Dekanin hätten verstärkt auch Menschen Gottesdienste besucht, die vor der Corona-Pandemie nicht unbedingt gekommen wären.
Aber Christiane Vogel äußert auch Kritik. Wie Kircheneintritte, sollten ihrer Ansicht nach auch Kirchenaustritte in den Pfarrämtern und nicht auf den Standesämtern erklärt werden – dies, damit die Menschen hinter der Kirche kennengelernt werden könnten und persönliche Gespräche leichter möglich wären.