Der Aufbruch in die Moderne der damals 1800 Einwohner zählenden Stadt Waldshut wurde vom Fauchen und Zischen der Dampflokomotiven begleitet. Nachdem der von Mannheim in den Süden vorstoßende Eisenbahnbau im Jahr 1856 Waldshut erreicht hatte, wurde am 16. August 1859 die erste Eisenbahnverbindung über den Rhein zwischen Bodensee und Nordsee fertiggestellt.
Die ersten internationale Verbindung
Es war zugleich die erste internationale Verkehrsverbindung zwischen einem deutschen und einem ausländischen Eisenbahnnetz: Die Eisenbahnbrücke über den Rhein vom badischen Waldshut ins schweizerische Koblenz.

Seit 1. April 2023 ist die Brücke wegen Sanierungsarbeiten bis 29. Oktober für den Zugverkehr gesperrt. Mit einer Frischzellenkur soll sie im 164. Jahr ihres Bestehens für weitere 50 bis 60 Jahre fit gemacht werden.
Vertragspartner für den Bau der Brücke waren damals die Badischen Staatseisenbahnen und die Schweizerische Nordostbahn (NOB). Sie verfolgten die Idee einer großen internationalen Bahnverbindung von der Nordsee an den Hochrhein und von dort durch die Schweiz bis Mailand. Und zwischen Waldshut und dem nur etwa 17 Kilometer entfernten Turgi sollte die letzte Lücke zwischen den bereits bestehenden Bahnlinien bei Turgi und entlang des deutschen Hochrheinufers geschlossen werden.
Konstruktion und Bau
Konstrukteur der Brücke war der damals 37 Jahre alte deutsche Ingenieur Robert Gerwig, der unter anderem den Bau der Eisenbahnlinie von Waldshut nach Konstanz und später auch die Schwarzwaldbahn und die St. Gotthard-Linie plante. Die Herstellung des eisernen Brückenteils übernahm die Pforzheimer Eisengießerei und Maschinenfabrik der Gebrüder Benckiser, die Herstellungskosten teilten sich die beiden Bahngesellschaften.
Gerwig plante die Brücke mit einem Überbau aus schmiedeeisernem Gitterträger, der auf zwei Flusspfeilern aus rotem Sandstein und zwei Stützen an Land (massive Widerlager) ruht und auf Koblenzer Seite mit einem massiven Steinviadukt aus hellem Muschelkalk mit sechs gewölbten Öffnungen abschließt. Dank der geringen Wassertiefe des Rheins bei Waldshut konnte Gerwig für die Trockenlegung der Baugruben für die beiden Flusspfeiler einfache Fangdämme verwenden, also auf teure Druckluft-Senkkästen verzichten.

Der eiserne Überbau wurde vor Ort in einer dafür errichteten Werkstatt auf Waldshuter Seite angefertigt. Die angelieferten Profileisen wurden zu je drei 43 Meter langen Gitterkästen zusammengesetzt und dann zu einem 129,3 Meter langen Gitterträger verbunden. In einem Stück wurde dieser Überbau mit Muskelkraft und langen Hebeln über den Fluss vorgeschoben. Der gesamte Vorschub, der erste seiner Art in Deutschland, dauerte zehn Tage. Heute ist diese engmaschige Gitterträgerbrücke die letzte große Vertreterin ihres Konstruktionstyps in Deutschland.
So war die Eröffnungsfeier
Zur Eröffnungsfeier der neuen Eisenbahnbrücke am 16. August 1859 war laut eines Berichts im Alb-Bote von damals „die ganze Eisenbahnstrecke von Waldshut bis Turgi mehr oder weniger mit Gewinden von Blumen und Grün, mit Tannenbäumchen, mit Fahnen, Flaggen und Inschriften geschmückt.“ Der ebenfalls reich geschmückte Festbahnzug von Zürich her nahm um die Mittagszeit die badischen Gäste in Waldshut auf und fuhr dann wieder über den Rhein zurück.
Am 17. August 1859 liefen zwischen Waldshut und Turgi in jeder Richtung drei Züge zugunsten der Grenzgemeinden, „mit denen jeder kostenlos Lustfahrten machen konnte“. Die Züge wurden mit Musik begleitet. Der reguläre Zugverkehr über die neue Brücke begann am 18. August 1859.
Kein großer Grenzbahnhof mehr
Doch schon 14 Jahre nach der Inbetriebnahme dieser ersten internationalen Verbindung zwischen einem deutschen und einem ausländischen Eisenbahnnetz endete für Waldshut die Zeit als großer Grenzbahnhof. Jetzt wurde der Zugverkehr von Nord nach Süd über eine neue Rheinbrücke bei Basel abgewickelt. Eine erste größere Baumaßnahme an der Eisenbahnbrücke Waldshut-Koblenz/CH war 1912 die Verlegung des damals noch seitlich liegenden Gleises in die Mitte.
Beide Weltkriege überstand die Brücke unbeschadet, lediglich der Zahn der Zeit nagte an ihr: 1967 wurde wegen des Brückenalters Langsamfahrt angeordnet und 1978 ein neuer Korrosionsschutz aufgebracht. 1988 wollte die Deutsche Bahn (DB) die Strecke stilllegen, doch die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) spielten nicht mit. Die Bedenken der DB wurden 1991 mit umfangreichen Instandsetzungsarbeiten ausgeräumt, der Brücke wurde eine weitere Lebensdauer von 40 Jahren bei einer Überfahrtgeschwindigkeit von 45 Kilometern pro Stunde eingeräumt.
Dieses Tempo galt allerdings nur für die leichten Dieseltriebwagen der DB, nicht jedoch für die schwereren Züge der SBB, die im Jahr 1999 mit der Elektrifizierung der Strecke zwischen Koblenz/AG und Waldshut den Zugbetrieb übernahmen. Was zuletzt dazu führte, dass die sogenannten Domino-Züge nur mit 30 Kilometern pro Stunde über die Brücke durften und der schwere Motorwagen keine Passagiere mitnehmen konnte.
Die Sanierung läuft
Dies wird sich mit der seit 1. April laufenden Sanierung ändern, die von der DB und den SBB in Zusammenarbeit ausgeführt wird. Die Hauptarbeiten zur Wiederherstellung der vollen Funktionsfähigkeit der Brücke umfassen den Ersatz der Brückenlager aus dem Jahr 1858, den Ersatz des Sekundärträgers aus dem Jahr 1912 und die Erneuerung des Korrosionsschutzes von 1970. Die jetzt laufenden Arbeiten dauern voraussichtlich bis 29. Oktober 2023. Im Winter pausieren die Arbeiten, da der Korrosionsschutz nur im Sommerhalbjahr erfolgen kann.
Von April bis Oktober 2024 werden die restlichen der Korrosionsschutzarbeiten vorgenommen. Während dieser Phase ist der Bahnbetrieb nicht mehr betroffen. Die Sanierungskosten betragen rund 17 Millionen Euro und werden durch DB und SBB je zur Hälfte getragen.
Für die Bevölkerung dies- und jenseits des Rheins ist die Brücke nicht nur ein einzigartiges Industriedenkmal und schon deshalb erhaltungswürdig, sondern auch ein Verkehrsträger mit wieder wachsender Bedeutung. Werktäglich nutzten zuletzt 1700 Personen die zwischen Waldshut und Winterthur oder Baden und zurück verkehrenden Züge. Das ist für die deutschen Grenzgänger oder die nach Waldshut kommenden Schweizer Einkäufer inzwischen unverzichtbar, zumal es auch den Straßenverkehr entlastet.
Und so sieht es auf der Baustelle aus:
Die historische Eisenbahnbrücke wird saniert – Kommen Sie mit auf die Baustelle!