Es ist derzeit wohl einer der atemberaubendsten Arbeitsplätze, den die Region zu bieten hat: In luftiger Höhe über den Wassermassen des Rheins sind momentan etwa zwei Dutzend Gerütsbauer am Werk. Wo viele Menschen mit Schwindelanfällen zu kämpfen hätten, sind sie unter Einsatz von schwerem Gerät, Muskelkraft aber auch handwerklichem Geschick bei der Arbeit.

In luftiger Höhe befindet sich das Baugerüst, von dem aus die Arbeiten an der Stahlkonstruktion vorgenommen werden.
In luftiger Höhe befindet sich das Baugerüst, von dem aus die Arbeiten an der Stahlkonstruktion vorgenommen werden. | Bild: Baier, Markus

Sie sind die Vorhut, die die Vorbereitungsarbeiten leisten, auf deren Basis in Kürze die großangelegte Sanierungsmaßnahme der mit 164 Jahren ältesten noch bestehenden Eisenbahnbrücke über den Rhein über die Bühne gehen wird.

Und um sie geht es: Die historische Eisenbahnbrücke zwischen Waldshut und Koblenz, fotografiert von der Stahlbrücke zwischen dem ...
Und um sie geht es: Die historische Eisenbahnbrücke zwischen Waldshut und Koblenz, fotografiert von der Stahlbrücke zwischen dem deutschen und dem Schweizer Zoll. Die Aufnahme entstand vor Beginn der Bauarbeiten. | Bild: Peter Rosa

17 Millionen Euro wird das Ganze kosten. Und es ist ein Vorhaben, das es aus verschiedenen Gründen ganz schön in sich hat, wie Jakob Riediker sagt. Er ist Fachexperte für Ingenieurbauwerke bei der SBB und in dieser Funktion der Projektleiter beim Brückenbau.

Sicherheit genießt hohe Priorität

Die Sektorengrenze: Hier beginnt die eigentliche Brückenbaustelle.
Die Sektorengrenze: Hier beginnt die eigentliche Brückenbaustelle. | Bild: Baier, Markus

Aufgrund der Rahmenbedingungen rund um die Brücke gelten hohe Sicherheitsstandards, deren Einhaltung Riediker penibel einfordert. Ohne Helm und Weste darf beispielsweise niemand die Gleisanlage betreten. „Die Strecke ist zwar für den Bahnverkehr gesperrt, aber trotzdem ist hier einiges los“, stellt er schon vor Beginn der Baustellenbesichtigung klar.

Viel zu tun: Die SBB nutzt die Streckensperrung auch für weitere Arbeiten – unter anderem werden die maroden Kabelkanäle ausgetauscht.
Viel zu tun: Die SBB nutzt die Streckensperrung auch für weitere Arbeiten – unter anderem werden die maroden Kabelkanäle ausgetauscht. | Bild: Baier, Markus

Das hat nicht zuletzt mit den zusätzlichen Arbeiten zu tun, die die SBB im Rahmen der Streckensperrung durchführt, und für die sie zusätzlich zur Hälfte der Sanierungskosten noch anderthalb Millionen investiert. Unter anderem wird dabei die Tunnelanlage, die der Brücke auf Schweizer Seite folgt wurde genauer untersucht und instand gesetzt, die maroden Kabelkanäle entlang der Strecke werden gerade durch moderne ersetzt.

Der Tunnel südlich der Eisenbahnbrücke wurde bereits instandgesetzt. Unter anderem sollen hier in den nächsten Wochen auch ...
Der Tunnel südlich der Eisenbahnbrücke wurde bereits instandgesetzt. Unter anderem sollen hier in den nächsten Wochen auch Rettungsübungen der Feuerwerhr abgehalten werden. | Bild: Baier, Markus

Im weiteren Streckenverlauf in Richtung Südosten werden in den kommenden Monaten sogar zwei kleinere Brücken in den Fokus rücken: Eine werde durch ein neues Bauwerk ersetzt, die andere ebenfalls instand gesetzt, erklärt Riediker: „Wir bemühen uns einfach, die Streckensperrung möglichst effektiv zu nutzen.“ Dazu zähle auch, dass Mitglieder von Feuerwehr und anderen Organisationen in den nächsten Wochen aufwendige Übungen abhalten werden.

Die Brücke: Ein komplizierter Fall

Monumentales Bauwerk: Die Bausubstanz der Brücke ist nicht schlecht. Nach der Sanierung soll die Brücke noch mindestens 50 Jahre ...
Monumentales Bauwerk: Die Bausubstanz der Brücke ist nicht schlecht. Nach der Sanierung soll die Brücke noch mindestens 50 Jahre weiterbetrieben werden. | Bild: Baier, Markus

Eigentliches Herzstück der Arbeiten ist aber natürlich die große Eisenbahnbrücke, die Waldshut über den Rhein hinweg mit der Schweizer Nachbarkommune Koblenz verbindet. Dabei sind natürlich die durchaus einmaligen Besitzverhältnisse zu berücksichtigen was umfangreiche Absprachen zwischen Deutscher Bahn und SBB erfordert.

Die Schweizer Bahn ist seit 1956 für den Streckenbetrieb verantwortlich, die deutsche Seite für die technische Betreuung. Die Sanierungskosten von 17 Millionen Euro teilen sich beide Seiten allerdings. Zwar werden die Arbeiten gemeinsam durchgeführt. Dennoch ist die Baustelle in deutsche und Schweizer Sektoren eingeteilt.

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Baumaterialien stellen Herausforderungen dar

Auf der Brücke werden Teile des Gleises entfernt, um das Gerüst zu installieren.
Auf der Brücke werden Teile des Gleises entfernt, um das Gerüst zu installieren. | Bild: Baier, Markus

Auch das Alter des Bauwerks stellt die Bauexperten unserer Zeit durchaus vor Herausforderungen, sagt Jakob Riediker: „Dass für die Konstruktion Puddeleisen verwendet wurde, ist nur eine von vielen technischen Herausforderungen.“ Dieses Material sei ein Vorläufer des modernen Baustahls, allerdings nicht schweißbar.

Hinzu kommt der für die Konservierung des Metalls verwendete Korrosionsschutz – insbesondere das hochgradig gesundheitsgefährdende Bleimennige, ein orangefarbenes Material, das einstmals als Grundierung für den Korrosionsschutz verwendet wurde, so Riediker weiter: „Das macht es erforderlich, dass wir das Bauwerk mit Unterdruckzelten einhausen, wenn wir hier arbeiten.“

Der Gleiswechsel markiert den Übergang vom Viadukt auf die Stahlbrücke.
Der Gleiswechsel markiert den Übergang vom Viadukt auf die Stahlbrücke. | Bild: Baier, Markus

Dabei werde die Luft abgesaugt und über Filteranlagen gereinigt. So soll der Austritt schädlicher Stäube verhindert werden. Insgesamt drei solche Zelte werden in den nächsten Monaten auf der Brücke errichtet.

Nicht minder aufwendig ist das Geflecht aus Metall-Streben, das der Brücke ihr charakteristisches Aussehen verleiht: „Die Verstrebungen sind so engmaschig, dass wir hier nicht mir großem Gerät arbeiten können, sondern bei der Entfernung der Schutzfarbe vieles von Hand gemacht werden muss.“

Unterm machen solche Faktoren das Gesamtvorhaben langwieriger als es bei Brücken neueren Baujahrs der Fall wäre, fasst es Riediker zusammen. Letztlich wurden die Arbeiten auf zwei Jahre aufgeteilt: Dieses Jahr sei die obere Hälfte der Anlage dran – also die Gleise, die Aufleger und sonstige Technik. Nächstes Jahr werde der Korrosionsschutz folgen. Dies sei ohne Streckensperrung machbar, führt Riediker weiter aus.

Das passiert in den nächsten Monaten

Über 100 Jahre sind die Bauteile des Gleises auf der Brücke alt. Inzwischen sind die Teile zerschlissen.
Über 100 Jahre sind die Bauteile des Gleises auf der Brücke alt. Inzwischen sind die Teile zerschlissen. | Bild: Baier, Markus

Im Zuge der Maßnahmen an der Gleisanlage wird auf dem markanten Viadukt auf Schweizer Seite die Abdichtung ersetzt. Hier werde ein modernes Betongemisch verwendet, das voraussichtlich im Juli und August eingebaut wird, sagt Jakob Riediker.

An der 130 Meter langen Stahlbrücke über den Rhein werden die Aufleger der Schiene ersetzt. Diese seien noch Original-Teile aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und seien nun einfach abgenutzt, schildert Riediker das Problem: „Wir bauen hier moderne Kalotten-Lager ein.“ Diese ermöglichten den Ausgleich temperaturbedingter Spannungen der Anlage.

In diesem Zusammenhang werde die komplette Schienenanlage angehoben, was auch den Austausch der über 100 Jahre alten Fahrbahnträger sowie der teils maroden Holzschwellen ermögliche.

Shuttle-Service funktioniert

Der Schienenersatzverkehr funktioniert. Allerdings sind die Busse den Unwägbarkeiten des Straßenverkehrs unterworfen.
Der Schienenersatzverkehr funktioniert. Allerdings sind die Busse den Unwägbarkeiten des Straßenverkehrs unterworfen. | Bild: Baier, Markus

Bis Oktober soll laut Planung die Sanierung der für den Fahrbetrieb notwendigen Teile der Anlage abgeschlossen und die Strecke wieder für den Betrieb freigegeben werden. Bis dahin verkehrt ein Bus-Shuttle zwischen den Bahnhöfen Waldshut und Koblenz: „Je nach Passagieraufkommen haben wir in den Stoßzeiten bis zu drei Busse gleichzeitig auf der Strecke“, so Riediker.

Die technische Herausforderung bestehe darin, dass diese sich während der Fahrt über die Grenzbrücke ins Linienverkehrs-System des jeweiligen Landes einwählen müssten – was allerdings reibungslos funktioniere.

Überhaupt laufe der Ersatzverkehr weitgehend problemlos: „Aber wir sind natürlich von den Verkehrsverhältnissen auf der Straße abhängig. Da kommt es im Vergleich zum Bahnverkehr zwangsläufig zu Verzögerungen.“ Bislang zeigten die täglich mehreren hundert Nutzer des Angebots aber größtenteils Verständnis, so Riediker.

Warum Sanierung und nicht Neubau?

Aus Granit sind die Viadukte gebaut. Die Abdichtung auf der Oberseite soll nun erneuert werden.
Aus Granit sind die Viadukte gebaut. Die Abdichtung auf der Oberseite soll nun erneuert werden. | Bild: Baier, Markus

Unterm Strich betrachtet ist der Aufwand für die Sanierung der 164 Jahre alten Eisenbahnbrücke wahnsinnig hoch, die Anforderungen, die technisch wie mit Blick auf den Umweltschutz bewältigt werden müssen sind enorm. „Die Sanierung eines alten Bauwerks ist natürlich immer auch mit großen Herausforderungen verbunden“, ergänzt Jakob Riediker. Und: „Die Sanierung einer modernen Brücke wäre wegen der vielen Details an diesem Bauwerk wahrscheinlich in der Hälfte der Zeit möglich.“

Wären da Abriss und Neubau der Brücke nicht wesentlich einfacher gewesen? Konfrontiert mit einer solchen Frage winkt Riediker ab: „Nein, trotz allem ist das die wirtschaftlichste Lösung.“

Denn nicht nur die Bausubstanz, bei der die aus Granitblöcken gefertigten Bögen des Viadukts in Koblenz nur das augenscheinlichste Merkmal bilden, sei im Grunde „für die Ewigkeit“ gedacht, wie Riediker mit Augenzwinkern festhält.

Die gesamte Anlage sei unter fachlichen Gesichtspunkten betrachtet durchaus noch gut in Schuss: „Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass die Brücke nie unter der Belastung gelaufen ist, für die sie ursprünglich konzipiert war.“ Insbesondere sei sie nie den Belastungen von Güterverkehr ausgesetzt worden – sonst lägen die Dinge heute womöglich ganz anders, schildert der Experte.

Insofern stehe nach Abschluss der Arbeiten einem Weiterbetrieb der Brücke für mindestens 50 bis 60 Jahre nichts mehr im Weg. Das sei im Übrigen mehr, als man von manchem Bauwerk neueren Datums erwarten könnte, sagt Riediker.

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