Der Lärmaktionsplan der Stadt Waldshut-Tiengen nimmt weiter Form an. Den Weg zur Aufstellung machte jetzt der Gemeinderat frei – mit einem deutlichen Ja, aber auch mit drei Enthaltungen. Mit dem Aufstellungsbeschluss verbunden ist die Beteiligung der Öffentlichkeit und der Träger öffentlicher Belange, also weiterer Behörden und Verbände.

In neun Jahren wenige Fortschritte bei Lärmbekämpfung

Alexander Colloseus vom Ingenieurbüro Fichtner Water & Transportation GmbH war im Gemeinderat von Waldshut-Tiengen schon des Öfteren zu Gast. So auch in der jüngsten öffentlichen Sitzung am vergangenen Montag. Thema war wie die Male davor der lokale Straßenlärm und die Maßnahmen, die ihn leiser machen sollen.

Wiederum machte Colloseus gleich zu Beginn seiner Ausführungen klar: Straßenlärm beschäftige die Deutschen und mache sie krank. Der Planer sprach von einem „akuten Handlungsbedarf“ für die Doppelstadt.

Mit dem Beschluss vom Montag geht die Lärmaktionsplanung in der Stadt bereits in Runde vier. 2016 wurde der aktuell geltende Lärmaktionsplan für Waldshut-Tiengen beschlossen. Aber gehandelt wurde seitdem wenig. Vieles von dem, was vor neun Jahren vorgeschlagen wurde, bis heute nicht umgesetzt. Wofür die Stadt nichts kann, denn etwa Lärmschutzwände an der B 34 aufzustellen, wäre Sache des Bundes. Dass dies noch kommt, ist nicht zu erwarten. „Wird nicht weiterverfolgt“, heißt es im aktuellen Erläuterungsbericht, der den Gemeinderäten von Waldshut-Tiengen vorlag.

Etliche neuralgische Stellen im Stadtgebiet

Gemäß den aus dem Verfahren heraus entstandenen Lärmkarten sind naturgemäß die Bereiche B 34 (Basler Straße, Eisenbahnstraße und Konstanzer Straße), A 98 und L 159 und 161 die neuralgischen Punkte. Es sind Straßen, die von mehr als 8200 Fahrzeugen pro Tag befahren werden.

Für Straßen mit solchen Werten ist ein Lärmaktionsplan verpflichtend. Freiwillig kann eine Kommune aber auch schon Straßen miteinbeziehen, die nur bei der Hälfte der Belastung liegen. Das hat Waldshut-Tiengen getan. So würdigte Colloseus die jetzt vorliegende Lärmaktionsplanung seines Büros auch als die bisher umfangreichste.

Tempolimits sollen Krach reduzieren

Das Gros der Vorschläge, die sein Büro aktuell zwecks Besserung der Lage macht, liegt im Bereich der Geschwindigkeitsreduzierung. Für Autofahrer bedeutet das: Runter vom Gas und das weitgehend auf Tempo 30. Diese Höchstgeschwindigkeit könnte nachts, also zwischen 22 und 6 Uhr, auf der L 159, der Ortsdurchfahrt von Tiengen, kommen, ebenso wie nachts auf der L 161, der Schlüchttalstraße in Gurtweil. Ganztägig gar steht Tempo 30 auf der Gurtweiler Straße und auf der Rathausstraße in Gurtweil im Raum. Tempo 50 nachts könnte für die B 34 im Abschnitt Liedermatte/Unter der Steigtrotte kommen, wo bisher noch ganztags eine Höchstgeschwindigkeit von 70 Kilometern pro Stunde erlaubt ist, so die Planung.

„Alle Maßnahmen sind anhand der Prüfung als empfehlenswert einzustufen“, hält der Erläuterungsbericht des Planungsbüros fest. Und: „Bei den Beschränkungen auf der B 34 und der L 159 deuten die sehr hohen Lärmbelastungen in der heutigen Situation auch auf eine Pflicht zum Einschreiten hin.“ Nachts Tempo 30 auf der L 159, der Ortsdurchfahrt von Tiengen, einzuführen, könnte den Lärm um bis zu 2,2 Dezibel reduzieren: klingt wenig, stellt prozentual aber eine beträchtliche Verminderung dar.

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Bund und Land nicht an Plan gebunden

Den Einbau lärmmindernder Fahrbahndeckschichten, dem sogenannten Flüsterasphalt, schlagen die Planer auf der B34 in den Bereichen Liedermatte, Eisenbahnstraße und Schmittenau vor, ebenso auf der B500 (St. Blasier Straße), der Ortsdurchfahrt Tiengen (L159) und der Ortsdurchfahrt Gurtweil (Schlüchttalstraße, L 161). Deutlich wurde aber auch: Realistisch ist das nur, wenn die entsprechenden Straßen ohnehin aufgrund weiterer Maßnahmen aufgerissen werden müssten. Hierfür sei der jeweilige Straßenbaulastträger zuständig, also Bund oder Land, der aber nicht an die Vorgaben des Lärmaktionsplans gebunden sei.

Deutlich wurde auch: Die B 34, die Hauptschlagader des Verkehrs durch die Doppelstadt, dafür ganz oder auch nur teils zu sperren, bedeute Chaos. Und wäre 2026/27 geradezu Wahnsinn, werde die Straße doch während der Sperrung der Hochrheinbahn 2026/27 händeringend gebraucht.

So reagierten die Stadträtinnen und Stadträte

In der Aussprache sagte Stadtrat Harald Würtenberger (FW): „Ich bin jetzt schon 17 Jahre im Gemeinderat und bisher hat sich mir gegenüber noch keiner wegen Lärm belästigt gefühlt.“ Das Thema werde der Stadt „von außen übergestülpt“. Führe man Tempolimits ein, sinke auch die Kapazität der Straße, was zu noch mehr Staus führe, so Würtenberger. Colloseus widersprach: „Die Kapazität der Straße bleibt auch mit Tempo 30 gleich.“

Stadträtin Claudia Linke (Grüne) wies darauf hin, dass der Gemeinderat eigentlich schon früher, bis spätestens 18. Juli 2024, sich mit dem Thema hätte erneut befassen müssen. Oberbürgermeister Martin Gruner begründete die Verzögerungen mit beschränkten Personalressourcen in der Stadtverwaltung.

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Stadträtin Claudia Hecht (SPD) fragte, ob die Stadt auch lärmsteigernde Manipulationen an Fahrzeugen sogenannter Poser ahnden könne. Ralph Albrecht, Leiter des Ordnungsamts, erklärte, dass dies nicht möglich sei. Dazu den fließenden Verkehr anzuhalten, um die Fahrer zur Verantwortung zu ziehen, habe die Stadt kein Recht.

Stadtrat Harald Ebi (FDP) wollte wissen, warum nur der Straßenlärm und nicht auch der Lärm der Bahn und der Industrie einbezogen werde. Colloseus nannte dafür administrative Gründe.