Mechthild Frey-Albert, Sie stammen aus einer alten Bonndorfer Familie, geboren in der Babyboomer-Zeit. Sie haben einen Doppelnamen, der Ihren Mädchennamen enthält. War das damals noch eine Fragestellung?
Das war eine ganz bewusste Entscheidung von mir. Da ich mit fünf Schwestern aufgewachsen bin, die zum Großteil vor mir geheiratet und die Namen ihrer Ehemänner angenommen haben, wollte ich den Namen Frey auf jeden Fall beibehalten, um ihn noch eine Generation weiter zu tragen. Dazu hat auch noch gepasst, dass mein Mann einen kurzen Nachnamen hat.
Glauben Sie, Ihre Mutter hätte auch ihren Namen behalten, wenn sie gekonnt hätte?
Für meine Mutter war das damals gar keine Frage. Sie hat gern den Namen ihres Mannes angenommen.
Morgen ist der Internationale Tag der Frau. Was bedeutet der für Sie?
An diesem Tag machen Frauen weltweit auf Chancengerechtigkeit und Gleichstellung aufmerksam und setzen sich für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben ein. Frauen machen 50 Prozent der Bevölkerung aus und sollten in den genannten Bereichen entsprechend vertreten sein. Ich finde es wichtig, diesem Tag Aufmerksamkeit zu geben und unterstütze die Forderungen nach Geschlechtergerechtigkeit.
Sie sind seit vielen Jahren Gemeinderätin. Erleben Sie im Täglichen Zurücksetzungen, von denen Sie glauben, dass sie Männern nicht passieren?
Auf die Gemeinderatsarbeit bezogen fällt mir aktuell keine Situation ein.
Wie begegnen Sie solchen Respektlosigkeiten in anderen Umfeldern?
Mittlerweile ignoriere ich Respektlosigkeiten, die mir in anderen Bereichen begegnet sind.
Zum Thema 100 Jahre Wahlrecht hatten sich die örtlichen Stadträtinnen – für die Wahlen 2019 – parteiübergreifend zusammengetan mit anderen bewegten Frauen und in Veranstaltungen deutlich gemacht, wie wichtig die Teilhabe von Frauen in der Öffentlichkeit ist. Welche Erfolge haben Sie damit erzielt?
Allein schon, dass sich die Frauen über alle Fraktionen mit dem gemeinsamen Ziel zusammengetan haben, mehr Frauen für die politische Arbeit zu gewinnen, war ein Erfolg. Hier haben uns die Vordenkerinnen gezeigt, wie wichtig es ist, sich zu solidarisieren und für gemeinsame Ziele einzustehen und zu spüren: ‚Gemeinsam sind wir stark‘. Wir haben wieder sechs Frauen im Gemeinderat.
„Frauen in die Politik“ heißt das Aktionsprogramm, an dem Sie über den Landkreis jetzt neuerdings teilnehmen. Warum meinen Sie, ist das immer noch nötig?
Weil Frauen in den Entscheidungsgremien stärker vertreten sein müssen, um selbstbewusst für sich, ihre Anliegen und die der gesamten Gesellschaft, einzustehen. Ich finde es klasse, dass mit diesem Aktionsprogramm die Partizipation von Frauen vorangebracht werden soll und bin gespannt auf die erste Veranstaltung der Steuerungsgruppe, die sich für unseren Landkreis am 18. März trifft.
Sie sind Mutter eines Sohnes – und einer Tochter. Welchen Stellenwert haben klassische Geschlechterrollen in Ihrer Erziehung gehabt?
Die eigene Sozialisation hat sicher eine Rolle gespielt, jedoch haben wir als Eltern immer versucht, einen partnerschaftlichen Erziehungsstil zu leben, in dem jede*r verschiedene Rollen eingenommen hat, die für uns gepasst haben. Eine klassische Geschlechterrollenverteilung hatte nicht mehr den Stellenwert wie bei meiner eigenen Erziehung. Der Fokus lag bei der Erziehung unserer Kinder darauf, dass sich zwei eigenständige, gesunde und starke Persönlichkeiten entwickeln, egal welchen Geschlechts.
Es wird wieder viel und in weiß geheiratet. Die Corona-Zeit hat wieder stärker auf das Privatleben zurückgeworfen. Erleben Sie eine neue Innerlichkeit, vielleicht sogar Rückschritte bezüglich Gleichberechtigung?
Ich denke tatsächlich, dass die Hauptlast der Betreuungsarbeit während der Pandemie in der Tendenz eher bei den Frauen lag. Auch haben Frauen die Erwerbsarbeit mehr als ihre Partner zugunsten der Kinderbetreuung zurückgestellt, was auch wieder mit der Einkommenssituation zu tun hat.
Wie leicht geht Ihnen das Sternchen-Gendern von der Hand oder auch aus dem Mund?
Generell möchte ich Wert auf eine geschlechtergerechte Sprache legen, da dies auf dem Weg zur Geschlechtergerechtigkeit für mich dazugehört. Ich bin in der MAV (Mitarbeiter*innen-Vertretung) im Caritasverband und lege speziell in diesem Bereich besonderen Wert auf geschlechtergerechte Sprache, da wir einen großen Anteil von Kolleginnen vertreten und das sollte in der Sprache erkennbar sein. Ich bevorzuge dabei lieber die Version: ‚liebe Kolleginnen und Kollegen‘.
Haben Sie eine Vision von der Gesellschaft 2040 und ihrem Umgang miteinander?
Meine Vision von der Gesellschaft 2040: Geschlechtergerechtigkeit in den verschiedenen Lebensbereichen des politischen, bürgerlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und religiösen Lebens – vielleicht gibt‘s ja 2040 eine Päpstin. Das geschieht halt nicht automatisch, deswegen ist es notwendig, ständig und proaktiv an dem Thema dranzubleiben, Frauen und Männer zu ermutigen, sich respektvoll und offen für Geschlechtergerechtigkeit einzusetzen und in einem konstruktiven Miteinander unsere vielfältiger werdende Gesellschaft zu gestalten.
Wächst aus Ihrer Sicht Geschlechtergerechtigkeit auch, wenn Erziehungszeiten von Männern als normaler angesehen werden, oder Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter deutlich mehr Männer als Erzieher gegenüber stehen?
Das kann man tatsächlich als Thema sehen. Eine Normalität würde helfen, dass Menschen jedes Geschlechts schnell zum Kinderabholen gehen oder an sogenannten ‚wichtigen Sitzungen‘ nicht teilnehmen, weil sie die Kinder als das wahrnehmen, was sie sind, nämlich wichtiger. Das geht auf gesellschaftlicher Ebene aber erst, wenn auch die sogenannten weichen Berufe – auch in Bezug auf die Entlohnung – auf einen andern Stand gehoben werden und entsprechend ihrer Wichtigkeit entlohnt werden.