Wenn Firuze Köycu und Miguel Pindi an diesem Samstag erstmals die Schulbank an der Kaufmännischen Schule in der Waldshuter Friedrichstraße drücken, haben sie ihren Lehrer ganz für sich allein. Denn die 25-jährige Bonndorferin und der 24-jährige Lauchringer sind die ersten und bislang einzigen Studenten eines neuen Bachelor-Studiengangs im Landkreis Waldshut. In Kooperation mit der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) in Bielefeld bietet die Kaufmännische Schule Waldshut, deren Schulträger der Landkreis ist, ein berufsbegleitendes Studium der Betriebswirtschaftslehre (BWL) an.

„Das Angebot richtet sich an alle, die bereits eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen haben“, erklärt Magnus Sauerborn, Lehrer an der Kaufmännischen Schule und Leiter des neuen Studienzentrums, bei einem Pressetermin vor dem Semesterbeginn. Da 50 Prozent der kaufmännischen Ausbildung für das Studium angerechnet werden, können die Absolventen in nur zwei Jahren einen Bachelor-Abschluss erlangen. „Das ist insbesondere für die Betriebe interessant, um Personalbindung zu betreiben“, berichtet Magnus Sauerborn, der wegen des neuen Studien-Angebots bereits mit Unternehmen aus der Region in Kontakt stehe.

Auch Firuze Köycu und Miguel Pindi haben jeweils eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen. Nach ihrem Abitur in Titisee-Neustadt ließ sich Köycu zur Kauffrau für Büromanagement bei der Geschwister May OHG, die Einzelhandelsgeschäfte in Waldshut, Laufenburg und Bad Säckingen betreibt, ausbilden. „Ich arbeite nach wie vor in Waldshut und möchte mich gerne weiterbilden“, erklärt die Bonndorferin, warum sie sich für das Studium entschieden hat. „Ich freue mich auf die neue Herausforderung und bin froh, dass ich fürs Studieren nicht woanders hinziehen muss“, fügt die 25-Jährige im Gespräch mit dieser Zeitung hinzu.

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„Es ist ungewöhnlich, dass wir nur zwei Leute sind“, sagt Miguel Pindi schmunzelnd. Seine neue Klassenkameradin Firuze Köycu sieht darin einen großen Vorteil: „So hat der Lehrer mehr Zeit für uns.“ Pindi hat seine Ausbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann beim Baustoffhändler Raab Karcher in Bernau gemacht. „Vor einem Jahr habe ich ausgelernt und arbeite seitdem am Standort in Waldshut-Tiengen“, erzählt der Lauchringer. Ein Studium sei zwar keine Voraussetzung, um Teamleiter zu werden, aber „ich möchte mir neue Fähigkeiten aneignen“, erklärt der 24-Jährige seine Motivation.

Willkommensboxen für die neuen BWL-Studenten (von links): Christian von der Heyden (FHM Bielefeld), Markus Siebold (Landratsamt ...
Willkommensboxen für die neuen BWL-Studenten (von links): Christian von der Heyden (FHM Bielefeld), Markus Siebold (Landratsamt Waldshut), Studentin Firuze Köycu, Annika Quakernack (FHM Bielefeld), Student Miguel Pindi und Magnus Sauerborn (Kaufmännische Schule Waldshut). | Bild: Juliane Schlichter

Christian von der Heyden, Leiter des Instituts für Fernstudium an der FHM Bielefeld, betonte in Waldshut, dass es auch möglich gewesen wäre, den Abschluss im reinen Fernstudium zu erlangen. „Aber es ist gut für Sie, wenn die Betreuung vor Ort stattfindet. Und wer könnte das besser als die Lehrkräfte an der Kaufmännischen Schule“, erklärte der Hochschullehrer, dessen Ansicht nach gleich vier Gruppen von dem Konzept profitieren.

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Zum einen nannte er die Studierenden: „Sie können hier wohnen bleiben und müssen sich keine teure Wohnung in Freiburg suchen“, so Christian von der Heyden. Als Zweites profitiere die Schule: „Sie kann zwar keinen Bachelortitel verleihen – das machen wir –, aber sie kann sich profilieren“, erklärte der Norddeutsche. Und schließlich sieht er einen Vorteil sowohl für den Landkreis als Hochschulstandort als auch für die hiesigen Unternehmen. „Die Absolventen sind für die Wirtschaft im Raum Waldshut verloren, wenn sie nach dem Studium in Freiburg bleiben“, so der Hochschulprofessor.

Markus Siebold, beim Landratsamt Waldshut zuständig für die Kreisschulen, erwähnte, dass der Landkreis seit 2017 mit der FHM Bielefeld zusammenarbeite. Im November werde der dritte Jahrgang im Studiengang Bachelor of Arts für Sozialpädagogik und Management an der Justus-von-Liebig-Schule verabschiedet. „Wir werden dieses Studienmodell weiter ausbauen“, erklärte Siebold und kündigte an, dass im Landkreis Waldshut ein Standort der FHM Bielefeld eingerichtet werden soll.

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