Mit Martin Gruner ist am 20. Oktober der vierte Oberbürgermeister von Waldshut-Tiengen sein Amt angetreten. Vor dem jüngst verabschiedeten Philipp Frank waren erst Franz-Joseph Dresen (von 1975 bis 1991) und anschließend Martin Albers (von 1991 bis 2015) Rathauschefs der Großen Kreisstadt. Waldshut-Tiengen wurde nämlich erst im Zuge der Gemeindereform 1975 zur Doppelstadt wurde.

Ein Rückblick auf zwei Pioniere, die ihre Fußspuren in Waldshut-Tiengen hinterlassen haben:

Franz-Joseph Dresen (Im Amt 1975 – 1991)

Wie kommt ein 33-jähriger Niedersachse auf den Stuhl eines Oberbürgermeisters im südbadischen Waldshut-Tiengen? Es waren wohl die Turbulenzen um die Gründung einer Doppelstadt, die den kommunalpolitischen Neuling ins Waldshuter Rathaus spülten. Es war, wie sich zeigte, eine gute Fügung für die Stadt.

Franz-Joseph Dresen war der erste Oberbürgermeister der 1975 neu entstandenen Doppelstadt Waldshut-Tiengen. Bild: Heinz J. Huber
Franz-Joseph Dresen war der erste Oberbürgermeister der 1975 neu entstandenen Doppelstadt Waldshut-Tiengen. Bild: Heinz J. Huber

Als der junge Ministerialbeamte 1974 eines Abends im Hotel „Schwanen“ Quartier bezog, standen Waldshuter CDU-Stadträte als Begrüßungskomitee und Kofferträger bereit. Den meisten Bürgern der neuen Stadt war der Ankömmling unbekannt, ihm selbst war der Hochrhein aus seiner Ausbildungszeit als Jurist vertraut.

Die neu formierte Stadt muss in die Gänge kommen

Noch ging es nicht um den OB-Job, sondern erst einmal um das Gesellenstück eines Amtsverwesers. Nach dem Spruch der Verwaltungsrichter musste die per Gesetz neu formierte Stadt in die Gänge kommen, hatte aber noch keine Strukturen, nachdem die Klage der Stadt Tiengen im Raum gestanden hatte.

Als sich Franz-Joseph Dresen dem (an Köpfen) gewaltigen Übergangsgemeinderat vorstellte, ging es um die Rolle des „Amtsverwesers“, der die Zeit bis zur Volkswahl des Stadtoberhauptes überbrücken sollte.

Mann von Außen als neutraler Vermittler

Diese erste Etappe verlief erstaunlich plangemäß, bedenkt man, dass im Gemeinderat, der nur in wenigen Sporthallen der neuen Kommune Platz fand, auch Parteifreunde saßen, die sich vor wenigen Wochen noch mit Flugblättern und in öffentlichen Reden bekämpft hatten.

Der Mann von außen wurde mehr und mehr als neutraler Vermittler wahrgenommen. Dresen wuchs in die Rolle hinein und gewann Zustimmung auf allen Seiten.

Aus dem Verweser wird der erste OB

Die freundliche Distanz des Norddeutschen nach allen Seiten überzeugte offenbar auch das Wahlvolk, das dem „Verweser“ auch die Meisterprüfung abnahm, als er 1975 im ersten Durchgang zum Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt gewählt wurde. Die nicht mehr ganz so tiefen Gräben verliefen aber nach wie vor weniger zwischen den Parteien als zwischen den Stadtteilen.

Vor allem die größte Fraktion, die CDU, tat sich schwer. Der Neue im Rathaus zeigte Gespür für die richtigen Signale, vor allem in Richtung der durch den Verlust der Selbstständigkeit schwer getroffenen Tiengener.

Dienstsitz in Waldshut, Wohnsitz in Tiengen

Zum Beispiel war der Dienstsitz im größten Stadtteil Waldshut, die Wohnung aber nahm das Ehepaar Dresen im Tiengener Bürgermeisterwohnhaus. Als der Vitibuckturm der kleineren Stadt in Flammen aufging, stimmte der Verwaltungschef einem sofortigen Wiederaufbau sofort zu, trotz leerer Stadtkasse.

Apropos Finanznot: Sehr viel später räumte der Gründerbürgermeister von Waldshut-Tiengen ein, dass ihm die Finanzmisere der ersten Jahre wohl geholfen habe, den Gemeinderat zu zügeln. Wäre mehr auf dem Konto gewesen, dann wären auch die Verteilungskämpfe heftiger geworden, war er überzeugt.

Die ersten Jahre der Ära Dresen waren denn auch keine Jahre der großen Baudenkmäler. In den Rathäusern der zwei Städte und zehn Dörfer hatte sich vor dem politischen Zusammenschluss wohl so etwas wie Torschlusspanik breit gemacht – die Gemeindesäckel leerten sich. Dennoch brachte der OB in Waldshut und Tiengen nach 1975 nachhaltige Veränderungen auf den Weg.

Neues Gesicht für die Innenstädte

Die Waldstadt kam mit der Sanierung Altstadt-Nord an die Geldtöpfe des Bundes, die nördliche Hälfte der Altstadtschale zwischen Viehmarkt und Seltenbach bekam ein neues Gesicht. In Tiengen flossen Landesmittel für die Erneuerung der City.

Die neue Kreisstadt hatte Fahrt aufgenommen, als Oberbürgermeister Franz-Joseph Dresen 1991 nach zwei Amtsperioden auf eine dritte Amtszeit verzichtete; mit 48 Jahren jung genug, um freiberuflich noch eine Karriere als Rechtsanwalt zu starten. Der gesundheitlich angeschlagene Alt-OB starb im März 2022 mit 80 Jahren.

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Martin Albers (Im Amt 1991 – 2015)

Die prägende Ära von 24 Amtsjahren des Martin Albers begann so holprig wie geräuschvoll. Nachdem Vorgänger Franz-Joseph Dresen (CDU) 1991 eine Wiederkandidatur abgelehnt hatte, brachen in der CDU-Stadtratsfraktion alte Risse wieder auf.

Von 1991 bis 2015 war Martin Albers Oberbürgermeister von Waldshut-Tiengen – mit 24¦Jahren der längste Amtsinhaber bisher. Bild: Luisa ...
Von 1991 bis 2015 war Martin Albers Oberbürgermeister von Waldshut-Tiengen – mit 24¦Jahren der längste Amtsinhaber bisher. Bild: Luisa Rische | Bild: Archiv

Die Unions-Mehrheit entschied sich zunächst für einen Geschäftsführer aus Konstanz als OB-Kandidat. Die Waldshuter Christdemokraten stellten sich dagegen hinter den Juristen Martin Albers aus dem mittelbadischen Achern, der entgegen einer ursprünglichen Absprache bei seiner Bewerbung blieb.

Zwei CDU-Kandidaten auf dem Stimmzettel

Die Wähler fanden also zwei CDU-Kandidaten auf dem Stimmzettel. Trotzdem bekam der Erste Landesbeamt aus dem Waldshuter Landratsamt im ersten Wahlgang vom Volk eine satte Mehrheit.

Auch Albers, damals 38 Jahre alt, fand zunächst einmal leere Kassen vor, wiederholt musste er in 24 Amtsjahren Sparmaßnahmen verordnen, vom Winterdienst bis zur Vereinsförderung. Ein großes Thema wurde für den vierfachen Vater das Ende und Erbe der Lonza-Werke.

Die Totenglocke des Chemiewerks zwischen Waldshut und Tiengen, einst größter Arbeitgeber der Stadt, schlug im Jahr von Albers erster Wahl. 1993 gingen die letzten Arbeitnehmer nach Hause.

Die hässliche und zerfallende Industrieruine prägte mehr als ein Jahrzehnt die Optik entlang der Bundesstraße 34 zwischen den Stadtteilen. Die Stadt wollte hier neues wirtschaftliches Leben, der besitzende Konzern möglichst viel Geld.

Aus Industriebrache wird Gewerbepark

Die Stadt wollte hier aber auch kein Handelszentrum, das die Innenstädte in Tiengen und Waldshut gefährdet hätte. Schließlich kam man zusammen, im März 2004 gab es einen Städtebaulichen Vertrag, im Herbst war Baubeginn. Heute sind alle Gewerbeflächen bebaut oder zumindest verkauft.

Der Streit um die Entfaltung des Einzelhandels auf den Gewerbeflächen der Kreisstadt, aber auch um die Wettbewerbsfähigkeit der Innenstädte, ging weiter. Mit dem Ergebnis, dass Anbieter mit großem Flächenbedarf und bestimmten Produkten in begrenztem Umfang auf die „grüne Wiese“ dürfen.

Mit dem Gewerbepark Hochrhein, den Gewerbeansiedlungen in der Tiengener Weststadt, in der Schmittenau oder auf dem ehemaligen Waldshuter Güterbahnhof wuchs auch die finanzielle Basis der Stadt, stiegen die Steuereinnahmen.

Investition in Kindergärten und Schulen

Ein weiterer Schwerpunkt der Ära Albers war der Ausbau der Kinderbetreuung, der Ausbau von Schulen und Kindergärten in Stadt- und Ortsteilen mit vielen Millionen Euro. Erwähnt seien die sanierten Stadthallen in Tiengen und Waldshut, der Umbau des Klettgau-Gymnasiums und die baulichen Voraussetzungen für die komplette Neuorganisation der Grund- und Hauptschulen in Waldshut, Tiengen und Gurtweil.

Doch es gab auch traurige Kapitel für den Familienmenschen Martin Albers, den es nach der Amtszeit wieder in die heimatliche Ortenau zurückzog. Der Beschluss der Stadträte von 2010, den städtischen Spitalbetrieb in eine mit dem Landkreis gemeinsame Spitäler Hochrhein GmbH einzubringen, liegt Albers´ Weggefährten bis heute auf dem Magen.

Unvollendete Hinterlassenschaften

Das Doppelspital mit Bad Säckingen kam finanziell nie auf die Beine. Die Klinik in der Bäderstadt ist längst umgenutzt, die Waldshuter Klinikräume, obwohl 2006 noch um einen Westbau erweitert, sollen 2029 geräumt und in Albbruck eine Kreisklinik neu gebaut werden.

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Zur unvollendeten Hinterlassenschaft an die Nachfolger im Oberbürgermeisteramt gehört auch die Verkehrsmisere rund um den Waldshuter Zoll, wo sich über viele Jahre ein Heer von Experten aus deutschen und Schweizer Behörden, Politiker, Straßenplaner und Verkehrsgewerbe um Lösungen stritten.

Viele Millionen Euro wurden vergraben und verbaut, die Misere blieb. Stadtoberhäupter haben es eben nicht nur mit dem Problem des Wachstums, sondern auch mit dem Wachstum des Problems zu tun.

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