Eigentlich wollte sie Pharmazie studieren und Apothekerin werden. Doch ein Einstellungstest beim Arbeitsamt hat Ingrid Ebles berufliche Laufbahn in eine ganz andere Richtung geführt. „Der Berufsberater hat bei mir Stärken im Bereich der öffentlichen Verwaltung und der Juristerei gesehen“, erinnert sich die heute 65-Jährige.

Der Berufsberater sollte recht behalten, und Ingrid Eble fand ihre Berufung im Rathaus. „Es war eine tolle Zeit“, sagt sie im Gespräch mit dieser Zeitung über die vergangenen vier Jahrzehnte, die sie bei der Stadtverwaltung Waldshut-Tiengen gearbeitet hat.

Ende August geht Eble in den Ruhestand. Ihr Nachfolger als Leiter des städtischen Hauptamts ist Norbert Bodmer. Seit dem 15. August 1994 war sie für das Ressort verantwortlich. Zuvor war die Beamtin seit ihrem Amtsantritte 1982 unter anderem Sachbearbeiterin für die Erteilung von Gaststättenerlaubnissen, gewerberechtlichen und waffenrechtlichen Genehmigungen, danach Sachgebietsleiterin der Straßenverkehrsbehörde sowie stellvertretende Leiterin des Ordnungsamtes.

Hauptamt so vielfältig wie keine andere Abteilung

Das Hauptamt ist Ingrid Eble zufolge der Posten mit den vielfältigsten Aufgaben im Rathaus. „Ich hatte sehr viele Funktionen inne wie die Einstellung, Abmahnung und Kündigung von Beschäftigten, die Vorbereitung der Einstellung von Beamten oder die Geschäftsstelle Gemeinderat“, erklärt sie. Gleichzeitig war sie zuständig für Disziplinarverfahren und hat die Stadt vor dem Verwaltungsgericht Freiburg vertreten.

„Außerdem gehörten zu meinem Aufgabenbereich unter anderem Schulen, Kindertagesstätten und Kindergärten, die Volkshochschule und das Beschaffungswesen. Ich war auch die Chefin der Hausmeister und Raumpflegerinnen und hatte eine Querschnittsfunktion für die gesamte Verwaltung. Last but not least unterstützte ich natürlich den Oberbürgermeister.“

Insgesamt hat Ingrid Eble während ihrer 41 Jahre bei der Stadtverwaltung unter drei Oberbürgermeistern gearbeitet: Franz-Joseph Dresen, Martin Albers und Philipp Frank. Auf die Frage, wie sich die Arbeit bei der Stadtverwaltung während ihres Berufslebens geändert hat, nennt sie nicht nur den Einzug von Computern bis hin zum aktuellen Digitalisierungsprozess.

Früher autoritär, heute flache Hierarchien

Was sich auch gewandelt habe, sei der Umgang miteinander. „Von einem vor 40 Jahren gelebten autoritären Führungsstil pflegen wir heute einen kooperativen Führungsstil mit flachen Hierarchien“, erzählt Ingrid Eble.

Als drastisch bezeichnet sie die Bewerbersituation. „Hatten wir früher bei den Ausschreibungen der Stellen der Auszubildenden zwischen 20 und 30 gute Bewerbungen, sind es heute höchstens zehn. Noch dramatischer macht sich seit rund zehn Jahren der Fachkräftemangel, insbesondere im technischen Bereich, bemerkbar“, berichtet die Beamtin.

Norbert Bodmer und Ingrid Eble schauen sich im Mai 2019 auf dem Bildschirm die Zwischenergebnisse der Gemeinderatswahl in ...
Norbert Bodmer und Ingrid Eble schauen sich im Mai 2019 auf dem Bildschirm die Zwischenergebnisse der Gemeinderatswahl in Waldshut-Tiengen an. Inzwischen hat Bodmer die Nachfolge von Eble als Hauptamtsleiter angetreten. | Bild: Juliane Schlichter

„Der Kontakt mit Menschen war für mich immer Motivation, die anstehenden Aufgaben für alle Beteiligten bestmöglich zu lösen“, sagt sie auf die Frage, was ihr am meisten an ihrer Tätigkeit gefallen habe. „Auch die Arbeit im Team hat mir immer Spaß gemacht. Wenn gemeinsam erfolgreich Projekte auf den Weg gebracht wurden, und die Kollegen mit Begeisterung dabei waren, war das auch immer wieder Antrieb für die Umsetzung neuer Ideen“, fügt sie hinzu.

Kritik an einigen Stadträten

Und was hat ihr weniger Spaß gemacht? Als große Belastung habe sie zuletzt das Klima im Gemeinderat empfunden, antwortet Eble. Entscheidungsfindungen leben ihrer Meinung nach vom kritischen und sachlichen Austausch der Argumente. „Der zwischenzeitliche teilweise respektlose Umgang einiger Stadträte mit den Vertretern der Stadtverwaltung sowie mit externen Sachverständigen schädigt aus meiner Sicht das Image der Stadt.“

Kollegen, die früher gerne ihre Vorlagen präsentiert haben, würden sich mittlerweile beklagen, wenn sie in der Gemeinderatssitzung präsent sein müssen, schildert die scheidende Hauptamtsleiterin ihre Erfahrung. „Gerade in Zeiten, in denen es schwierig ist, Fachpersonal zu finden, ist dieses Zeichen, das der Gemeinderat sendet, nach außen kontraproduktiv“, findet sie.

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Als spannend beschreibt sie die seinerzeitige Diskussion im Gemeinderat, ob die Verwaltung ein Amtsblatt herausbringen soll. „Das war 1995 meine erste Aufgabe im neuen Amt als Hauptamtsleiterin“, erinnert sich Eble. Die Entscheidung für das Mitteilungsblatt, das seitdem wöchentlich erscheint, sei damals knapp ausgefallen.

In Erinnerung geblieben ist ihr auch die Zeit der Finanzkrise 2008. „Unser Haushaltsplan mit vorgesehenen Investitionen über die Aufnahme von Krediten wurde vom Regierungspräsidium Freiburg nicht genehmigt. Es folgte in den Jahren der Haushaltskonsolidierung von 2000 bis 2006 die Einsparung von 41 Planstellen“, erzählt sie.

Flut von Regelungen während Corona

Die Corona-Krise sei für das Hauptamt vor allem im Bereich der Kinderbetreuung organisatorisch mit großen Hürden verbunden gewesen. „Es kam eine Flut von Regelungen auf die Stadt zu, die oft am Samstag und Sonntag bei uns eingingen und bereits am Montag umgesetzt werden mussten“, berichtet Eble.

Das war die größte Herausforderung

Die größte Herausforderung war für die scheidende Hauptamtsleiterin rückblickend aber die Sachbearbeitung beim Ausstieg aus der Trägerschaft der damaligen Spitäler Hochrhein GmbH mit den Krankenhäusern Waldshut und Bad Säckingen. „Mitzuerleben, was die Schließung des Krankenhauses Bad Säckingen für die Beschäftigten bedeutet hat, war bedrückend“, erzählt sie.

Insgesamt habe der Ausstieg 2018 für die Stadt jedoch ein Aufatmen bedeutet, die schwere Bürde der laufenden finanziellen Belastungen nicht mehr länger tragen zu müssen. „Bis heute hätte sich die Stadt an den Verlusten im Bereich von 20 Millionen mehrheitlich beteiligen müssen. Eine Stadtentwicklung im investiven Bereich wäre auf Dauer in der jetzt geplanten Dimension nicht möglich gewesen“, erklärt Ingrid Eble.

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Als sie nach ihrem Abitur in Tiengen 1978 zur Gemeinde Jestetten ging, waren Frauen auf Führungsposten in der Regel noch selten. „Ich wurde von Ursula Ostertag, eine der ersten Hauptamtsleiterinnen im Landkreis Waldshut, ausgebildet. So ganz ungewöhnlich schien es mir also nicht“, sagt die 65-Jährige.

Sie sei dankbar, dass sie die Möglichkeit bekommen habe, sich persönlich als Hauptamtsleiterin in Waldshut-Tiengen für die Menschen der Stadt weiterzuentwickeln. „Die Arbeit hat mir immer Spaß gemacht“, blickt sie zurück.

In ihrem Ruhestand werde Ingrid Eble mehr Zeit für ihre Enkelin haben und zum Radfahren, Wandern, Schwimmen und Reisen. „Und vielleicht findet sich noch ein Bereich, in den ich mich ehrenamtlich einbringen kann“, sagt sie.

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