Der Vorsprung war hauchdünn. Gleichwohl markierte er am Montagabend den Beginn von Petra Dorfmeisters neuem Karriereweg. Mit gerade einmal 13 zu elf Stimmen gewann die bisherige Leiterin des Haupt- und Personalamts beim Landratsamt Waldshut gleich im ersten Anlauf die Wahl zur ersten Bürgermeisterin der Stadt Waldshut-Tiengen. Mit einer Stimme weniger hätte es einen zweiten Wahlgang gegeben.

„Jawohl, ich nehme die Wahl sehr gerne an“, sagte die Siegerin freudestrahlend nach Bekanntgabe des Ergebnisses. 24 Mitglieder des Gemeinderates hatten zuvor in geheimer Abstimmung darüber entschieden, wer die Nachfolge des im März dieses Jahres verstorbenen Bürgermeisters Joachim Baumert antreten soll.

Gemeinsam mit Stadtrat Raimund Walde (FDP) zählte OB Philipp Frank (vorne) die Stimmen aus.
Gemeinsam mit Stadtrat Raimund Walde (FDP) zählte OB Philipp Frank (vorne) die Stimmen aus. | Bild: Markus Baier

Deutlich mehr Bürger und Gäste als sonst waren zu der öffentlichen Sitzung in die Stadthalle Tiengen gekommen. „Die Vielzahl an Besuchern unterstreicht, dass es sich um eine besondere und wichtige Wahl handelt“, erklärte Oberbürgermeister Philipp Frank zu Beginn. Schließlich handele es sich um ein politisches Amt, das nicht nur mit vielen Aufgaben verbunden sei. Als Leiter des städtischen Bauamts trage der neue Bürgermeister auch Verantwortung für Haushaltsmittel in Höhe von 25 Millionen Euro.

„Wir haben es mit zwei starken Bewerbern zu tun, die aus fachlicher Sicht beide geeignet sind, das Amt auszuüben“, betonte Frank, bevor Petra Dorfmeister und Ralph Albrecht jeweils 15 Minuten lang die Gelegenheit hatten, sich in der Ratsrunde vorzustellen und die Motivation für ihre Kandidatur darzulegen.

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Karrierebeginn bei der Stadtverwaltung

„Es wäre mir eine Ehre, in meiner Heimat Bürgermeisterin zu werden“, erklärte Petra Dorfmeister, die in der Doppelstadt aufgewachsen ist und 1990 ihr Abitur am Hochrhein-Gymnasium abgelegt hatte. In der Großen Kreisstadt begann ihren Ausführungen zufolge auch ihre berufliche Laufbahn: Bei der Stadt absolvierte sie eine Ausbildung. „Ich habe mich in der Verwaltung immer wohl gefühlt“, merkte die 51-Jährige, die in Höchenschwand lebt, an.

Seit Abschluss ihres Studiums an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl arbeitet Dorfmeister beim Landratsamt Waldshut: 26 Jahre lang war sie im dortigen Baurechtsamt tätig, davon 15 Jahre als Leiterin, seit April 2021 verantwortet sie das Haupt- und Personalamt der Kreisbehörde.

Petra Dorfmeister wurde mit 13 von 24 Stimmen zur Bürgermeisterin von Waldshut-Tiengen gewählt.
Petra Dorfmeister wurde mit 13 von 24 Stimmen zur Bürgermeisterin von Waldshut-Tiengen gewählt. | Bild: Markus Baier

Das Amt der Bürgermeisterin von Waldshut-Tiengen vereine alles, was sie gern mache: „Gestalten, Lösungen suchen und mit Menschen gemeinsame Ziele erreichen“, zählte Dorfmeister auf.

Nach der Vorstellungsrunde fühlten die Stadträte den Kandidaten 15 Minuten lang auf den Zahn. Harald Ebi, Sprecher der FDP, erwähnte unter anderem die Verkehrsprobleme der Stadt. Die Kandidatin sagte dazu: „Ich kann keine Wunder bewirken, aber ich kann ziemlich unangenehm und penetrant werden“, wenn es darum geht, bei den zuständigen Stellen nachzuhaken.

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Die Grünen-Stadträtin Daniela Tayari wollte wissen, wie Petra Dorfmeister die Personalsituation im Bauamt lösen will. Das Problem Personalmangel gebe es in fast jeder Kommune, erwiderte die Bewerberin. Sie könne zwar keine Wunder vollbringen, aber Ruhe ins Bauamt bringen und ihr Netzwerk anzapfen. „Ich werde alles geben“, versprach sie.

Politik der offenen Türen

Als zweiter Kandidat nutzte Ralph Albrecht die Gelegenheit, sich dem Gremium zu präsentieren. Wie seine Herausforderin stammt er aus der Region: Mit seiner Frau und den drei Töchtern lebt der Leiter des Rechts- und Ordnungsamts der Stadt Waldshut-Tiengen im Ortsteil Detzeln.

„Wenn ich mich beschreiben müsste, würde ich die Eigenschaften verbindlich, loyal, empathisch, nüchtern und beharrlich aufzählen“, erklärte der 42-jährige Diplom-Finanzwirt und Jurist. Für den Posten des Ersten Beigeordneten bringe er Führungserfahrung und fachliche Erfahrung mit.

Ralph Albrecht unterlag knapp bei der Wahl zum Bürgermeister.
Ralph Albrecht unterlag knapp bei der Wahl zum Bürgermeister. | Bild: Markus Baier

„Wenn Verwaltung auf Bauen trifft, braucht es einen Übersetzer oder Lotsen“, so Albrecht. Für diesen Spagat zwischen Bauen, Recht und Finanzen sehe er sich aufgrund seiner Vita gewappnet. Bevor er Leiter des Ordnungsamts wurde, war er unter anderem viereinhalb Jahre lang als Justiziar und stellvertretender Referatsleiter beim Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg in Konstanz tätig.

Was Albrecht hingegen nicht mitbringe, seien langjährige politische Funktionen. „Aber ich bin von Tag zu Tag besser vernetzt“, betonte der Kandidat, der ankündigte, im Falle seiner Wahl eine Politik der offenen Türen zu betreiben und Ansprechpartner für Bürger, Vereine und Unternehmen zu sein.

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Bei der Fragerunde wollte Petra Thyen, Fraktionssprecherin der Grünen wissen, wie Albrecht die Bürgerbeteiligung in der Großen Kreisstadt verbessern will. Als eine Art Blaupause sieht der Bewerber die Bürgerversammlungen in den Ortsteilen. „So etwas stelle ich mir auch für die Zentralorte vor“, erklärte Albrecht.

„Beide haben einen starken Auftritt hingelegt“, fasste Oberbürgermeister Philipp Frank die Vorstellungs- und Fragerunden zusammen. Um 19.26 Uhr verkündete der OB schließlich das Wahlergebnis: 13 Stimmen entfielen auf Petra Dorfmeister, elf Stimmen auf Ralph Albrecht.

Vom Landratsamt ins Rathaus

„Danke für das Vertrauen, das Sie mir geschenkt haben“, freute sich die strahlende Siegerin. Die Frau des früheren Höchenschwander Bürgermeisters Stefan Dorfmeister dankte ihrer Familie für die Unterstützung während der Bewerbungszeit und ihrem Konkurrenten Ralph Albrecht „für den sehr fairen Wahlkampf“.

Als nächstes wolle Dorfmeister ein Dreiergespräch mit ihrem neuem Vorgesetzten, OB Frank, und ihrem bisherigen Vorgesetzten, Landrat Martin Kistler, führen, damit der Wechsel vom Landratsamt Waldshut ins Tiengener Rathaus so bald wie möglich über die Bühne gehen kann.

Dem knapp unterlegenen Herausforderer Ralph Albrecht geht es am Morgen nach seiner Wahlniederlage „gut“, wie er auf Nachfrage dieser Zeitung erklärt. Gleichwohl sei er enttäuscht, dass er nicht zum Bürgermeister gewählt wurde. Er wolle den Wahlabend noch einmal Revue passieren lassen, „aber dann einen Haken dran machen“.

Dem Rechts- und Ordnungsamt bleibe er als Leiter erhalten und werde Petra Dorfmeister bei ihren Aufgaben unterstützen. „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und hoffe, dass der Wechsel rasch gelingt“, so Albrecht.

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