Rechtzeitig vor dem Beginn des Waldshuter Weihnachtsmarktes wurde die Sanierung des Unteren Tors abgeschlossen und das Gerüst entfernt. Das Obere Tor braucht etwas länger als geplant, da das Dach in einem schlechteren Zustand war, als erwartet. Aber was sind schon ein paar Wochen für ein Gebäude, welches bereits ein paar hundert Jahre alt ist? Ihr heutiges Erscheinungsbild jedoch bekamen die beiden Stadttore erst vor gut sechs Jahrzehnten – zumindest was die Bemalung angeht.

Bemalung sorgte für Diskussionsstoff

Während diese in den 1960er-Jahren für viel Diskussionsstoff sorgte, war sie in grauer Vorzeit dieser sehr ähnlich – nämlich grau. Ein Vorstoß des Großherzoglichen Konservator der öffentlichen Baudenkmale aus Karlsruhe vom Jahr 1916, sich bei der damaligen Renovation über die farbliche Gestaltung des Unteren Tors Gedanken zu machen, fand vor Ort keinen Anklang. Der Gemeinderat hielt „die Anbringung von Farbenproben für überflüssig; der Turm des unteren Tores wird in Ton und Farbe genau so gehalten, wie der des oberen Tores.“

Die Ansicht des grobverputzten und grauen Unteren Tores zeigt auf dessen stadtzugewandten Seite das Waldshuter Männle anstelle des heute ...
Die Ansicht des grobverputzten und grauen Unteren Tores zeigt auf dessen stadtzugewandten Seite das Waldshuter Männle anstelle des heute sichtbaren österreichischen Wappens. | Bild: Stadtarchiv Waldshut-Tiengen

Diesen Punkt bemängelte in einem Schreiben an das Bürgermeisteramt vom 1. April 1957 Regierungsbaurat Martin Hesselbacher (1908-1983) vom staatlichen Amt für Denkmalpflege in Freiburg. Darin stellt er fest, dass „der bisherige Verputz in Struktur und Farbton nicht stilecht“ ist. Die 10 cm starke Mörtelschicht war nicht nur luftundurchlässig, sondern auch schmutzempfindlich. Statt des Grautons schlug das Denkmalamt für die damals ohne Absprache begonnene und schon laufende Neuverputzung der Westfassade des Unteren Tors einen glatt abgeriebenen Putz in Ockerfarbe vor, um später auch die restlichen Seiten so zu gestalten.

Farbgestaltung des Oberen Tors und benachbarter Gebäude

Anfang der 1960er-Jahre entwickelte sich ein Gespür für den Denkmalschutz der Innenstädte. Am 1. Juli 1960 hielt Hesselbacher (mittlerweile Oberregierungsrat) im Filmsaal des Gymnasiums einen temperamentvollen Vortrag über die Erhaltung des Stadtbilds. Noch zwei weitere Tage verbrachte er im gleichen Monat in Waldshut und beschäftigte sich unter anderem mit der Farbgestaltung der Kaiserstraße. Für diese empfahl er Prof. Karl Rupflin (1889-1973) in München und der Gemeinderat beauftragte diesen im Oktober desselben Jahres. Nach einem Besuch in der Waldstadt schickte ihm das Stadtbauamt die Pläne der jeweiligen Gebäude oder Partien und im April 1961 legte er zunächst die Farbgestaltung von Oberem Tor und den benachbarten Gebäuden fest.

Auch die aufgemalten Schlusssteine an den Kanten der Stadttore gehen auf Rupflins Vorschlag zurück, wie aus den zahlreichen in seiner schönen Handschrift verfassten Briefe im Waldshut-Tiengener Stadtarchiv hervorgeht. Auch in der Sitzung am 17. Mai 1961, in welcher der Gemeinderat die neue Bauordnung und den Farbgestaltungsplan genehmigt hat, war er anwesend.

Österreichisches Wappen unter dem Waldshuter Männle

Im Sommer 1962 bemängelte das Waldshuter Männle (als Kommentator des Alb-Boten) den schlechten Zustand seines Abbildes auf dem Unteren Tor und hoffte auf baldige Ausbesserung. Ein gutes Jahr später fand man bei den Arbeiten unter dem Männle jedoch eine ältere Farbschicht mit dem österreichischen Wappen und die verschiedenen Beteiligten kamen überein, dass das zuletzt sichtbare Waldshuter Männle dieser ursprünglichen Bemalung geopfert werden soll, was 1963 auch geschah. Im gleichen Zug kamen durch die dünnere und glatte Verputzung auch Elemente wie der alte, höherliegende Eingang wieder zur Geltung.

Aus der Nähe betrachtet zeigt sich noch deutlicher, wie notwendig die Sanierung der beiden Stadttore ist.
Aus der Nähe betrachtet zeigt sich noch deutlicher, wie notwendig die Sanierung der beiden Stadttore ist. | Bild: Thomas Studinger/Maler Rimmele

Die meisten Waldshuter waren mit dem Ergebnis zufrieden, allerdings bestand der Konsens, dass das Waldshuter Männle als legendäre Gründungsgestalt und Figur des Stadtwappens wieder an prominenter Stelle in der Kaiserstraße vertreten sein muss. Nicht einig war man sich allerdings über die Art und Weise der Ausführung.

Heftige Diskussionen wurden darüber ausgetragen, ob die vom Waldshuter Künstler Alfred Sachs (1907-1990) gefertigte und früher vor dem Krankenhaus platzierte Steinplastik aufgestellt oder am Oberen Tor eine neue Zeichnung angebracht werden soll. Hierbei dachte das Stadtbauamt als Vorbild an den Holzschnitt des Waldshuter Künstlers Adolf Hildenbrand (1881-1944), aber Rupflin hielt (abgesehen von den Fragen des Urheberrechts) die für Drucksachen geschaffene Grafik nicht zum Vergrößern als Wandgemälde geeignet. Stattdessen schlug er eine figürliche Malerei vor, ähnlich den schon vorhandenen Hauszeichen.

Fritz Sander malte das Waldshuter Männle neu

Der aus Bludenz in Vorarlberg gebürtige Waldshuter Gymnasiallehrer für Sport und Zeichnen, Fritz Sander (1904-1984) reichte auftragsgemäß zwei Entwürfe ein – ein Waldshuter Männle in Bauerntracht wie auf dem Stadtsiegel und eines in Hauensteiner Tracht im Stil der Vereinigung Alt Waldshut und deren Waldshuter Männle. Für letzteres entschied sich der Gemeinderat letzten Endes, nachdem sich neben Privatpersonen auch die Waldshuter Traditionsvereine und der Schwarzwaldverein an ihn gewandt haben. Übrigens war die Vereinigung Alt Waldshut – zumindest ihr Vorsitzender Fritz Durst (1904-1985) – damals nicht für die Abbildung „ihres“ Männle am Oberen Tor.

Eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Künstler Fritz Sander und seinem Werk, dem Waldshuter Männle, ist nicht zu leugnen.
Eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Künstler Fritz Sander und seinem Werk, dem Waldshuter Männle, ist nicht zu leugnen. | Bild: Familie Sander

Vielleicht wählte Sanders aufgrund der auseinandergehenden Meinungen bewusst insofern eine Mischform der Vorschläge, indem er die Jacke und Hut des Männle nicht schwarz, sondern braun malte. Das oblag seiner künstlerischen Freiheit, in welcher er der Figur auch Züge verlieh, die seinem eigenen Aussehen ähnlich sind.

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Die Ausführung oblag Sander wohl 1964/65 zusammen mit dem Waldshuter Malermeister und Gründer des Geschichtsverein Hochrhein e. V. Fritz Schächtelin (1916-2002) und wurde letztmals von Paul Maier renoviert. Die Plastik von Sachs hingegen fand ihren neuen Standort trotz Wunsch des Künstlers nicht in der Altstadt, sondern im Stadtgarten, wo sie bis heute steht.