Um ein Haar hätte es eine ziemlich deutsche Erfinder-Geschichte werden können – wie wir sie vom Fax oder MP3-Player kennen. Da hatten geniale Typen tolle Ideen, aber sie zündeten nicht. Zumindest nicht in Deutschland. Und warum? Weil hierzulande keiner attraktive Produkte aus ihnen machte. Unser Fall spielte sich jedoch vor rund 120 Jahren in Öflingen ab. Fest steht: Hätte es den 1869 in Emmerich am Niederrhein geborenen Kaufmann Georg van Eyck nicht gegeben, wäre die deutsche Sprache um ein Wort ärmer. Keiner würde vom „Einwecken“ sprechen. Dass Sprache ungerecht sein kann, beweist dieser Fall. Eigentlich müsste vom „Einrempeln“ die Rede sein. Dieses Einkoch-Verfahren wurde nämlich von Rudolf Rempel erfunden und 1892 patentiert. Aber der erste Anlauf zur Vermarktung scheiterte. 1895 erwarb Johann Weck das Patent und machte den zweiten Anlauf – der ohne Georg van Eyck sicher wie der erste ausgegangen wäre.
Die Ursprünge am Hochrhein
Wie kam es, dass sich diese Geschichte in Öflingen abgespielte? Ein Gipsmühlenbesitzer hatte nahe der Knebelhalde eine Villa errichtet. Diese war größer als seine kleine Fabrik – folglich ging er pleite. 1895 fand sich mit Johann Weck ein Interessent, der das Anwesen erwarb. Weil es in Baden viel Obst und Gemüse gab und Weck Vegetarier war, wollte der Rheinländer von hier aus das Patent vermarkten.

Den Öflingern galt er als schrulliger Kautz. Vegetarier standen, weil man selten Fleisch am Tisch sah, nicht hoch im Kurs. In Öflingen änderte sich das, als der Gemeinderat einmal leckere Speisen aus Einweck-Gläsern kostete – aber leider nicht im Rest Deutschlands. Die Einmachgläser blieben Ladenhüter. Mit einer Ausnahme:
In fernen Emmerich brachte der junge Kaufmann Georg van Eyck mit riesigem Erfolg die Gläser unter die Hausfrauen! Kein Wunder, dass Weck das Geheimnis dieses Mannes lüften wollte. Er besuchte ihn und erkannte van Eycks geniales Marketing.
Dieser ließ die Einweckgläser nicht einfach im Regal stehen. Er ging auf die Kundinnen zu und erklärte das Verfahren. Das war der Durchbruch. Es ist Wecks Verdienst, dass er van Eyck dazu bewegte, nach Öfingen zu ziehen und mit dem Senior zusammen im Jahr 1900 die Firma „J.Weck u.Co.“ zu gründen. Der Junior kam also nur im „Co.“ vor, weshalb das „Einwecken“ zum Begriff wurde.
Mit van Eyck kam der Erfolg. Er war der geniale Kopf der Firma. Er verkaufte nicht nur die Gläser und Einkochtöpfe, sondern war der Erfinder eines neuen Marketings. Van Eck machte aus dem Einwecken eine Marke. Einfach genial die Erdbeere als Logo: Rote Signalfarbe, eine leckere Frucht mit leicht erotischem Touch. Sang nicht schon Villon um 1450: „Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund!“?
Doch nicht genug. Georg van Eyck propagierte über quasi Fan-Clubs die Idee des Einkochens. Damit erfand er das Merchandising. Seine Fans waren Frauenvereine, die er bei der Einführung des Einweckens massiv unterstützte, so auch in Wehr und Öflingen. Dort gab es Einweck-Kurse für Mädchen und Hausfrauen. Ähnlich agierte er in Krankenhäusern und kirchlichen Einrichtungen. Er gründete sogar eine Zeitschrift und engagierte Spitzengrafiker für Werbekampagnen. Ein ganzheitliches Konzept!
Johann Weck verließ 1902 mit einem satten Linzenzvertrag die Firma. Doch Georg van Eyck machte weiter und das „Einwecken“ zur Weltmarke. Obwohl er eine berühmte Persönlichkeit war, blieb er bescheiden. Der 96-jährige Hugo Thomann erinnert sich noch lebhaft an eine Begegnung mit dem Unternehmer. Hugo sollte im April 1941 Soldat werden und musste zuvor noch etwas für seinen Vater, der im Magazin der Weck arbeitete, auf dem Büro erledigen. „Ich stand im Gang, da kam Herr van Eyck und sagte freundlich: ´Sie sind doch der Sohn von Walter Thomann. Setzen Sie sich, wir haben hier Stühle. Sie brauchen doch nicht zu stehen.´. Dann ging er weiter. Er war nie hochnäsig.“

Nach dem Krieg erlebte Georg van Eyck noch den Wiederaufstieg der „Weck“, die ihre Glasfabrik in Cottbus verloren hatte. Er starb am 13.2.1951 in Öflingen, wo man ihn beerdigte. Dass er Ehrenbürger wurde, hat er sich redlich verdient. Wäre die Sprache gerecht, müsste eigentlich vom „Vaneycken“ die Rede sein – zumindest wenn es ums Merchandising neuer Marken geht.