Es gibt Straßenschilder, die sind viel zu klein für die großen Menschen, an die sie erinnern. Das war zwischen 1933 und 1945 nicht immer so. Aber Anfang der 1950er Jahre waren die Schilder mit dem unsäglichen H... längst verrostet, als die Gemeinderäte der Stadt Wehr Prälat Prof. Dr. Arthur Allgeier zum Ehrenbürger wählten. Eines war damals so sicher wie das Amen in der Kirche: Würde man eine Straße nach diesem Mann benennen, gäbe es keinen Zweifel an seiner Integrität. Und so ist es auch gekommen.
Bereits in der Talschule war klar, dass der 1882 geborene Junge hochbegabt und für die Wissenschaft bestimmt war. Sein Vater, der Steuereinnehmer Nikolaus Allgeier, und seine Mutter Maria, eine Tochter des Wehrer Bürgermeisters Ehinger, hatten nichts dagegen, als Pfarrer Ersche dem Elfjährigen einen Platz in der Lenderschen Lehranstalt in Sasbach organisierte. Ein humanistisches Gymnasium, auf das der Pfarrer den intelligenten Jungen in privaten Lateinstunden vorbereitet hatte.

Als der Klassenprimus mit zwölf Jahren beim Äpfelpflücken vom Baum fiel und das Bett hüten musste, ging er in sich. Seine innere Stimme sagte ihm, dass er Theologe werden müsse. So meldete er sich nach dem Abitur, das er mit der Gesamtnot „Sehr gut“ bestanden hatte, im Freiburger Theologischen Konvikt an und studierte Theologie.

1906 wurde Arthur Allgeier zum Priester geweiht, danach legte er das Staatsexamen ab und wirkte als Gymnasiallehrer. Seine Bildung war so umfassend, dass er Geschichte, Geografie, Latein, Griechisch, Hebräisch und Französisch unterrichtete. Seine wissenschaftliche Karriere ging unterdessen weiter: 1910 erfolgte in Freiburg die Promotion in Theologie, 1914 in Berlin in klassischer Philologie, 1916 die Habilitation in Theologie und 1919 wurde Arthur Allgeier schließlich auf den Freiburger Lehrstuhl für „alttestamentliche Exegese und Hermeneutik“ berufen. Diesen hatte er bis 1951 inne.

Seine Veröffentlichungen füllen Regale, gleiches gilt für die Anzahl der Ämter, die er bekleidete. 1937 ernannte ihn Papst Pius XI. zum Prälat. Im Gegensatz zu vielen seiner Freiburger Kollegen (zum Beispiel dem Philosophen Martin Heidegger) wahrte Allgeier strikt Distanz zu den Nationalsozialisten. Aufgrund seines untadeligen Rufs und seines Ansehens wurde er nach dem Ende der Hitler-Diktatur im Jahr 1945 zum Rektor der in Trümmern (auch geistig gesehen) liegenden Universität gewählt. Mit einem aus Wehr stammenden Theologen begann somit an Freiburgs Alma Mater die neue Zeit mit ihrer zwischen 1933 und 1945 unterdrückten Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre.
Allein schon dafür hätte Arthur Allgeier die Ehrenbürgerwürde der Stadt Wehr verdient. Doch bei alledem hat der katholische Theologe seine Heimat Wehr nie aus dem Blick verloren. Bereits als Schüler faszinierte ihn Wehrs Geschichte. Später als Student las er in den Semesterferien in Basels Archiven die Handschriften des Klosters Klingental, der Pfarrei Wehr, der Deutschordenskommende Beuggen oder des Klosters St. Blasien.
Sein umfassendes Wissen gab er in Vorträgen an die Wehrer weiter. So sprach er zum Beispiel 1904 im katholischen Gesellenverein über das „Deutschordenshaus Beuggen“. Es folgten Vorträge über die Wehrer Pfarrei und das Kloster Klingental. Für Klärs Heimatbuch „Das Vordere Wehratal“ (1928) schrieb er den fünften Abschnitt „Wehr, Aufsätze und Beiträge zu einer künftigen Geschichte“. Diese hätte er gern selbst geschrieben. Doch nach der anstrengenden Zeit als Freiburger Rektor schwanden seine Kräfte.

Den Festvortrag zur Stadterhebung 1950 hielt er noch. 1951 ging er ins Freiburger Lorettokrankenhaus, dort kam er allerdings nicht mehr zu Kräften. Seine letzten Monate verbrachte er im Erholungsheim Ebersteinburg, wo er am 4. Juli 1952 – dem 46. Jahrestag seiner Priesterweihe – starb. Die „künftige Geschichte“ Wehrs blieb ungeschrieben. „Leider nahm ihm der Tod die Feder aus der Hand, ehe er seine Forschungsergebnisse über die Geschichte unserer Stadt druckreif niedergelegt hatte“, sagte Bürgermeister Eugen Schmidle vor zahllosen Trauergästen am Grab des Wehrer Ehrenbürgers. Vergeblich waren seine Studien jedoch nicht. Fridolin Jehle vollendete auf dieser Grundlage mit seiner Chronik, was von Arthur Allgeier begonnen worden war.