Reinhard Valenta

Heinz Blum, der als „Trompeter von Säckingen“ schon vielen Touristen Scheffels berühmtes Epos nahegebracht hat, ist ein Enkendörfer durch und durch. Deshalb passt die Rolle des Trompeters Franz Werner Kirchhofer auch gut zu ihm – hat doch das Enkendorf wahrscheinlich einmal zum Klosterstaat der Säckinger Äbtissinnen gehört.

Sentimentale Gefühle beschleichen die Touristen, wenn sie dem Klang von Blums Trompete lauschen. Sentimental ist auch Heinz Blum zumute, wenn er daran denkt, dass an dem 1834 neben der Ackerrainkapelle eröffneten Armenhaus bald der Sound der Abrissbirne erklingen soll.

Gebäude mit einem großen Namen verbunden

Dieses historische Gebäude hat den Blick vieler Enkendörfer auf Wehr geprägt. „Auf unserem Weg zum Kindergarten und zur Schule kamen wir jeden Tag zwei Mal am Spital vorbei. Damals führte noch die alte Eisenbrücke über die Bahn. Das Bild dieses imposanten Gebäudes hat sich uns Kindern ins Gedächtnis eingebrannt“, so Heinz Blum.

Und in der Tat: Das alte Spital ist nicht nur ein imposantes Gebäude, sondern auch mit einem imposanten Namen der Wehrer Geschichte verbunden: Philipp Merian. Der einstige Besitzer des Eisenwerks und zu seiner Zeit größte Mäzen Südbadens hat mit einer Spende von 10 000 Gulden 1831 den Bau des Hauses ermöglicht.

Philipp Merian in einem Porträt aus dem Urkundenbuch von 1849 mit dem Testament Merians.
Philipp Merian in einem Porträt aus dem Urkundenbuch von 1849 mit dem Testament Merians. | Bild: Repro: Reinhard Valenta

Zur Terrorherrschaft der Jakobiner in Paris

Die Geschichte der Merian‚schen Stiftung, die in der Bürgerstiftung fortlebt, ist in Wehr bekannt, nicht jedoch das Leben ihres Stifters. Philipp Merian kam 1773 in Basel zur Welt. Bereits sein Vater war erfolgreicher Eisenfabrikant. 1775 wurde der hoch begabte Philipp mit zwölf Jahren zur Ausbildung nach Holland geschickt, kehrte aber bald schwer krank zurück.

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Er erholte sich, studierte 1788/89 in Freiburg/Breisgau, wechselte ein Jahr später an die berühmte Bergakademie in Freiberg und wurde Bergbauingenieur. 1793 bereiste Merian Deutschland, Holland und Frankreich und geriet in Paris in die Blutherrschaft der Jakobiner.

Hauptaktionär und Chef eines Großunternehmens

Er blieb trotzdem an der Seine, war geschäftlich erfolgreich, verlor aber 1798/99 infolge einer erneuten schweren Erkrankung sein gesamtes Vermögen und kehrte wieder nach Basel zurück. Von seinem Vater erhielt er frisches Kapital, mit dem er 1801 ins Wehrer Eisenwerk einstieg. Er zog in das vor einigen Jahren von Stephan Denk komplett restaurierte Herrenhaus im Hammer und brachte die Produktion auf Hochtouren. Mit 162 000 Gulden war er Hauptaktionär und Chef des Unternehmens.

Eine Aktie zum Nennwert von 9000 Gulden brachte immerhin einen Jahresgewinn von 768 Gulden, also etwa 8,5 Prozent. Eine Rendite, von der man heute nur träumen kann. Da Merian nicht verheiratet war und keine Kinder hatte, zog er sich als reicher Junggeselle 1817 aus dem Geschäft zurück und ging nach Freiburg. 1819 verkaufte er das Eisenwerk für 71 121 Gulden an das Großherzogtum Baden.

Förderer der Armen, Kranken und Alten

In Freiburg begann er eine beeindruckende mäzenatische Tätigkeit und half Armen, Kranken, Alten und Waisen im Bereich des Großherzogtums Baden. Vom Großherzog hoch dekoriert, zog sich der schwer an Gicht leidende Merian bei Ausbruch der 48er Revolution nach Basel zurück, wo er bald verstarb.

Sein Vermögen von 270 000 Gulden bestimmte er testamentarisch für soziale Zwecke. Heute wäre das ein Betrag von einigen Millionen Euro. Auch in Freiburg fühlte sich Merian noch eng mit Wehr verbunden. Er zeichnete selbst die Pläne für das von ihm als Arbeitshaus konzipierte Gebäude. Hier sollten Arbeitslose, Arme, Waisen und behinderte Menschen Garne spinnen und so ins Leben finden.

Das Wehrer Krankenhaus in den 1930er Jahren.
Das Wehrer Krankenhaus in den 1930er Jahren. | Bild: Sutter

Bürgerrecht als Dank für soziale Tätigkeit

Da dies aber eine Konkurrenz für die Hausindustrie gewesen wäre, ließ Merian davon ab. Aus dem Arbeitshaus wurde ein Armen- und Altersheim. Zum Dank erhielt Merian 1831 die Bürgerrechte der Gemeinde und kann als erster Ehrenbürger Wehrs angesehen werden. 1834 wurde das Haus eingeweiht und 1865 der Leitung von Ordensschwestern anvertraut.

Doch die Entwicklung ging weiter. Das Armenhaus wurde in ein Spital umgewidmet. Im Ersten Weltkrieg behandelte hier Medizinalrat Dr. Georg Kerner Kriegsverletzte. Dr. Kerner wurde ebenfalls Ehrenbürger von Wehr. Im Wehrer Spital erblickte auch so manches Kind das Licht der Welt. Deshalb findet man bis zur Schließung der Geburtsstation Ende der 1970er-Jahre in vielen Pässen noch „Wehr“ als Geburtsort eingetragen. Ob wirklich nur diese Einträge und die Erinnerungen der Enkendorfer Schüler vom alten Spital übrig bleiben – gemäß Scheffels „Es wär zu schön gewesen, es hat nicht sollen sein?“ Ist ein Happy End wirklich undenkbar? Doch, denn Kirchhofer hat seine Margaretha schließlich doch noch gekriegt.