Der erste Eindruck nach Betreten des Brennet Textilmuseums ist: Hier sollte man sich Zeit nehmen, viel Zeit. Denn schon im Erdgeschoss gestaltet sich der Überblick schwierig, was nicht allein an den Exponaten liegt, sondern auch an der Architektur, den Böden und an den Treppen, die andeuten, dass es sich um kein „normales“ Museum handelt, dass beim Einrichten viel Wert sowohl auf den Gesamteindruck als auch auf die Details gelegt wurde.

Der historische Museumsbau besteht aus zwei ineinander übergehenden Teilen. Vom benachbarten Café aus gesehen befindet sich links das frühere Arbeiter- oder Laborantenhaus, rechts das Herrenhaus des alten Wehrer Eisenwerks. Das Arbeiterhaus dokumentiert auf vier Stockwerken die Geschichte der Textilindustrie Südbadens, der MBB (Mechanische Buntweberei Brennet, sie wurde in den 1960er Jahren in die Brennet AG umgewandelt) seit dem 19. Jahrhundert sowie der Unternehmerfamilie Denk. Jeder der bislang vier Generationen der Familie Denk ist ein Stockwerk gewidmet.

Das Erdgeschoss gehört den Gründern der damaligen Buntweberei Brennet. Schon die ersten Jahre zeigen eine rasante Entwicklung des Familienunternehmens: Gegründet als MBB 1881 im Ortsteil Brennet in Öflingen, folgte die Übernahme einer im ehemaligen Hammerwerk Wehr angesiedelten Weberei, 1927 schließlich der Erwerb der Spinnerei Vortisch in Hausen im Wiesental. Die Textilproduktion erstreckte sich schon zu Beginn des Unternehmens über weite Teile der Region um Wehr, nachvollziehbar anhand eines im Eingangsbereich aufgestellten Holzwebstuhls aus Görwihl, der um 1880 noch im Einsatz war. Auch andere Webstühle und Maschinen ziehen den Blick auf sich. „Das sind alles Originalmaschinen“, erklärt Rita Augstein, zuständig für die Administration des Textilmuseums, „wenn man wollte, könnte man sie laufen lassen“.
Die Brennet war ein führender Hersteller buntgewebter und stückgefärbter Bekleidungsstoffe. Zur Produktpalette gehörten Stoffe für Hemden, Blusen, Hosen, Berufsbekleidung sowie Bett- und Tischwäsche, im Textilmuseum sind sie präsentiert. Ergänzt wird die Sammlung mit originalgetreu rekonstruierten Arbeitsplätzen, Nähmaschinen, Laborgeräten, Fotografien von Kantinen- und Büroszenen, Musterbüchern, Druckmodellen, Plakaten aus den 1920er Jahren und Textilien.
Mit der schrittweisen Aufgabe der Textilproduktion zwischen 2011 und 2013 wurde das Unternehmen in eine Immobilienfirma umgewandelt. Stephan Denk, letzter Vorstandsvorsitzender der Brennet AG, legte den Grundstein für das Museum. „In den 1990er Jahren hat er aufgeräumt und so ist das Museum entstanden“, bringt es Rita Augstein auf den Punkt. Aber Denk hat nicht einfach nur aufgeräumt und aufgestellt, was ihm ausstellungswürdig erschien. Er legte Wert auf Übersichtlichkeit, dokumentarische Exaktheit, Originalität und Schönheit.

Letztere wird hauptsächlich im Herrenhaus ersichtlich, wo er eine Sammlung erlesener Kunstwerke zusammengetragen hat: Hans Thoma ist mehrfach vertreten, Käthe Kollwitz, die Wehrer Künstlergeneration des 20. Jahrhunderts mit Alfons Glattacker, Ernst Honigberger, Gustl Fricker, Adolf Lamprecht, Willi Böhler, Lothar Weiß, Hermfried Richter und Elena Romanzin sowie die Bad Säckinger Kunstszene mit Werner Dietz, Frowald Häusler und Adolf Schwertschlag. Die Fotografie spielt eine bedeutende Rolle. Prominentester Akteur: Paul Wolff, der „Magier des Lichts“, mit einer Serie von 1941, in der die Produktion der MBB und das soziale Umfeld dokumentiert werden. Seine Schwarzweiß-Fotografien beweisen: Es geht auch ohne Farbe.
Das Brennet Textilmuseum wurde im Jahr 2000 eingerichtet, 2002 eröffnet und 2006 erweitert. Es umfasst 18 Räume und eine Fläche von rund 1000 Quadratmetern. Rita Augstein bezeichnet es als „sehr vielfältig“. Was leicht untertrieben ist. Denn es ist mehr als „nur“ ein vielfältiges Museum: Es ist ein Fenster in die Geschichte einer ganzen Region – ihrer Wirtschaft, Kultur, ihrer sozialen Verständnisse und vor allem: ihres immensen innovativen Geistes.