Wehr Auf Einladung der Wehrer Mediathek und der Buchhandlung Volk stellte Annette Pehnt am Mittwoch ihren neuen Roman „Die schmutzige Frau“ vor. Zur Begrüßung zitierte Gabriele Volk den Kritiker Denis Scheck, der in dem Werk „ein starkes Stück Gegenwartsliteratur“ sieht. Jedenfalls ist es ein Buch, das eine angeregte Diskussion der Autorin mit ihren zahlreichen Zuhörern anstieß. Seit dem Erscheinen ihres Erstlingswerks „Ich muss los“ im Jahre 2001 hat Annette Pehnt das Schreiben zu ihrem Hauptberuf gemacht. Seit 2018 unterrichtet sie an der Universität Hildesheim junge Menschen, die Schriftsteller werden möchten. Meistens verfasst sie Romane kleineren Umfangs über Themen, die sie gerade beschäftigen.

Bei dem neuen Werk handelt es sich um eine Ich-Erzählung in Form eines Versromans, das bedeutet, dass jeder Satz mit einem neuen Absatz beginnt. „Beim Vorlesen hört man die Freistellen nicht, aber beim Schreiben bemerke ich sie“, verriet die Autorin. Die ungewöhnliche grafische Form ist auch ein formaler Ausdruck dessen, dass die Ich-Erzählerin ihre Gedanken offenbar nicht fließend, sondern zögerlich und stockend formuliert.

Ihre Heldin ist seit Langem verheiratet und im Einverständnis mit ihrem Ehemann, der namenlos bleibt und von ihr nur als „Meinmann“ bezeichnet wird, aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen, um eine Wohnung zu beziehen, in der sie sich dem Schreiben widmet. Der Ehemann wird als durchaus aufmerksam beschrieben, aber anhand vieler Details und Szenen schildert die Autorin, dass die Ich-Erzählerin seine Fürsorglichkeit als erdrückend wahrnimmt. „Ihr Ich droht verloren zu gehen“, so Annette Pehnt. „Die Frau wird quasi ausgelagert, zwar mit ihrer Zustimmung, aber der Ehemann setzt die Bedingungen.“ Schließlich verlässt sie die Wohnung nicht mehr, obwohl sie weiß, dass sie jederzeit die Möglichkeit hätte, dies zu tun.

Das Werk lud offenbar viele der Zuhörerinnen zur Reflexion und Auseinandersetzung ein. Viele schienen sich mit dem Schicksal der Hauptfigur, ihrer subtilen Abhängigkeit und ihrer Suche nach dem Ich identifizieren zu können. Durch das Verlesen kleinerer Ausschnitte deutete Annette Pehnt eine interessante Entwicklung an: Die Ich-Erzählerin schreibt keine Gedichte, wie ihr Ehemann glaubt, sondern Geschichten über „schmutzige Frauen“. Eine dieser in den Rahmen der Ich-Erzählung eingebetteten Geschichten gab Annette Pehnt preis: Sie spielt vermutlich in der Nachkriegszeit und setzt sich mit den damaligen Erziehungsvorstellungen auseinander, denen zufolge Mädchen zu besonderer Sauberkeit erzogen werden müssten. Vor diesem Hintergrund wird der Titel des Romans verständlich: Die „Schmutzigkeit“ der Frau ist wohl als Metapher für ihren Widerstand gegen die ihr zugewiesene gesellschaftliche Rolle gedacht.