Wehr – Die alte Verbindung zwischen dem Fricktal und dem Wehratal tönt in einer Reihe von noch heute geläufigen Herkunftsnamen nach. Die Oeschger, Uecker, Kaister und Fricker sind natürlich nach den gleichnamigen Dörfern des Fricktals benannt. Wann und wie diese Familien zu uns kamen, ist aber nicht mehr zu belegen. Bis auf eine Ausnahme. Es handelt sich um jene Fricker, die noch heute den Übernahmen „s´Schwyzerlis“ tragen.

Fricker war ein geläufiger Familienname

Gemäß Stadtchronist Jehle gab es um 1800 in Wehr allein zwölf Familien namens Fricker. Nach Büche (20) und Trefzger (19) seinerzeit der geläufigste Familienname. Indes kann die Geschichte der „Schwyzerlis“ exakt datiert werden. Sie begann an jenem 9. August 1844, als Rosina Reimann aus Oeschgen laut dem Wehrer Ehebuch den kinderlosen Witwer und Hausbesitzer Anton Staub heiratete. Dieser war schon 75 Jahre alt, während Rosina gerade einmal 28 Lenze zählte. Wohl eine arrangierte Ehe. Liebe auf den ersten Blick wird es nicht gewesen sein.

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Also kümmerte sich Rosina um ihren Ehemann bis er 1859 starb. Sie erbte das schmucke Haus, heute Wuhrstraße 23 (ehemals „Café Enkendorf“). Im Feuerversicherungsbuch von 1841 wird der Wert mit 2419 Gulden beziffert. Wie es scheint, war Rosina nicht bei bester Gesundheit. Zu ihrer Unterstützung kam, wie dem kommunalen Fremdenbuch zu entnehmen ist, am 12. Februar 1872 der junge Metzger Wilhelm Fricker aus Frick. Im dortigen Kirchenbuch lesen wir, dass Wilhelm am 4. März 1848 zur Welt gekommen war. Seine Mutter stammte aus Oeschgen, hieß Reimann und war eine Schwester eben jener Rosina Reimann, die man nach Wehr verheiratet hatte.

Wilhelm kommt als Hausknecht nach Wehr

Laut Fremdenbuch diente Wilhelm bei seiner Tante als „Hausknecht“. Als Rosina am 1. Januar 1873 verstarb, meldete ihr Neffe auf dem Rathaus ordnungsgemäß ihren Tod. Weil er sich um die Tante gekümmert hatte, erbte Wilhelm ihr Haus mit allen Liegenschaften und Fahrnissen. Der Wert des Erbes betrug 3600 Gulden. Ein hübsches Sümmchen, das zum Aufbau einer neuen Existenz in Wehr genügen sollte. Außerdem hatte sich Fricker in die Tochter des Waldhüters Wolfgang Mulflur verliebt. Klar, dass er heiraten, das Wehrer Bürgerrecht erwerben und badischer Staatsbürger werden wollte.

Sofort stellte er bei der Gemeinde und beim Bezirksamt in Säckingen die entsprechenden Anträge. Die Prognose war gut. Ratsschreiber Trefzger meldete am 19. April 1873 nach Säckingen, dass das Erbe „zum geordneten Lebensunterhalt reicht“. Wehrer und badischer Staatsbürger konnte man nur werden, wenn man Besitz und Lebensunterhalt hatte. Auch der Fricker Amann Vogel attestierte, Wilhelm sei nicht vorbestraft und stehe „in vollen bürgerlichen Rechten und Ehren“. Also heiratete Wilhelm Fricker am 1. Mai 1873 in St. Martin Maria Josefa Mulflur.

Doch dann zog er den Einbürgerungsantrag zurück. Was war geschehen? Offensichtlich hatte es wegen der deutschen Staatsbürgerschaft Stunk in der Schweizer Familie Fricker gegeben. Wilhelm wartete ab, bis sich der Rauch verzog und stellte am 15. Juli 1873 einen neuen Antrag. Den ersten habe er zurückgezogen, um vor der Hochzeit „einer unangenehmen Stimmung meiner Eltern und Anverwandten zu entgehen“. Nun sei er fest entschlossen, „in Wehr zu leben“.

Grenzüberschreitende Bürokratie

Wieder kam die grenzüberschreitende Bürokratie in Gang. Am 22. August 1873 meldete der Regierungsrat des Kantons Aargau, die Gemeinde Frick habe nichts gegen Frickers Verzicht auf seine „Gemeinde- und Kantonsbürgerrecht“ einzuwenden. Am 28. August wurde Wilhelm in das Wehrer Bürgerverzeichnis eingetragen. Erst dann konnte der Aargauer Regierungsrat dem Bezirksamt Säckingen mitteilen: „Es sei Wilhelm Fricker von Frick aus dem aargauischen Gemeinde- und Staatsverband nunmehr entlassen.“ Der Rest war Formsache. Ein paar Wochen später war das Großherzogtum Baden um einen Untertanen reicher.

Wilhelm Fricker erlebte Höhen und Tiefen. Rasch kamen zwei Töchter zur Welt. Aber seine Ehefrau starb bereits 1875. Zwei Jahre später heiratete er Elisabetha Probst aus Niederdossenbach. Sie gebar ihm zehn Kinder. Eine Tragödie war der Tod seines ältesten Sohnes August.

Ein Paradefoto des Landsturmmanns August Fricker am Ende seiner Dienstzeit. Er fiel am 3. Januar 1915 in Sennheim.
Ein Paradefoto des Landsturmmanns August Fricker am Ende seiner Dienstzeit. Er fiel am 3. Januar 1915 in Sennheim. | Bild: Repro: Reinhard Valenta

Ob man seinerzeit in Frick angesichts der martialischen Töne aus Deutschland so etwas geahnt hatte? August fiel am 3. Januar 1915 in Sennheim am Fuß des Hartmannsweiler Kopfes. Er war seit 1908 mit Kreszentia Kuni verheiratet und hatte vier Buben. Sie mussten unter härtesten Bedingungen als Halbwaisen aufwachsen.

Die Kriegerwitwe Kreszentia Fricker, geborene Kuni wenige Monate nach dem Tod ihres Ehemannes mit ihren Söhnen (von links) Ernst, ...
Die Kriegerwitwe Kreszentia Fricker, geborene Kuni wenige Monate nach dem Tod ihres Ehemannes mit ihren Söhnen (von links) Ernst, Albert, Willi und Erwin. Die blanke Not spricht aus dem Foto. | Bild: Repro: Reinhard Valenta

Großvater Wilhelm Fricker blieb aber keine Zeit, sich um die Enkel zu kümmern. Er verstarb am 26. Juli 1920 im Krankenhaus zu Schopfheim.