Wenn jemand für die gemeinsame Geschichte von Brennet und Wehr steht, dann Martin Denk. Er verbrachte insgesamt 28 Jahre seines Lebens in Wehr. Hier im Herrenhaus wohnte er in seiner Kindheit, seiner Jugend sowie in einigen Jahren seines Berufslebens.
Sein Vater Anton Denk war Vorstandsmitglied der mechanischen Buntweberei Brennet (MBB, später Brennet AG) und Chef der Wehrer Weberei, seine Mutter Claire eine geborene Schweizerin. Die Liebe zu ihrem Mann war größer als ihre Abscheu vor der Hitler-Diktatur, weswegen sie 1936 nach Wehr ins Herrenhaus zog.
Claire Denk erzog ihre beiden Söhne Berthold und Martin im Sinne eines sozialen Katholizismus. Martin wurde dementsprechend Ministrant. Bis zum Ende seiner Ausbildung in der MBB versah er an Sonntagen in der Pfarrkirche St. Martin seinen Dienst. Alte Wehrer erinnern sich noch an den schlanken Ministranten mit der sonoren Stimme.
1970 Modernisierung des Hauses
Martin Denk war begeistert von der Idee Stephan Denks, das Herrenhaus in ein Textilmuseum zu verwandeln. Allerdings hatte er einen Wunsch. „Martin wünschte sich sehnlichst“, so Stephan Denk im Rückblick, „dass das Herrenhaus wieder einen Glockenturm bekäme. Für ihn bildete das Gebäude mit dem Turm eine untrennbare Einheit. Schließlich war er dort aufgewachsen und hatte dieses Bild immer vor Augen.“
Woher kam dieser Wunsch?
Beim Betrachten historischer Fotografien fällt sofort auf, dass das Herrenhaus immer einen kleinen Glockenturm besaß. Noch in den 1960er Jahren war das so. Dieser Dachreiter hatte einen praktischen Sinn. Nachdem der Basler Eisenfabrikant Samuel Burckhardt 1731 die Konzession zum Betrieb des Eisenwerks erhalten hatte, investierte er 20.000 Gulden in die Modernisierung der veralteten Anlage. Er ließ das Herrenhaus für den Direktor errichten und neue Laborantenhäuser für seine Hammerschmiede bauen.

Das Herrenhaus bekam einen Glockenturm mit Geläut und Uhr. Deren Mechanik war aus Wehrer Eisen gefertigt. Die Glocken riefen die schwer schuftenden Hammerschmiede, Schmelzer, Kohlknechte und Tagelöhner frühmorgens zur Arbeit. Sie erklangen zur Mittagspause und abends zum Arbeitsschluss. Geläutet wurden sie auch, wenn Gefahr im Verzug war. So wurde es auch in den Anfangszeiten der Textilindustrie gehandhabt, nachdem im „Hammer“ 1864 eine Buntweberei an die Stelle des Eisenwerks getreten war.
1970 verschwindet der Glockenturm vom Dach
1970 stellte Robert Denk – damals Technikvorstand der Brennet AG – bei einem seiner Kontrollgänge fest, dass am Dach des inzwischen 239 Jahre alten Gebäudes der Zahn der Zeit genagt hatte. Also wurde es umgehend saniert, der Glockenturm jedoch weggelassen. Ein Geläut mit Seilen, die im Treppenhaus baumelten, machte im Zeitalter der Werkssirene keinen Sinn mehr. Der geschichtsbegeisterte Robert Denk ließ aber die alte Turmuhr restaurieren und bewahrte sie für spätere Zeiten auf. Ihre Stunde sollte 30 Jahre später schlagen.

Denn da beschloss Roberts Adoptivsohn Stephan Denk, aus dem Herrenhaus und dem angebauten Laborantengebäude ein Textilmuseum zu machen. Im obersten Stockwerk fand die Turmuhr ihren Platz und erinnert an die alte Eisenzeit. In den folgenden Jahren ließ Denk den gesamten Gebäudekomplex von Grund auf renovieren. Nur der Glockenturm fehlte. Das empfand Martin Denk als Manko. Erst mit Glockenturm ergab sich vor seinem inneren Auge das vollständige Bild seines Elternhauses.
Das Versprechen muss warten
Daher nahm er noch kurz vor seinem Tod Stephan Denk das Versprechen ab, das Herrenhaus wieder mit einem Glockenturm zu bestücken. In Martin Denks Todesjahr 2012 befand sich jedoch die Brennet AG in schwerem Fahrwasser. Das Versprechen musste warten. Nach dem verheerenden Brand der Spinnerei Hausen wurde die Textilproduktion eingestellt und die Firma in ein Immobilienunternehmen konvertiert. Das brauchte Zeit und Energie.

Ein Herzstück dieses Großprojekts war die Konversion des seit dem Mittelalter industriell genutzten Brennet-Areals in ein Zentrum des Handels und Einkaufs. Nachdem die Märkte eingezogen und auch die Apotheke eröffnet war, nahm Stephan Denk den unvergessenen Wunsch des verstorbenen Martin Denk auf die Tagesordnung seiner Immobilien GmbH.
Mit dem Glockenturm auf dem Herrenhaus wird das alte Erscheinungsbild eines markanten Wehrer Gebäudes wiederhergestellt. Wehrer dürfen gespannt sein, wie die Glocken demnächst läuten werden.