Der viele Verkehr auf der Bundesstraße 33 produziert Abgase und ist schlecht für die Umwelt. Passenderweise genau dort plant die Gemeinde Allensbach nun ihre bisher größte Maßnahme für den Klimaschutz und will damit Pionierarbeit leisten. Auf einem etwa 1,7 Kilometer langen Lärmschutzwall südlich der vierspurigen Straße im Westen des Orts soll eine Photovoltaikanlage (PV) mit einer Fläche von rund 1,55 Hektar Platz finden. Das wäre die maximale Nutzung. Bürgermeister Stefan Friedrich sagte dazu in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats: „Das ist ein sehr großer Meilenstein.“
Lärmschutz und Ökostrom
Von einem Solartunnel über der A81 bei Engen war bereits als Zukunftsprojekt die Rede, nun will die Gemeinde Allensbach den Lärmschutz an einem Straßenabschnitt der B33 als Träger für Energiegewinnung nutzen. Nach Vorgesprächen mit den zuständigen Behörden sei dieses genehmigungsfähig, erklärte der Bürgermeister.
Die Idee dazu hatte die Lokale-Agenda-Gruppe Energie, Ressourcen, Klimaschutz aus der Gemeinde. Wolfgang Zoll und Gemeinderäte dankten für den Vorstoß und das Votum für die Planung fiel einstimmig aus. Auch, um den im vergangenen Jahr gefassten Klimaplan zu untermauern. Ein Vorhaben darin lautet, dass die Gemeinde aktiv Flächen für PV-Anlagen suchen soll.
Mit dieser großen PV-Anlage könnten jährlich im Schnitt rund zwei Millionen Kilowattstunden Ökostrom erzeugt werden, sagte Matthias Fix, Leiter des Allensbacher Rechnungsamts. Diese Menge reicht, um circa 800 Zwei-Personen-Haushalte zu versorgen. Laut einer Grobkostenberechnung sei dafür – inklusive Zusatzkosten – eine Investition in Höhe von 2 Millionen Euro nötig, so Fix.
Deutliche Preissteigerung am Markt
Doch eine Realisierung soll nicht nur dem Klima dienen. Bei einer Laufzeit von 30 Jahren sei mit Gesamterlösen von mehr als 8,3 Millionen Euro und einem Reingewinn von knapp drei Millionen Euro zu rechnen, sagte Fix. Allerdings merkte er auch an: „Das ist alles vorbehaltlich. Der Markt ist angespannt.“ Es gebe bereits gegenüber früheren Kostenschätzungen aufgrund von Lieferschwierigkeiten, hoher Nachfrage und Inflation eine deutliche Preissteigerung.
Wenn alles nach Plan läuft, könnte die Photovoltaikanlage in etwa einem Jahr in Betrieb gehen. Teile der Straßeninfrastruktur für die regenerative Energiegewinnung zu nutzen, wird immer beliebter – Beispiele sind bei Offenburg und im Landkreis Altötting zu finden.
Für das Vorhaben bei Allensbach fehlt aber noch ein abschließendes Blendschutzgutachten. Bisherige Untersuchungen haben ergeben, dass weder der Verkehr auf der B33 noch die Bahn und der Schiffsverkehr sowie die Wohnbebauung im Westen von Allensbach durch mögliche Reflexionen der Photovoltaikmodule beeinträchtigt werden – möglicherweise aber Bereiche der südlich davon verlaufenden Kreisstraße. Hier könnte zusätzlich Schutzmaßnahmen notwendig werden, erklärten Zoll und Fix.
Erst einmal keine Eigennutzung
Wie wirtschaftlich das Projekt für die Gemeinde wird, hängt von vielen Faktoren ab. Ein Knackpunkt: Der selbst produzierte Strom könnte erst einmal nicht für kommunale Gebäude genutzt werden. Weshalb nicht? Weil es noch bis Ende 2025 gültige Verträge für Bezug von Ökostrom gibt. Erst danach könne man darüber neu diskutieren, so Fix: „Eine Eigennutzung wäre natürlich günstiger für die Gemeinde.“
Der Erlös, den es für produzierten Strom gibt, ist deutlich geringer als der Preis, der für Bezug zu bezahlen ist. Bis Ende 2025 will die Gemeinde den Strom über zwei Schienen verkaufen. Zum einen auf dem freien Strommarkt, auf dem die Preise schwanken, so Fix. Zwischen zehn und 30 Cent pro Kilowattstunde (kWh) könnten erzielt werden. Wie sich die Vergütung bis in ein paar Jahren entwickelt, ist ungewiss. Zum anderen habe die Gemeinde Angebote von den Stadtwerken Konstanz und Radolfzell als Direktvermarkter eingeholt: Hier gebe es das fixe Angebot von 12,5 Cent pro Kilowattstunde bei einer Laufzeit von fünf Jahren, erklärte der Rechnungsamtsleiter.
Der Gemeinderat stimmte auch diesem Vermarktungs-Mix zu. Wohlwissend, dass Allensbach dann erst ab 2028 den an der Bundesstraße gewonnenen Strom komplett selbst nutzen kann. Finanzieren will die Gemeinde das Projekt über den Eigenbetrieb Wasserversorgung, sagte Fix. Der Eigenbetrieb könne hierzu problemlos ein Darlehen aufnehmen. Eine Finanzierung über den kommunalen Haushalt würde bedeuten, finanzielle Rücklagen plündern zu müssen, bevor die Gemeinde neue Schulden machen dürfte.
Was sagen die Gemeinderäte?
Karin Heiligmann (Freie Wähler) lobte das Engagement der Bürger. „Ohne die Idee der Agenda-Gruppe wären wir heute nicht an diesem Punkt.“ Und bei aller Zustimmung sei es „schade, dass wir Allensbacher den Strom nicht selbst nutzen können“. Patrick Konopka (FDP) sagte: „Mich freut es wahnsinnig, dass es jetzt so vorangeht“. Hierfür gebe es auch Rückhalt in der Bürgerschaft, war er der Auffassung. Er schlug beim Blick auf die Finanzierung vor, dass die Gemeinde nicht notwendige Immobilien verkauft. Laut dem beschlossenen Klimaplan sollten Maßnahmen wie diese nicht dazu führen, dass Entgelte erhöht oder andere Projekte aufgeschoben werden müssen.
Jürgen Saegert (Bunte Liste) plädierte ebenfalls für Immobilienverkäufe. Franz Scheppe (CDU) sagte zu dem Projekt: „Wenn nicht da, wo dann?“ Der Blendschutz für einen Teil der Kreisstraße sollte kein Problem sein, erklärte er. „Was die Wirtschaftlichkeitsberechnung angeht, da bin ich skeptisch“, merkte Scheppe zwar an. Klar sei für ihn jedoch: „Man muss es einfach angehen“.