Freude und Ärger liegen nah beieinander. Wer an der Ampel an der Ortsausfahrt in Wollmatingen geradeaus weiterfahren will, wird jäh ausgebremst. Die Weiterfahrt auf der Radolfzeller Straße oder auch der Landesstraße 220 ist für den Autoverkehr gesperrt.

Richtung Radolfzell geht es nur noch auf der Kindlebildstraße, die zur B33 weiterführt. Gleiches gilt für die Einfahrt nach Wollmatingen, sie ist von der Waldsiedlung aus auf der L220 nicht mehr möglich.

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Anwohner freut sich über Beruhigung

Tobias Bosch ist darüber sehr glücklich. Er wohnt direkt an der Radolfzeller Straße, der Ortsdurchfahrt von Wollmatingen. „Es ist ein Segen“, sagt er. Die Sperrung sorge für eine extreme Verkehrsberuhigung, vor allem an den Wochenenden. „Das wurde mit dem Tunnelbau für die B33 auch so versprochen.“

Wie es vorher war, darüber mag Tobias Bosch gar nicht mehr nachdenken. Von 16.30 bis 18.30 Uhr habe es regelmäßig Stau gegeben, der sich weit in den Ortsteil hinein zog. Das habe sich mit der neuen Verkehrsführung nun gegeben. Jetzt sei das Leben an der Radolfzeller Straße deutlich entspannter als vorher. Kleiner Wermutstropfen: Pizzalieferdienste und Taxis hielten sich nicht an das vorgeschriebene Tempo 30.

Ärger für Filialleiter von Pizza Tassone

Was Tobias Bosch glücklich macht, ärgert Halil Yarba, Filialleiter von Pizza Tassone an der Radolfzeller Straße: Zuvor seien einige Allensbacher oder Hegner nach Wollmatingen zum Einkaufen gefahren und hätten danach eine Pizza mitgenommen. Sie kämen wegen der Straßensperrung nun nicht mehr.

Halil Yarba von „Pizza Tassone“ ist es inzwischen zu ruhig in Wollmatingen. Ein guter Teil seiner Kundschaft bestellt jetzt ...
Halil Yarba von „Pizza Tassone“ ist es inzwischen zu ruhig in Wollmatingen. Ein guter Teil seiner Kundschaft bestellt jetzt woanders Pizza. | Bild: Wagner, Claudia

Ebenso seien etliche Touristen früher durch Wollmatingen gefahren, die in Ferienwohnungen in Allensbach oder der Waldsiedlung untergekommen waren. Auch sie fielen nun als Pizza-Kunden weg. „Viele machten Fotos von unserem Geschäft und bestellten später“, sagt Yarba.

Zum weiteren Ärger des Filialleiters dauere es jetzt auch länger, Pizzen nach Allensbach auszuliefern, da die direkte Fahrt über die Radolfzeller Straße nicht mehr möglich sei. „Der Weg ist jetzt bestimmt drei bis vier Kilometer länger. Bei den jetzigen Spritpreisen ist das ungünstig“, sagt Yarba. Im Moment plant er, die Preise für die Lieferfahrten zu erhöhen – allerdings hauptsächlich wegen der Kostensteigerung bei der Energie.

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Bäcker versucht, positive Seiten zu sehen

Bei der Bäckereifiliale Kopp sind die Umsätze ebenfalls zurückgegangen: „Die Leute fahren jetzt außenrum“, sagt Peter Kopp, Inhaber der Bäckerei Kopp in Dettingen und Wollmatingen. Wer früher als Pendler oder Handwerker sein Frühstück beim Bäcker abholte, fährt nun nicht mehr durch den Ort. Und auch bei seinem Geschäft fehlen jetzt die Touristen als Kunden.

„Für die Wollmatinger bedeutet es eine Verkehrsberuhigung“, sieht Kopp die positiven Seiten. Aus der Sicht des Geschäftsmanns sei es eine Verschlechterung. Kopp spricht von etwa einem Viertel der Kunden, die nun fehlen. Angesichts der Kostensteigerungen in allen Bereichen sei die Straßensperrung zu einer ungünstigen Zeit erfolgt.

Hungrige kommen nicht mehr zum Dönerladen

Auch Diyaddin Celik, Betreiber des Dönerladens in derselben Straße etwas weiter Richtung Osten, ist nicht glücklich mit der Situation. „Wir haben sehr viel weniger Kunden, richtig schlimm“, klagt er. Viele, die in Konstanz arbeiteten und nach der Arbeit relativ spät Richtung Allensbach oder Radolfzell nach Hause fuhren, hätten regelmäßig einen Döner fürs Abendessen mitgenommen. „Sie fahren jetzt anders.“

Diyaddin Celik vom Döner-Imbiss Sahara ist unglücklich darüber, dass ein Teil seiner Kundschaft inzwischen wegfällt.
Diyaddin Celik vom Döner-Imbiss Sahara ist unglücklich darüber, dass ein Teil seiner Kundschaft inzwischen wegfällt. | Bild: Wagner, Claudia

Abends gegen 20 Uhr sei „tote Hose“ – vor der Sperrung war es mit die beste Verkaufszeit. Er schätzt, dass er dadurch fünf bis zehn Prozent weniger Umsatz habe. Wie er darauf reagieren werde, weiß Celik noch nicht. Vermutlich werde er die Preise erhöhen müssen. Bislang seien diese Preise noch sehr moderat: „Bei mir gibt es einen Döner noch für 5,50 Euro. Das finde ich angemessen, nicht alle Familien oder Studenten haben viel Geld.“

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Aydo Kir, Inhaber des direkt benachbarten Friseursalons, macht ähnliche Erfahrungen: „Die Kunden, die zufällig hier vorbei kommen – oft Touristen – bleiben jetzt aus“, sagt er, „im Sommer spürt man das schon“. Klar habe er vor allem Stammkunden und sie kämen nach wie vor zuverlässig. Doch er schätze, dass er 15 bis 20 Prozent Kunden verloren habe durch die Straßensperrung. Im Moment müsse er die Situation so akzeptieren: „Dagegen komme ich nicht an.“

Kioskbetreiberin: „Einwandfrei. Für mich passt es.“

Weniger Probleme verzeichnet Rosaria Ferreira, die den Kiosk an derselben Straße betreibt. „Ich habe meine Kundschaft hauptsächlich unter Wollmatingern“, sagt sie. Manchmal hielten Radfahrer kurz an, um etwas zu trinken zu kaufen. Bislang habe sie keine Änderungen bei ihren Umsätzen feststellen können – und „zum Wohnen ist es viel angenehmer, einwandfrei“, sagt Ferreira. „Für mich passt es.“

Rosaria Ferreira in ihrem Kiosk an der Radolfzeller Straße. Für sie und ihr Geschäft hat sich durch die Straßensperrung wenig verändert.
Rosaria Ferreira in ihrem Kiosk an der Radolfzeller Straße. Für sie und ihr Geschäft hat sich durch die Straßensperrung wenig verändert. | Bild: Wagner, Claudia

Peter und Angela Haag wohnen am Friedhofweg in Wollmatingen, sind vom Verkehrslärm der Durchgangsstraße also nicht betroffen. Dennoch sehen sie wie Tobias Bosch die Verbesserung für den Ortsteil. „Jahrzehntelang hat die Radolfzeller Straße den ganzen Verkehr abbekommen. Das war ein Unding“, sagt Peter Haag – in dieser Hinsicht sei die Sperrung für viele Wollmatinger eine große Verbesserung.

Angela und Peter Haag können der Sperrung der Radolfzeller Straße jenseits von Wollmatingen vor allem Positives abgewinnen. Sie trage ...
Angela und Peter Haag können der Sperrung der Radolfzeller Straße jenseits von Wollmatingen vor allem Positives abgewinnen. Sie trage zur Verkehrsberuhigung bei. | Bild: Wagner, Claudia