Nordwestlich von Allensbach, zwischen Äckern und Wiesen, wird derzeit gebaut. Auf den ersten Blick lässt sich nur mutmaßen, was dort entstehen soll. Vier Wände und ein Dach hat der Rohbau, die Form gleicht der eines langgestreckten Quaders.
Was genau es damit auf sich hat, das fragen sich auch einige Anwohner. Auf dem sozialen Netzwerk Facebook ist kürzlich eine lebhafte Diskussion über die Baustelle ausgebrochen: „Wer weiß, was denn da Schönes gebaut wird in Allensbach?“, fragt ein Nutzer in die Gruppe. Ein anderer kommentiert scherzhaft: „Eine neue Fest- und Partyhalle für alle.“ Wiederum ein Allensbacher scheint sich sicher zu sein: „Das ist eine riesige Halle für Gemüse.“ Weiter befürchtet der Mann: „Sicherlich mit viel Logistik und LKW-Verkehr. Das werden die umliegenden Bürger spüren.“

Süßkartoffeln statt Party
Mutmaßungen über den künftigen Zweck des neuen Gebäudes gibt es offensichtlich viele. Doch was davon stimmt nun? Frank Ruhland vom Ortsbauamt Allensbach klärt auf: „Es wird hier eine Lagerhalle zur Lagerung [...] von selbst produziertem Gemüse (Süßkartoffeln) gebaut.“
Auf das Verkehrsaufkommen innerhalb des Dorfs wird sich die Halle laut Ruhland kaum auswirken, denn: „Die Zuwegung zur Lagerhalle wird [...] über die Abfahrt Allensbach Knoten Mitte, den landwirtschaftlichen Weg nördlich der B33 und über die Holzgassenbrücke erfolgen.“
Eine An- oder Abfahrt aus südlicher Richtung – also über die Nägelriedstraße und die Holzgasse – sei nicht vorgesehen. Auf Höhe des Knotens Mitte sollen Lastwagen die Unterführung nutzen, um wieder auf die B33 in Richtung Reichenau – wo das Gemüse herkommt – aufzufahren, so Ruhland.
Halle gehört Reichenauer Gemüsegärtner
Bleibt eine Frage offen: Wem gehört das Teil denn nun? Der Besitzer heißt Benjamin Wagner. Der Bio-Gemüsegärtner von der Reichenau hat große Pläne – er will seine Süßkartoffel-Produktion verdreifachen. Dafür braucht er mehr Lagerraum. Und mit rund 2000 Tonnen fasse die neue Lagerhalle doppelt so viele Süßkartoffeln wie die bisherige Halle auf der Reichenau.

Dass er seine Produktion so immens steigern kann, hänge vor allem mit einer neuen Anbaumethode zusammen, erklärt Wagner. Die Süßkartoffel sei ein tropisches Gewächs, besonders gut gedeihe sie in südlichen Ländern. „In unserem Breitengrad ist es deshalb schon fast eine Kunst, wenn die Knolle eine bestimmte Größe erreicht“, meint der 39-Jährige.

Um das Gemüse also bei deutschem Klima ideal anbauen zu können, ist Benjamin Wagner erfinderisch geworden. „Bisher habe ich die Blattstecklinge direkt im Freiland gesteckt“, sagt er. Jetzt ziehe er die Jungpflanzen zunächst im Gewächshaus auf, bis sie eine bestimmte Größe haben. Erst dann setze er sie in das Feld. Das hat laut dem Gemüsegärtner einen bedeutenden Vorteil: „Die Jungpflanze gewinnt einen Vorsprung, wodurch die Knollen bis zur Erntezeit größer werden.“
Einmal geerntet, durchlaufen die Süßkartoffeln eine sogenannte Heilungsphase, in der sie idealerweise 14 Tage lang bei rund 25 Grad härten. Erst danach seien sie lagerfähig, sagt Wagner. In der Halle selbst blieben sie dann bei 12 Grad ein Jahr lang frisch.
Süßkartoffel ist Trend-Gemüse
Benjamin Wagner setzt auf die Süßkartoffel, wie er sagt. „Sie ist anspruchsloser als die normale Kartoffel, sie braucht weniger Wasser und Nährstoffe. Das passt sehr gut in unsere Zeit“, findet der Gemüsegärtner. Und bei den Konsumenten sei die Süßkartoffel weiterhin im Trend. Das wundert kaum, denn sie ist sehr vitaminreich und multifunktional – man kann sie kochen, braten, frittieren oder backen.
Eine Partyhalle zwischen Feldern und Wiesen wird es – wohl zur Enttäuschung einiger Allensbacher – somit (vorerst) nicht geben. Dafür beheimatet die Gemeinde am Bodensee aber bald riesige Mengen eines multifunktionellen Gemüses.