Steigende Energiepreise, Lieferengpässe bei manchen Gütern und die Inflation machen den Reichenauer Gemüse-Gärtnern zunehmend zu schaffen. Johannes Bliestle, Geschäftsführer der Gemüse-Genossenschaft, schaut mit unguten Vorahnungen voraus. „Vor den nächsten Monaten wird mir Angst und Bange. Der Preiskampf tobt überall. Wir stellen uns auf ein sehr hartes Jahr ein.“

Einzelhandel unter Druck

Durch die Inflation und die gesunkene Kaufkraft stehe der Lebensmitteleinzelhandel unter Druck. Da werde gern mit günstigen Angeboten aus dem Ausland geworben. Und weil viele Menschen sparen müssen, griffen sie zu. Der Bio-Fachhandel verzeichne ebenfalls Umsatzeinbußen. Das sei zwar einerseits verständlich, andererseits „leidet darunter die heimische Produktion, weil hier die Kosten höher sind“, so Bliestle.

Johannes Bliestle, der Geschäftsführer der Reichenauer Gemüse-Genossenschaft, erwartet angesichts steigender Betriebskosten und anderer ...
Johannes Bliestle, der Geschäftsführer der Reichenauer Gemüse-Genossenschaft, erwartet angesichts steigender Betriebskosten und anderer Faktoren ein schweres Jahr für die Gemüse-Gärtner. | Bild: Zoch, Thomas

Die Schwierigkeiten für die Unternehmer reichen von den gestiegenen Energiekosten und Engpässen etwa bei Düngemitteln oder Verpackungsmaterial über die höheren Preise für Transporte bis hin zum Anstieg des Mindestlohns. Die Genossenschaft habe anhand einiger Reichenauer Betriebe die zu erwartende durchschnittliche Steigerung der Betriebskosten berechnet. Für 2022 komme man auf 20 Prozent, für 2023 auf weitere 30.

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Das sei überall in Deutschland so und treffe auch andere Anbau-Branchen. Bliestle rechnet damit, dass in der Folge landwirtschaftliche Betriebe aufgeben werden und die Eigenversorgungsrate mit Produkten aus heimischem Anbau sinkt. Auf der Reichenau dürfte sich dadurch auch der Strukturwandel beschleunigen.

Schon seit etlichen Jahren sinkt die Zahl der Betriebe in der Genossenschaft. Im Jahr 2021 haben sieben weitere aufgegeben – aus Altersgründen und mangels Nachfolger. Immerhin seien diese Anbauflächen von anderen übernommen worden.

Zehn von 50 setzen auf Bio

Aktuell sind es noch 50 Betriebe in der Gemüse eG – davon zehn mit Bioproduktion. Zum Glück habe die Reichenauer Genossenschaft feste strategische Partner wie Edeka, Rewe oder Alnatura und müsse die Ware nicht nur frei verkaufen.

Bedeckt von Feldern und Gewächshäusern – der Gemüse-Anbau prägt die Insel Reichenau sichtbar.
Bedeckt von Feldern und Gewächshäusern – der Gemüse-Anbau prägt die Insel Reichenau sichtbar. | Bild: Achim Mende

Der Rückblick sieht positiver aus. „Wir sind ganz gut durch die Pandemie-Jahre gekommen“, bilanziert Bliestle. Natürlich habe es auch da zusätzliche Kosten gegeben, etwa für Hygienemaßnahmen. Aber gerade 2021 sei insgesamt gut gelaufen. „Die Preise waren durchweg besser als im Vorjahr.“

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Das liegt nach Angaben des Geschäftsführers auch an den höherwertigen Produkten. So ging Anfang 2021 die neue Bio-Gärtnersiedlung mit vier Hektar unter Glas bei Singen-Beuren an den Start; der Gärtner Max Meissner produzierte dort vor allem Paprika, Tomaten und Gurken. „Das hat einen irrsinnigen Schub gegeben“, so Bliestle.

Die Menge an Biogemüse sei dadurch von vier Millionen Kilogramm 2020 auf 5,3 Millionen Kilogramm 2021 gestiegen. Sie mache nun 36 Prozent der Gesamtproduktion aus.

Beim Umsatz wuchs der Bio-Anteil sogar von 38 auf 47 Prozent; der Gesamtumsatz stieg um 14,6 Prozent auf 41,4 Millionen Euro. Durch die neue Anlage auf dem Festland – bereits die vierte dieser Art – hätten auch Mengeneinbußen ausgeglichen werden können, die es unter anderem durch das kühle Frühjahr gab. Die Gesamtmenge an vermarktetem Gemüse aus eigener Produktion lag am Ende mit 14.759 Tonnen auf dem Niveau von 2020 (14.723).

Von Ingwer bis Zitronengras

Außerdem sei die Produktpalette im Bioanbau nach und nach erweitert worden, so Bliestle. Neben den Hauptprodukten Paprika, Tomaten, Gurken und Kräutern gebe es mittlerweile zum Beispiel diverse Salate, Brokkoli, Kohlrabi, Rettich sowie exotischere Sorten wie Ingwer, Topinambur und Zitronengras.

Auch Süßkartoffeln wachsen auf den Feldern der Insel Reichenau.
Auch Süßkartoffeln wachsen auf den Feldern der Insel Reichenau. | Bild: Volk, Siegfried

Zudem wurden 2021 rund 440 Tonnen Süßkartoffeln geerntet. Weil die nur im Freien angebaut werden, blieb der Anteil des Freilandanbaus an der Gesamtproduktion der Genossenschaftsbetriebe mit 863 Tonnen noch bei sechs Prozent – alles andere gedeiht im Gewächshaus. „Wir gehen davon aus, dass er bestenfalls auf diesem Niveau gehalten werden kann“, so Bliestle.

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Um strukturellen Nachteilen gegenüber anderen Anbaugebieten und den steigenden Kosten entgegenzuwirken, setzen die Reichenauer nicht nur auf Qualität, sondern immer wieder auf neue Produkte, erklärt der Geschäftsführer. So gebe es nun – im konventionellen Anbau – die gesprenkelte Graffiti-Aubergine und die dünne, lange Japan-Aubergine. Die werde auf derzeit 1700 Quadratmetern auf der Insel angebaut, man rechne mit einer Erntemenge von circa einer Tonne. Ein Baustein, der zum wirtschaftlichen Erfolg beitragen soll. Aber nicht der einzige.

Ein Betrieb habe mit bunten Fleischtomaten im Bioanbau begonnen, berichtet Bliestle. Wobei es bei solchen neuen Produkten in der Regel zunächst eine Kaufzurückhaltung bei Verbrauchern gebe.

Ein Reichenauer Gärtner-Betrieb baut nun auch diese bunten Fleischtomaten an und erweitert die ohnehin schon große Palette an Tomatensorten.
Ein Reichenauer Gärtner-Betrieb baut nun auch diese bunten Fleischtomaten an und erweitert die ohnehin schon große Palette an Tomatensorten. | Bild: Zoch, Thomas

In der Corona-Zeit habe sich der Trend hin zu regionalen und Bio-Produkten verstärkt, berichtet Bliestle. „Die Leute hatten mehr Geld und konnten weniger damit machen.“ Da sei mehr für höherwertige Lebensmittel ausgegeben worden.

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Bliestle hofft, dass sich dieser Trend nun nicht umkehrt. Die Verbraucher könnten mehr auf Saisonalität achten, dann seien regionale Produkte in der Regel auch nicht so teuer, gibt er als Tipp.

Auberginen von der Reichenau gebe es zum Beispiel von Ende Mai bis Mitte/Ende Oktober. Und es würden immer noch viele Lebensmittel weggeworfen, so Bliestle. Daher rät er dazu, mehr mit Augenmaß einzukaufen – nur das, was man aktuell wirklich brauche. Dann könne man auch Geld sparen.