Ob bio, vegan, super-proteinreich oder total regional – die Lebensmittelbranche erfindet sich immer wieder neu. Wo früher Bertolt Brechts Ausruf galt: „Erst kommt das Fressen und dann die Moral“ wird mit steigendem Lebensstandard der Menschen beides kombiniert.

Essen ist heute so viel mehr als Sattwerden – es ist Lifestyle, Instagram-Post und politisches Statement gleichermaßen. Kein Wunder, dass dieser Hype auch in Deutschlands Gründerszene angekommen ist: „Food-Start-ups erleben einen regelrechten Boom“, bestätigt auch Christina Lang, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Strategische Innovation & Technologiemanagement (IST) der HTWG Konstanz.

Wer will schon nach München oder Berlin?

Nach München, Mannheim und Berlin ziehe es viele Gründer mit dem Ziel, möglichst schnell wachsen zu können. „In unserer Region beobachten wir hingegen eher Gründer, die nachhaltiges Unternehmertum im Sinn haben“, sagt Christina Lang.

Impact – also Einfluss – laute dabei das Zauberwort: „Viele junge Gründerinnen und Gründer möchten etwas tun, was einen Unterschied macht“, erklärt die Expertin, „sie möchten die Welt nachhaltiger, Menschen gesünder oder ihre Heimatregion attraktiver machen.“

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Doch mit Liebhaberei habe das nichts zu tun: „Speziell mit einem Food-Start-up kann man Gewinn erzielen und gleichzeitig einen Beitrag leisten“, ist Gründungsszenen-Expertin Lang sicher. Die Einstiegshürden seien in dieser Branche niedriger als beispielsweise in der Tech-Szene: „Man braucht nicht von Anfang an ein Millioneninvestment, um etwa einen teuren technischen Prototypen zu bauen.“

Viele Food-Start-up-Gründerteams, wie etwa Knödelkult aus Konstanz oder Veprosa aus Rheinfelden haben in ihrer heimischen Küche begonnen zu tüfteln und ihre Produkte zu verfeinern. Erst mit der industriellen Produktion, kamen höhere Kosten auf sie zu.

Qual der Wahl im Supermarkt. Immer mehr Produkte kommen aus der Region – und von Food Startups.
Qual der Wahl im Supermarkt. Immer mehr Produkte kommen aus der Region – und von Food Startups. | Bild: Benjamin Nolte, dpa

Welche Chancen haben Start-ups fernab der Gründungsmetropolen wirklich? Wer auf Tech-Know-how und Großinvestoren angewiesen sei, sollte über einen Umzug nach München oder Berlin nachdenken, sagt Cristina Lang. „Wer aber, wie beispielsweise Kräuterkraft aus Ravensburg, regionale Biokräuter in der Heimatregion ernten kann, ist in seiner Heimat genau richtig“, so Lang, „und auch das digitale Lieferservice-Start-up Food Alley aus Villingen-Schwenningen deckt eine wichtige Nische ab, während es in einer Großstadt gegen die etablierten Konkurrenten ganz schön kämpfen müsste.“

Hier stellen wir Food-Startups aus Südbaden und Oberschwaben vor:

Veprosa aus Rheinfelden

Alissa Nönninger & Dominik Kübler von Veprosa haben proteinreiche Sportlernahrung erfunden.
Alissa Nönninger & Dominik Kübler von Veprosa haben proteinreiche Sportlernahrung erfunden. | Bild: Veprosa

Immer mehr Menschen in Deutschland ernähren sich vegetarisch oder vegan. „Ganz ohne Milchprodukte und Fleisch den Proteinbedarf zu decken, ist aber gar nicht so einfach“, weiß der ausgebildete Sport- und Gymnastiklehrer Dominik Kübler, „besonders, wenn man Kraftsport betreibt, wie wir!“

Gemeinsam mit Alissa Nönninger tüftelte der Rheinfelder zu Hause an einer Lösung für das persönliche Eiweiß-Problem. „Wir haben dabei eine High-Protein-Tomatensoße entwickelt, die sich in jede frische Mahlzeit zu Gemüse, Getreide und Hülsenfrüchten integrieren lässt“, so Kübler. Und schnell war ihnen klar: „Das hat Start-up-Potenzial!“

Besonders für Kraftsportler interessant: High-Protein-Tomatensoße. Bilder: Veprosa
Besonders für Kraftsportler interessant: High-Protein-Tomatensoße. Bilder: Veprosa | Bild: Christoph Bauer

Im Januar 2020 gründeten sie ihr Food-Start-up Veprosa, im August standen die ersten Soßen in Supermarktregalen. Bisher stecken rund 50.000 Euro in der Business-Idee, mit ersten Gewinnen rechnen sie im März oder April 2022. „Dann wollen wir auch Mitarbeitende einstellen, um irgendwann in jedem Supermarkt in der Dach-Region vertreten zu sein und die vegane Bewegung weiter voranzutreiben“, sagen die Unternehmensgründer.

Food Alley aus Villingen

Pascal Fischer, Philip Vögele und Marc Krajewski (v.li.) haben mit ihrem Start-up Food Alley ein regionales Lieferando aufgebaut.
Pascal Fischer, Philip Vögele und Marc Krajewski (v.li.) haben mit ihrem Start-up Food Alley ein regionales Lieferando aufgebaut. | Bild: Göbel, Nathalie

Hoher logistischer Aufwand – das ist der Grund, warum viele kleine Restaurants im ländlichen Raum keinen Heimlieferservice anbieten. „Zwar gibt es große Anbieter, die Lieferungen für Gastronomen übernehmen, die Provisionen sind aber oft sehr teuer, sodass oft kaum Gewinn übrig bleibt“, sagt Philip Vögele aus Villingen-Schwenningen. Deshalb hat er gemeinsam mit seinen Kindheitsfreunden Pascal Fischer und Marc Krajewski 2017 die Idee zur Plattform Food Alley realisiert. Ähnlich wie Lieferando im Kleinen stellen sie Restaurants die digitale Infrastruktur, um schnell und einfach Essen zu bestellen, zur Verfügung.

Essen einfach bestellen geht mit Food Alley.  Bilder: Food Alley
Essen einfach bestellen geht mit Food Alley. Bilder: Food Alley | Bild: Göbel, Nathalie

Über 200 Gastronomen im Raum Villingen-Schwenningen, Rottweil, Reutlingen, Singen und Konstanz nutzen das bereits. Durch Lockdowns und Restaurantschließungen nahm die Anzahl der Kunden und Nutzer im Corona-Jahr 2020 noch mal an Fahrt auf und die drei gründeten schließlich eine GmbH. Mittlerweile bietet Food Alley auch personalisierte Webshops für Restaurants an und plant die Entwicklung einer eigenen Smartphone-App.

Kräuterkraft aus Ravensburg

Nicht Smoothie, nicht Tee, sondern die Getränkeinnovation Smootea bieten Nadine Kösler-Krautz und Sebastian Merk.
Nicht Smoothie, nicht Tee, sondern die Getränkeinnovation Smootea bieten Nadine Kösler-Krautz und Sebastian Merk. | Bild: Andrea Fritz/Kräuterkraft

Statt auf zuckerhaltige Softdrinks setzen die Gründer des Ravensburger Start-ups Kräuterkraft Nadine Kößler-Krautz und Sebastian Merk auf Smooteas – eine neu erfundene Produktkategorie. „Das sind Getränkepulver aus gefriergetrockneten und hauchfein zermahlenen regionalen Kräutern und Früchten“, so Kößler-Krautz, „dadurch bleiben Nähstoffe und Geschmack schonend erhalten.“

Regionale Kräuter sind die Hauptzutat der Smooteas. Bilder: Kräuterkraft
Regionale Kräuter sind die Hauptzutat der Smooteas. Bilder: Kräuterkraft | Bild: Kräuterkraft

Die Pulver lassen sich in Wasser, Joghurt und flüssigen Lebensmitteln auflösen – und verbinden so die Eigenschaften von Smoothies und Tees. Und in der Region wachsen in ökologischer Landwirtschaft etwa Pfefferminze, Melisse, Basilikum, Kamille, Himbeeren, Äpfel und Thymian.

Die ersten Kreationen entstanden in Kößler-Krautz Küche mit Hilfe einer japanischen Matcha-Mühle. Mit Crowdfunding, der Unterstützung des Start-up Netzwerks Bodensee sowie des Inkubator-Programms der Hochschule Weihenstephan konnten die Gründer im Mai 2021 die Erstproduktion realisieren. „Wir wollen mehr Gesundheit in den Alltag der Menschen bringen, und zwar mit nachhaltigem Genuss!“

Knödelkult aus Konstanz

Die Gründer des Konstanzer Start-ups Knödelkult (v. re.): Janine Trappe, Felix Pfeffer und Matthias Helmke.
Die Gründer des Konstanzer Start-ups Knödelkult (v. re.): Janine Trappe, Felix Pfeffer und Matthias Helmke. | Bild: Sissi Kandziora/Knödelkult

1,7 Millionen Tonnen Backwaren landen laut WWF alleine in Deutschland jedes Jahr im Müll! Bei einem Stammtisch der Konstanzer Innovationswerkstatt hatten die Gründer Janine Trappe, Felix Pfeffer und Matthias Helmke (mittlerweile ausgeschieden) 2016 die Idee „gegen die Brotverschwendung anzuknödeln“, wie sie sagen. Denn: Sie retten Brotreste und verarbeiten sie zu Semmelknödel im Glas. Eine Crowdfunding-Initiative und ein Kredit sicherte den Konstanzern damals das Startkapital, im Sommer 2017 konnte man die ersten Produkte kaufen: „Die haben wir noch nächtelang von Hand gefertigt“, sagt Trappe.

Bei der Gründerserie „Die Höhle der Löwen“ konnten die Juristin und ihr Partner und Architekt Felix Pfeffer 250.000 Euro an Land ziehen. Mittlerweile haben die Gründer einen Produktionspartner und ihre Produktpalette erweitert: Unter der Marke „Heldenbrot“ verkaufen sie auch Brotlinge, Kekse und Nudeln aus geretteten Backwaren.