Explodierende Energiepreise, gestiegene Lohnkosten und teure Düngemittel – die Liste der Herausforderungen für die Obst- und Gemüsebauern in Baden-Württemberg ist derzeit lang. „Die Kostenbelastung für die Betriebe ist stark gestiegen“, sagte Roman Glaser, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV). Er kündigte zudem bei der digitalen Pressekonferenz der baden-württembergischen Obst-, Gemüse- und Gartenbau-Genossenschaften eine Preissteigerung für die regionalen Erzeugnisse an.
Woanders bleiben Gewächshäuser leer – Reichenau baut an
Einige Landwirte in Deutschland haben bereits aufgegeben und lassen ihre Gewächshäuser leer stehen, warnte der Deutsche Bauernverband zuvor. Für sie lohnt sich der Anbau von Gemüse nicht mehr.
Auch die Gemüsebauern auf der Reichenau spüren die Auswirkungen des Ukrainekriegs. Wird es in diesem Jahr also weniger Tomaten und Gurken von der Gemüseinsel geben? Johannes Bliestle, Geschäftsführer der Reichenau-Gemüse Genossenschaft, geht momentan noch nicht davon aus. Dafür werden die Verbraucher aber mehr für das heimische Gemüse zahlen müssen.

„95 Prozent unser Produktion findet in Gewächshäusern statt“, erklärte Bliestle die Voraussetzungen. All das sei sehr energieintensiv, vor allem vom Gas seien die Mitgliedsbetriebe abhängig.
Allerdings hätten sich viele Landwirte schon zu Jahresbeginn mit langfristigen Lieferverträgen für Gas eingedeckt und könnten so das ganze Jahr von niedrigeren Preisen profitieren, sagte Bliestle in einem Gespräch mit dem SÜDKURIER. „Das ist für uns sehr beruhigend“, fügte er hinzu. Doch der Druck auf Russland erhöht würde und die Gashähne zugedreht würden, dann würde es auch für die Betriebe auf der Reichenau eng werden.
Obst und Gemüse wird teurer
Unweigerlich werden die gestiegenen Produktionskosten zu höheren Preisen führen, auch bei den Obst- und Gemüsebauern im Südwesten. Die wenigsten Betriebe haben einen ausreichenden Puffer, um die Mehrkosten selbst zu tragen.
Es wurden Preissteigerungen von allen Seiten angekündigt, sagte Johannes Bliestle. Für Verpackungen und den Transport mit Lastwagen müssten die Genossenschaftsmitglieder mehr zahlen. Und der Preis für Düngemittel habe sich um 300 Prozent erhöht.

So war das Obst- und Gemüsejahr 2021
Erhebliche Probleme sieht Egon Treyer zusätzlich im Laufe des Jahres auf die Produzenten zukommen. „Wenn Russland auch von anderen Ländern nicht mehr bedient wird, erleben wir ein Debakel“, sagte der Geschäftsführer der Marktgemeinschaft Bodenseeobst.
Denn Russland importiert große Mengen an Obst und Gemüse von Herstellern weltweit. Wenn diese Drittländer ihre Waren nicht mehr dorthin verkaufen könnten, würden die Waren auch auf dem deutschen Markt auftauchen und diesen zu billigen Preisen überschwemmen.
Obst und Gemüse für Russland könnte zu Preisverfall führen
„Die Warenströme werden einfach umgelenkt“, so Treyer. Das gelte etwa für Äpfel und Kirschen. Er befürchtet eine regelrechte Preisschlacht, in der die regionalen Hersteller untergehen könnten. „Wenn wir nicht aufpassen, liegen die Kirschen für 2,99 Euro im Supermarktregal und unsere Bauern wollen 6 Euro dafür haben“, machte er deutlich.
Der Unterstützung der Verbraucher sind sich die Obst- und Gemüsebauern nicht sicher. Zwar hätten regionale Produkte zu Beginn der Corona-Pandemie 2020 große Unterstützung erfahren, sagte BWGV-Präsident Roman Glaser. Diese habe sich im vergangenen Jahr allerdings nicht so fortgesetzt.

„Wir werden ein Fiasko erleben“
Ansonsten sehen die Erzeuger düster: „Wir werden ein Fiasko erleben“, sagte Hans Lehar, Geschäftsführer der Obst- und Gemüse-Vertriebsgenossenschaft Nordbaden. Unklar sei, ob die Verbraucher die höheren Preise überhaupt akzeptierten. „Wie sieht es aus, wenn die Kaufkraft nachlässt?“, fragte sich Bliestle.
Zudem treibt die Obst- und Gemüsebauern der neue Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde um. Durch das hohe Lohnniveau sehen sie die Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland innerhalb der EU bedroht und fordern von der Politik eine Entlastung.

„Es besteht die Gefahr, dass Betriebe aufhören“, sagte Bliestle. Diese gingen für die Produktion von Lebensmitteln für immer verloren, warnt er. Durch die enorme Kostenbelastung könne sich der bundesweite Selbstversorgungsgrad von einem Drittel noch weiter reduzieren, warnte Glaser. Gerade jetzt sehe man, dass es aber wichtig sei, Lebensmittel im eigenen Land zu produzieren.
Immer ein neuer Krisenmodus
Und auch die Corona-Pandemie ist noch nicht überstanden. „Wir stolpern von einem Krisenmodus in den nächsten“, sagte er im Gespräch mit dem SÜDKURIER. So gebe es momentan relativ viele Coronafälle im Betrieb und somit einige Personalausfälle. Zumindest geht er, wie auch der Genossenschaftsverband, davon aus, dass in diesem Jahr genügend Erntehelfer aus Polen und Rumänien zur Verfügung stehen werden – wenn sich die geopolitische Lage nicht noch mehr verschärft.