Das einzig Beständige ist der Wandel – der Satz ist eine Binsenweisheit. Doch wer mit offenen Augen durch die Region fährt, merkt: An diesem Satz ist auch viel Wahres dran. Ein Beispiel dafür findet sich in Bodman am Ende des Überlinger Sees. In dem Ort, der auch ein beliebtes Ziel für Touristen ist, geht gerade ein prestigeträchtiges Großbauprojekt seinem Ende entgegen. Mit dem Vorhaben, das unter dem Namen Gräfliche Seedomaine am Markt ist, könnte der Ort etwa zehn Prozent an Einwohnern gewinnen – und das mehr oder weniger auf einen Schlag.
Mit der Seedomaine wurde ein großes Grundstück in der Ortsmitte von Bodman nach vielen Jahren des Stillstands aus dem Dornröschenschlaf geweckt, nämlich das Areal des früheren Hotels Linde. An dessen Stelle steht dort nun das Seehotel Villa Linde – ein kompletter Neubau, der aber von außen möglichst detailgenau wie die alte Linde aussehen soll. Darauf hat der Initiator des Projekts, das gräfliche Haus Bodman, Wert gelegt, erzählt dessen Geschäftsführer Johannes von Bodman. Rund um das neue Hotel herum: neun Häuser mit jeweils mehreren Wohnungen, exklusiv ausgestattet und mit unverbaubarer Seesicht. Die Grundstücksfläche beträgt 12 000 Quadratmeter, sagt von Bodman.

Inzwischen gehen die Arbeiten auf dem Gelände dem Ende entgegen. Die Planung der Gebäude stammt von dem Architekten Hans Kollhoff, der nach Angaben seines Unternehmens Büros in Berlin, Den Haag, Florenz und Oberägeri in der Schweiz hat. Kollhoff hat zahlreiche Großprojekte verwirklicht, darunter das Delbrück-Hochhaus am Potsdamer Platz in Berlin, und er hat ein – bislang nicht umgesetztes – Konzept für den Alexanderplatz in Berlin erstellt. Die Gartenanlage stammt von dem international tätigen Landschaftsplanungsbüro von Peter Wirtz, das seinen Sitz in Schoten in Belgien hat. Um die Seedomaine zu bauen, wurde der gesamte Hügel abgetragen, um unter den Häusern eine verbindende Tiefgarage zu bauen. Danach wurde die Erde wieder hergebracht. Es wurden keine Mühen und Kosten gescheut. Wer die im Netz verfügbaren Preise durchrechnet, kommt auf einen Kaufpreis von bis zu 9150 Euro pro Quadratmeter.
Thomas Wurster hat die Anlage so gut gefallen, dass er eine der Wohnungen gekauft hat. Ein Feriendomizil in Gaienhofen hätten sie bereits, erzählt Wurster am Telefon. Und im Sommer seien er und seine Frau ohnehin so gut wie jedes Wochenende am Bodensee. Ihren festen Wohnsitz nach Bodman verlegen werden sie aber wohl frühestens, wenn er, der in Nürtingen bei Stuttgart wohnt und von Beruf Bauunternehmer ist, in den Ruhestand geht, sagt er. Und von den Nachbarn, die er kennt, würde zunächst wohl nur eine Minderheit auf Dauer nach Bodman ziehen.

Wurster ist nicht allein. Ganze vier Wohnungen in den Gebäuden seien noch zu haben, schreibt Olga Flatz-Wimmer, Pressesprecherin des Bauunternehmens i+R Wohnbau mit Sitz in Lauterach in Vorarlberg, das für Bau und Vermarktung der Häuser verantwortlich ist. Dass die Anlage nicht gerade den häufig gewünschten günstigen Wohnraum bietet, ist auch Johannes von Bodman klar: „Hier entsteht an exklusiver Stelle sehr teurer Wohnraum. Es ist aber auch ein Ort, der sich dafür anbietet.“ Günstiger Wohnraum sei an anderer Stelle richtig aufgehoben, so von Bodman. In seiner Wahrnehmung sähen es die Bodmaner auch so. Das gräfliche Haus als Grundstückseigentümer und die Gemeinde würden allerdings auch nachdenken, wie und wo günstiger Wohnraum zu schaffen sei.
Hört man sich in Bodman und Ludwigshafen um, hört man unter der Hand immer wieder die Befürchtung, dass in die Seedomaine ohnehin nur reiche Leute ohne Interesse am Dorf ziehen und dort Zweitwohnungen einrichten würden – was Käufer Thomas Wurster praktisch bestätigt hat. In der Zeitung lesen möchten die meisten, die das kritisieren, ihren Namen aber nicht. Selbstverständlich kämen wohlhabende Menschen in die Seedomaine, sagt von Bodman. Wie sich die neuen Bewohner und die alteingesessene Bevölkerung mischen, könne nur die Zukunft zeigen – wie bei jedem Neubaugebiet.

Bildhauer Peter Lenk, der seit vielen Jahren in Bodman lebt und arbeitet und mit seinen satirischen Werken immer wieder die Mächtigen auf die Probe stellt, hat seine eigene Meinung dazu. Nach dem Abriss der Linde sei der Star-Architekt Kollhoff gekommen, schreibt er auf Anfrage: „Das Konzept: Ein nostalgischer Mix aus Schwarzwaldhaus und istrischem Palast für eine betuchte Freizeit-Gesellschaft. Handwerklich wurde sehr hochwertig gebaut. Die hintere Häuserreihe überzeugt. Vorne wird es problematisch. Um den gelungenen dominanten Neubau der Linde herum wird es zu eng und zu hoch. Das rechte, schwülstig als ‚Residenz Bodmansee‘ beworbene Gebäude im Holzschindelmantel wirkt viel zu wuchtig. Das gesamte Ensemble gerät aus den Fugen. Das Panorama wird hier leichtfertig dem Profit geopfert. Bis auf diesen Missgriff ist mir die Anlage immer noch lieber als die üblichen Wohnkisten.“
Und wie sieht es das offizielle Bodman? Bürgermeister Matthias Weckbach möchte das Projekt Seedomaine in einem größeren Zusammenhang sehen. „Eigentlich hat die Veränderung des Ortes schon mit dem Landessanierungsprogramm im Jahr 2007 angefangen“, sagt er. Die Konzeption, mit der sich die Gemeinde dafür beworben habe, stamme sogar aus dem Jahr 2004. Seitdem hat sich in Bodman viel getan. Das alte Rathaus und die alte Obsthalle sind weg, es gibt einen neuen Uferpark und im Jahr 2012 wurde das Seeum als zentraler öffentlicher Ort am Bodmaner Seeufer gebaut. Derzeit laufe mit der Sanierung der Kaiserpfalzstraße, der durch den Ort führenden Hauptstraße, der neunte Abschnitt des Landessanierungsprogramms, so Weckbach. Ein weiterer folge noch, weiter in Richtung Ortseingang rund um die Weilerkapelle.
Und die Preise für das Wohnen in seiner Gemeinde? Weckbach sagt klar: „Eine Wohnlage am See kann nicht günstig sein.“ Doch mit den wohnbaupolitischen Grundsätzen, die der Gemeinderat im Juli 2018 beschlossen hat, wolle man der Preisspirale entgegenwirken. Eine der Maßnahmen sei, dass künftig ein Investor, der etwas bauen möchte, auch zur Schaffung von günstigem Wohnraum verpflichtet werde. Und im Baugebiet Haiden wolle die Gemeinde auf eigenen Grundstücken bezahlbaren Wohnraum schaffen. Dass durch die Seedomaine viele neue Einwohner in Bodman dazukommen, ist für Weckbach kein großes Thema: „Vergrößerungswellen gab es schon früher und in größerem Ausmaß“, sagt er über die 1950er- bis 1970er-Jahre. Und in die Seedomaine würden dann doch zu wenige Menschen einziehen, um den Ort umzukrempeln.
Schritte zum Projekt und Rolle des Hotels
- Vorgeschichte: Es habe großer Druck bestanden, auf dem Linde-Areal etwas zu unternehmen, „weil es desolat aussah“, sagt Johannes von Bodman. Das Grundstück der Linde, in der Mitte von Bodman gelegen, habe ihm und seinen Geschwistern gehört und er sei sehr dankbar, dass diese das Projekt mitgetragen haben. Auch der Bodmaner Bevölkerung dankt von Bodman für ihre Geduld während der umfangreichen Bauarbeiten. Um das Gelände zu entwickeln, habe es einen Architektenwettbewerb mit namhafter Beteiligung gegeben, erzählt Johannes von Bodman. Gemeinsam mit dem Gemeinderat habe man sich für den Entwurf von Hans Kollhoff entschieden: „Er hat sich am meisten an den geforderten Stil gehalten.“ Und der sollte sich an der traditionellen Bebauung in Bodman orientieren und nicht zu avantgardistisch sein: „Wir sind als Familie nicht so, dass wir Traditionen über den Haufen werfen“, so von Bodman. Die Kollhoff-Häuser seien allerdings weiter in die Zukunft gedacht, als man denkt. Und: „Hätte man ein Ufo landen lassen, hätte sich das Dorf noch stärker verändert.“ Als Generalunternehmer tritt nun i+R Wohnbau mit Sitz in Lauterach in Vorarlberg auf. Das Unternehmen ist auch Investor und Bauträger beim Konstanzer Siemensareal, wo 600 Wohnungen, Geschäfte und Büros entstehen sollen.
- Hotel: Auch das frühere Hotel Linde sei etwas ganz Besonderes im Dorf gewesen, sagt Johannes von Bodman – ein Ort, wo man Hochzeiten und Taufen gefeiert habe, der sich als elegantes Hotel aber auch schon immer dem Dorf geöffnet habe. Betreiber der Villa Linde ist Christopher von Prack, der nach eigenen Angaben schon seit zehn Jahren als Hotelentwickler tätig ist und für zweieinhalb Jahre die Villa Linde entwickelt hat. Sein Vorbild für die Zimmer: die luxuriösen Riva-Boote. Auch was das Restaurant angeht, hat er großes vor: Mit Kevin Leitner, Bettina Ramsauer und Simon Reichmann habe er drei Köche aus der Sterne-Gastronomie engagiert.