Bei Hufgeklapper und Pferdewiehern denken viele junge Mädchen an das schönste Hobby, das sie sich vorstellen können. Doch auf einem Pferdehof bei Stockach gingen vor etwa 20 Jahren keine Kindheitsträume in Erfüllung, sondern im Gegenteil: Was dort geschah, erinnert an einen Alptraum. Denn der 34 Jahre alte Hofleiter soll über Jahre hinweg Kinder und Jugendliche missbraucht und ihnen Drogen verabreicht haben.
Zwischen 1999 und 2003 sollen sich die Taten zugetragen und sich der Stockacher Pferdehof-Mitbetreiber an jungen Mädchen vergangen haben. 73 Einzelfälle sexueller Übergriffe, Drogenhandel, Besitz von Kinderpornografie. Über 100 Seiten umfasste die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft. Im April 2004 musste sich der damals 34-Jährige vor Gericht verantworten.
Partys mit Alkohol und Drogen
Daneben hätten auf dem Hof auch Partys stattgefunden, bei denen der Tatverdächtige Alkohol und Rauschgift an Kinder abgegeben habe. Auch soll der Angeklagte mit den Mädchen öfters unterwegs gewesen sein, sodass die Straftaten nicht nur auf dem Hof stattgefunden haben sollen.
Nur zehn der 73 Missbrauchsvorwürfe habe der Angeklagte mit einem Mädchen ausgeführt, so die damalige SÜDKURIER-Berichterstattung. In den anderen Fällen sei es zu sexuellen Handlungen mit bis zu vier Mädchen gleichzeitig gekommen. Die Ermittler glaubten, dass der 34-Jährige die Mädchen mit Drogen gefügig gemacht hatte. Laut Staatsanwaltschaft habe es sich um Marihuana gehandelt.
Psychiatrisches Gutachten
Die Frage, ob der Angeklagte voll verantwortlich gemacht werden kann, sollte mit einem psychologischen Gutachten geklärt werden. Denn es stand auch im Raum, dass schwere seelische Störungen oder eine Drogenabhängigkeit seine Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit vermindert haben könnten.
Ein Gutachter stellte keine Schuld-mindernden schweren seelischen Störungen fest. Allerdings sei der Angeklagte „ein ganz gravierendes Stück in seiner Persönlichkeitsentwicklung zurückgeblieben“, so das Gutachten.
Ein Freund machte mit
Vor Gericht räumte der damals 35-Jährige ein, er habe ein damals 13 Jahre altes Mädchen aus Stockach sexuell manipuliert. Er sei sich aber nicht im Klaren über ihr Alter gewesen, sie habe eher reifer gewirkt. Der Angeklagte und ein damals 32-Jähriger hätten zum Heuen im August 2002 zwei Mädchen mitgenommen. Die 13-Jährige sowie eine 14-Jährige. In einer Pause hätten sie sich auf einer Decke niedergelassen und Bier getrunken. Dabei hätten sie die Rücken der beiden halb entblößten Mädchen massiert.
Zwischen dem Freund des Angeklagten und der 14-Jährigen sei es zum Geschlechtsverkehr gekommen. Das habe den 34-Jährigen animiert, ebenfalls sexuelle Handlungen an dem 13-jährigen Mädchen vorzunehmen. Doch sie habe ihm Einhalt geboten und es sei nicht zum Geschlechtsverkehr gekommen. Statt einer Verurteilung musste der Freund eine Geldbuße von 3000 Euro zahlen.
Urteil gegen Junior, doch was ist mit dem Senior?
Der Juniorchef des Hofes wurde im Oktober wegen mehrfachen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt, hat aber laut Informationen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt.
Doch während des Prozesses gab es immer wieder Hinweise und Andeutungen, die auch den Vater des Angeklagten als Tatverdächtigen ins Spiel brachten. Bis zur Verhaftung des Sohnes betrieben beide den Hof gemeinsam. Ihm wurden zwölf Fälle des vollendeten und ein Fall des versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie drei Fälle des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen vorgeworfen. Von 1997 bis 2003 soll er an sechs Mädchen, die damals zwischen elf und 14 Jahren alt waren, sexuelle Manipulationen vorgenommen haben.
Zudem erhob die Staatsanwaltschaft Anklage wegen eines Vergehens gegen das Waffengesetz. Bei einer Hausdurchsuchung war ein geladenes, schussbereites Kleinkalibergewehr gefunden worden. Über den weiteren Verlauf des Prozesses und ein Urteil liegen jedoch keine Informationen vor.