Keine eigene Wohnung mehr, aber Schimmel in der Notunterkunft: Die Notlage von Cora Kirchner und ihrer 77-jährigen Mutter Hildegard war am Mittwoch groß. Sie mussten aus ihrer Wohnung in Ludwigshafen raus, hatten aber trotz intensiver Suche nichts gefunden. In solchen Fällen springt die Gemeinde Bodman-Ludwigshafen ein und bringt obdachlos werdende Bürger unter. Die Notunterkunft in Bodman brachte die 42-Jährige, die genau wie ihre Mutter eine Pflegestufe hat, in die nächste Bredouille. Beide waren entsetzt, als sie die Zimmer sahen: Überall waren Dreck und Schimmel. Für beide war klar: Dort konnten sie keine einzige Nacht bleiben, zumal beide chronisch krank sind.

Cora Kirchner war enttäuscht und verzweifelt. Erst die komplizierte Vorgeschichte samt Zwangsräumung, dann die mangelnde Perspektive für die kommende Zeit.

„Das ist eine Zumutung“

Auch die 77-jährige Hildegard Kirchner zeigte sich vom Zustand der Notunterkunft entsetzt. „Hier kann man nicht leben. Das ist eine Zumutung“, sagte sie im Gespräch. Sie könne nicht verstehen, dass sie und ihre Tochter das putzen sollen, was seit Jahren nicht geputzt worden sei.

Eine schimmlige Wand und eine siffige Matratze in einem der Zimmer.
Eine schimmlige Wand und eine siffige Matratze in einem der Zimmer. | Bild: Cora Kirchner

Cora Kirchner fühlte sich von der Gemeinde im Stich gelassen, wandte sich am Mittwochmorgen an den SÜDKURIER und schickte Fotos vom Zustand der beiden Zimmer in der Notunterkunft sowie von Küche und Bad, die für das ganze Stockwerk sind.

Gemeinde hilft nach SÜDKURIER-Anfrage

Dann ging alles ganz schnell: Wenige Stunden nach der SÜDKURIER-Anfrage bei der Gemeindeverwaltung standen Bürgermeister Christoph Stolz und Bianca Mack, Leiterin Zentrale Dienste, bei Familie Kirchner in der Notunterkunft. Sie sahen sich die Situation an und handelten sofort. Kurz darauf konnten Cora und Hildegard Kirchner für die Dauer der Renovierung der Unterkunftszimmer in eine Ferienwohnung einziehen.

Die Küche ist schmutzig und schimmlig. Sie wird nun ersetzt.
Die Küche ist schmutzig und schimmlig. Sie wird nun ersetzt. | Bild: Cora Kirchner

Die Erleichterung darüber war Cora Kirchner abends am Telefon deutlich anzuspüren. Sie erzählte, Bürgermeister Christoph Stolz habe sich bei ihr entschuldigt. Am nächsten Morgen bei einem persönlichen Besuch in der Ferienwohnung sagte Hildegard Kirchner dem SÜDKURIER: „Ohne Ihre Hilfe wäre der Bürgermeister nicht zu uns gekommen und wir wären nicht hier.“

Ebenso gerührt erzählte sie, wie Christoph Stolz sie und ihre Tochter persönlich in die Ferienwohnung gefahren habe, das Gepäck reingetragen und sogar Pizza und Getränke spendiert habe.

Das könnte Sie auch interessieren

Bürgermeister kümmert sich um den Fall

Aber warum wurden Mutter und Tochter in schimmelige Räume eingewiesen? Und welche Pflicht hat die Gemeinde, wenn Einwohner obdachlos werden? „Dies ist ein Fall, in dem die Dinge nicht so gelaufen sind, wie sie sollten“, sagt Bürgermeister Christoph Stolz auf Anfrage. „Die Unterkunft war nicht so vorbereitet, wie wir es von uns erwarten.“

Er habe sich persönlich ein Bild der Situation gemacht und umgehend geregelt, dass die betroffenen Räume in dem Haus renoviert werden. Bereits am Donnerstagmorgen war die Schimmelbekämpfung in vollem Gange. „Wir werden intern aufarbeiten, was schiefgelaufen ist“, erklärt er weiter.

Die Arbeiten zur Schimmelbekämpfung in der Obdachlosenunterkunft laufen.
Die Arbeiten zur Schimmelbekämpfung in der Obdachlosenunterkunft laufen. | Bild: Christoph Stolz

„Ich bin von der Gesetzmäßigkeit unserer Handlungen felsenfest überzeugt“, sagt Stolz aber zur Einweisung der beiden Frauen in eine der Unterkünfte der Gemeinde. Die Versäumnisse bei der Bereitstellung der Räume bedauere er sehr. „Für mich ist sofort klar gewesen, dass wir etwas tun müssen.“ Grundsätzlich würden die Unterkünfte geprüft – deshalb sei es umso ärgerlicher, dass dies passiert sei.

Ansprüche bei einer Notunterkunft

Im Polizeigesetz sei die Abwehr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geregelt, also auch der Fall wenn Bürger ein Dach über dem Kopf verlieren. Dann müssten geeignete Maßnahmen getroffen werden, damit sie nicht auf der Straße schlafen müssen. „Dabei geht es nicht um das Anbieten einer klassische Mietwohnung, sondern die Bereitstellung einer zeitweiligen Notunterkunft“, erklärt Stolz.

Die Arbeiten zur Schimmelbekämpfung in der Obdachlosenunterkunft laufen.
Die Arbeiten zur Schimmelbekämpfung in der Obdachlosenunterkunft laufen. | Bild: Christoph Stolz

Eine genaue gesetzliche Regelung gebe es dazu nicht. Aber in Baden-Württemberg sehe die Rechtsprechung einen Raumbedarf von sieben bis neun Quadratmeter pro Person und eine grundlegende Ausstattung mit Bett, Tisch, Stuhl, Schrank, eine Wasch- und Kochgelegenheit sowie den Schutz vor Regen, Nässe und Kälte vor. „Schimmel geht natürlich nicht und ist gesundheitsgefährdend“, betont Stolz ganz klar.

Im Falle solcher Unterbringungen durch die Gemeinde sei die Behandlung für alle Personen gleich, da das Ziel sei, die Obdachlosigkeit abzuwenden. Es gebe keine Unterscheidung aufgrund des Gesundheitszustandes, des Alters oder der Nationalität.

Das könnte Sie auch interessieren

Renovierung bis kommende Woche

Da sie und ihre Mutter chronisch krank sind und ein Arzt-Attest haben, glaubt Cora Kirchner, die Gemeinde hätte sie als Härtefall sehen und die Wohnung beschlagnahmen müssen, aus der sie zwangsgeräumt wurden. Dann hätten sie vorerst dort bleiben können. Doch Christoph Stolz erläutert auf SÜDKURIER-Nachfrage, rechtlich sei das mildeste Mittel bei der Unterbringung gefordert. Eine Beschlagnahmung wäre jedoch ein hartes Mittel, da es stark in die Rechte der Wohnungseigentümer eingreife. Zudem gelte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Wie geht es nun weiter? Sobald die Räume renoviert sind, können und müssen die Kirchners in die Notunterkunft einziehen, sofern sie für sich keine andere Möglichkeit oder neue Wohnung finden. Die Gemeinde könne die Ferienwohnung nur bis dahin als Ersatz zur Verfügung stellen und trage die Kosten, so Stolz. Natürlich wünschen sich Cora und Hildegard Kirchner baldmöglichst wieder eine richtige Wohnung und sind auf der Suche.