Landwirtschaft und Artenvielfalt gehen zusammen und das sogar mit wirtschaftlichen Vorteilen. Davon konnten sich Landwirte überzeugen. Denn Matthias Stengelin hat den Schritt zum Modellbetrieb gewagt. Als solcher erprobt er mit fachlicher Unterstützung des Regierungspräsidiums Freiburg Maßnahmen zur Verbesserung der Biodiversität auf landwirtschaftlichen Flächen.
Gemeinsam mit Mitarbeitern der Landwirtschaftsämter der Landkreise Tuttlingen und Konstanz, Landwirten und Landwirtschaftsschülern ging es nach kurzer Einführung auf dem Hof direkt vor Ort, um die Maßnahmen mit eigenen Augen zu sehen und deren Erfolg zu beurteilen.

Der Erhalt der biologischen Vielfalt ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, dazu gehört auch die Landwirtschaft. Landwirte prägen die Kulturlandschaft im Offenland, auf Äckern, Grünland, Obst- und Weinbauflächen maßgeblich. Darum ist es wichtig, dass sie ausarbeiten, wie auf den von ihnen bewirtschafteten Flächen, biologische Vielfalt erhalten und ausgebaut werden kann. Die Lösungen müssen aber wirtschaftlich für die Landwirte sein, sie müssen konkurrenzfähig bleiben.

In der Vergangenheit wurde die Effektivität durch produktionstechnische Maßnahmen gesteigert, doch die Artenvielfalt sank um 40 Prozent. Wie das anderes geht, soll in den acht Modellbetrieben des Regierungspräsidiums umgesetzt werden. „Der Wissens- und Informationstransfer soll allen Landwirten zugute kommen“, betonte Klaus Mastel, Leiter des Referats Pflanzliche und Tierische Erzeugung im Regierungspräsidium Freiburg.

Andreas Deyer sagte als Vorsitzender des BLHV Kreisverband Konstanz: „Aktuell ist Biodiversität in aller Munde. Sie ist schon länger in unserem Alltag.“ Die Landwirte könnten sich nicht aus dem gesamtgesellschaftlichen Auftrag heraus nehmen, da sie 40 Prozent der Flächen bewirtschafteten. Matthias Stengelin stellte den Familienbetrieb vor und bekannte: „Wir haben vorher nicht viel für Biodiversität getan.“ Er zitierte seinen Großvater: „Du hast doch Bauer gelernt, um Lebensmittel zu machen und nicht, um Bienen zu füttern.“ Heute sehe er selbst es anders. Er beobachte, was machbar ist und welche Auswirkungen die Maßnahmen haben.
Was bisher gemacht wurde, erläuterte Agrarbiologin Katharina Hügel vom RP Freiburg auf den Flächen. Dort wurde zum Beispiel über die Mischfruchtkultur Mais-Stangenbohne gesprochen. Ein wichtiger Vorteil könnte hier sein, dass die Wildschweine weniger Interesse an der Mischkultur als am puren Mais zeigten und dass das Hächselgut einen höheren Proteingehalt aufweist. Bei Blühstreifen und -flächen interessierte die Landwirte, welche Saatmischungen sich bewährt hätten, wie man die Flächen bewirtschafte und wie man Förderungen beantragt.
Altgrasstreifen im Grünland bieten Tieren Nahrung und Unterschlupf und ermöglichen Pflanzen, sich zu versämen. Hier wurde die Arbeitsorganisation diskutiert. Auch, ob man wirklich ein Fenster im Getreide für die Feldlerche braucht, wurde diskutiert, denn alle hatten die Erfahrung gemacht, dass die Vögel auch in den Fahrtstreifen starten und landen. Braucht es wirklich Nisthilfen für Insekten? Ja, ist sich Katharina Hügel sicher. Doch es würden dabei viele Fehler gemacht.
Nach einem Jahr wird in den Modellbetrieben erste Bilanz gezogen. Ob diese in diesem Jahr in der Vorderen Schweinsgruben bei Stengelins repräsentativ ausfällt, weiß man noch nicht. Denn dieser Sommer ist vergleichsweise nass und kalt. Eines hat sich auf jeden Fall schon getan. Für viele Landwirte scheinen einige Maßnahmen attraktiv zu sein und werden bereits umgesetzt. Wenn die Förderrichtlinien durchschaubarer wären und die Praktiker sich austauschen können, gibt es Hoffnung, dass die Biodiversität davon profitiert.